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Titel
Adela of Blois. Countess and Lord (c. 1067-1137)


Autor(en)
LoPrete, Kimberly A.
Erschienen
Anzahl Seiten
XVII, 663 S.
Preis
€ 85,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christof Rolker, Universität Konstanz

Adela von Blois zählt zu den bekanntesten Herrschergestalten der bewegten Zeit um 1100. Trotz einer vergleichsweise sehr günstigen Überlieferungslage erfuhr die von ihren Zeitgenossen vielfach gerühmte Gräfin bislang in der modernen Forschung keine ausführlichere Würdigung. Die nun von Kimberly LoPrete vorgelegte Biografie Adelas schließt diese Lücke und reiht sich damit ein in die stattliche Zahl der Studien zur weiblichen Herrschaftsausübung im 11. und 12. Jahrhundert.1 Die von LoPrete gewählte biografische Form könnte den Verdacht nähren, dass hier ein altes Konzept im neuen Gewand daherkommt: „Große Frauen machen Geschichte“. Solche Befürchtungen erweisen sich jedoch als unbegründet; LoPrete unternimmt zugleich weniger und mehr als die Biografie einer „großen“ Frau. Weniger, insofern auch bei einer prominenten Figur wie Adela eine Biografie im modernen Sinne kaum möglich ist; mehr, da LoPrete stattdessen in minutiöser Quellenarbeit das komplexe Gefüge der gräflichen Herrschaft rekonstruiert, die Adela sowohl mit ihrem Mann Stephan-Heinrich als auch, während dessen Abwesenheit (Kreuzzüge), ohne ihn ausübte.

Worüber herrschte Adela aber? Kein geschlossenes Gebiet, sondern ein Geflecht aus Ansprüchen, Loyalitäten und familiären Beziehungen stellt die Machtbasis des gräflichen Paares dar, das als Grafen von Blois, Chartres und Meaux verschiedenste Rechte, Burgen und Länder in nicht weniger als zwölf Diözesen besaß. LoPrete arbeitet den dynamischen Charakter dieser Herrschaft inmitten fluktuierender Machtverhältnisse klar heraus, wobei sie oft weit ausholt und zahlreiche Einzelprobleme angeht, ohne den Blick für das Ganze zu verlieren.

Das Material, das LoPrete ausbreitet, ist in sieben Kapitel gegliedert, die lose einem lebenszyklischen Modell entsprechen, beginnend mit Adelas familiärer Herkunft über ihre Zeit als Ehefrau und Witwe bis zu ihrem viel kommentierten Eintritt in das Kloster Marcigny. Sowohl in ihren Fußnoten als auch in mehreren Appendices geht LoPrete dabei viele der chronologischen und genealogischen Spekulationen an, die in der älteren Literatur üppig wuchern; das Gestrüpp der Vermutungen und gern kopierten Irrtümer wird hier gründlich gelichtet.

Über Einzelheiten lässt sich natürlich immer streiten. So ist das Bild, das LoPrete von der Beziehung zwischen Adela und dem Bischof von Chartres (in dessen Diözese ein Gutteil ihrer Güter lag), etwas zu harmonisch geraten. Ohne Zweifel kooperierten Gräfin und Bischof in vielen Punkten, insbesondere auch hinsichtlich der treuga Dei. Die ebenfalls bestehenden Spannungen unterschätzt LoPrete aber. So zitiert sie wiederholt den Friedensschwur zwischen Bischof und Gräfin aus dem Jahre 1104 und den gräflichen Verzicht auf das Spolienrecht in Chartres, verschweigt aber, dass beide Eide gebrochen wurden. Solche Detailfragen sollten indes nicht gegen LoPretes Arbeit gewendet werden; sie erinnern höchstens an einen Punkt, auf den LoPrete selbst immer wieder hinweist: Die ohnehin schon schwer zu bestimmenden politischen Allianzen waren oft außerordentlich instabil, während umgekehrt auch scheinbar grundsätzliche Konflikte kein Hindernis für pragmatische Kooperation waren. LoPrete hütet sich dementsprechend vor allen Vereinfachungen, die etwa „die“ königliche Politik betreffen. Ein gutes Beispiel ist ihre Analyse der Heirat Adelas. Gerade in der französischen Forschung wurde (und wird) die Heirat zwischen der Tochter Wilhelms des Eroberers und dem prospektiven Erben mehrerer Grafschaften rund um die französische Krondomäne als ein gegen die Kapetinger gerichteter Schachzug der englischen Könige dargestellt. Wenn die Heirat jedoch als politisch-militärische Allianz zu deuten ist, dann aus zeitgenössischer Sicht eher gegen Anjou; Maine, auf das Thibaud III. zu diesem Zeitpunkt noch Hoffnungen hatte, war für Wilhelm den Eroberer wichtiger als die Einkreisung der kapetingischen Domäne. Erst recht sollte die Aufteilung der Länder Thibauds 1089 nicht als Teil einer „antifranzösischen Politik“ von Adelas Vater dargestellt werden, wie LoPrete zu Recht betont: „That William the Conqueror had a hand in it two years after his own death is implausible at best, implying among other things that he could enforce his will on the Thibaudians from beyond the grave, but not on his own sons.“ (S. 68)

Welche Faktoren waren es, die es Adela ermöglichten, in der politischen Landschaft ihrer Zeit so prominent zu wirken? LoPrete arbeitet drei Punkte heraus. Eine wichtige Rolle spielte erstens Adelas auch von den Zeitgenossen wiederholt herausgestrichene königliche Abstammung: Sie war die eheliche Tochter des gekrönten Königs von Englands und über ihre Mutter eine Enkelin Roberts des Frommen. Dazu kam die besondere Situation der Kreuzzugszeit, die viele adelige Frauen in Abwesenheit ihrer Männer noch stärker als sonst in die Ausübung herrschaftlicher Funktionen einbezog. Im Falle Adelas tritt drittens hinzu ihre viel gerühmte Bildung, ihre Patronage literarisch tätiger Kirchenmänner und ihre Briefwechsel mit Gestalten wie Hildebert von Lavardin und Anselm von Canterbury – Ausdruck intellektueller ebenso wie kirchenpolitischer Spielräume.

Mit diesen drei Punkten sind ohne Zweifel Aspekte benannt, die Adelas Handlungsmöglichkeiten entscheidend prägten. LoPrete macht indes deutlich, dass Adela gerade nicht nur als Ausnahmefigur interessant ist. Entscheidend ist nicht, dass für einige Jahre sowohl ihr Mann abwesend (bzw. tot) als auch ihre Kinder minderjährig waren und Adela in dieser Zeit gleichsam stellvertretend herrschte. Vielmehr ist es die routinierte Herrschaft über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren, sowohl mit ihrem Mann als auch ohne ihn, die das wichtigste Ergebnis von LoPretes Studie darstellt. Adelas Wirken ist in den Quellen weit besser greifbar als das der meisten zeitgenössischen Herrscherinnen; erkennbar wird aber vor allem, dass sie als Politikerin und Richterin eben keine Ausnahmefigur war. Die Pointe ist also nicht, dass hier eine „große“ Frau in einer Ausnahmesituation Herrschaft ausüben konnte, sondern die weitgehende Normalität einer Konfiguration, die erst im anachronistischen Rückblick als exotisch empfunden werden kann.

Anmerkung:
1 LoPretes Studie geht zurück auf ihre 1991 in Chicago eingereichte Dissertation. Unter den seither erschienenen, auch von LoPrete berücksichtigten Neuerscheinungen sind neben mehreren Sammelbänden vor allem zu nennen die Querschnitts-Studien zu den Herrscherinnen Kataloniens (Martin Aurell), den Königinnen des hochmittelalterlichen Frankreich (Carsten Woll), zu den „notwendigen Gefährtinnen“ der Salierzeit (Kurt-Ulrich Jäschke) sowie Monografien zu einzelnen Figuren wie den Königinnen Emma und Edith (Pauline Stafford), Beatrix von Tuszien (Elke Goez) oder Kaiserin Mathilda (Marjorie Chibnall).

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