M. Demantowsky: Das Geschichtsbewußtsein in der SBZ und DDR

Cover
Titel
Das Geschichtsbewußtsein in der SBZ und DDR. Historisch-didaktisches Denken und sein geistiges Bezugsfeld (unter Berücksichtigung der Sowjetpädagogik. Bibliographie und Bestandsverzeichnis 1946-1973)


Autor(en)
Demantowsky, Marko
Reihe
Bestandsverzeichnisse zur Bildungsgeschichte 9
Anzahl Seiten
276 S.
Preis
€ 7,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ilko-Sascha Kowalczuk

Bibliographien zählen zu den wichtigen Grundwerken einer jeden Wissenschaftsdisziplin. Diejenigen, die solche Arbeitsmittel erstellen, werden oft von denjenigen, die sie eifrig benutzen, geringschätzig als Kärrner bezeichnet. Dabei ist fast alles, was Wissenschaft ausmacht, Kärrnerarbeit – nur eben meist nicht so offensichtlich wie im Falle von Bibliographien.

Marko Demantowsky (Universität Leipzig) hat eine systematische Bibliographie zum Geschichtsbewusstsein in der SBZ und DDR erstellt. Der Titel ist etwas irreführend. Denn es geht weniger um Geschichtsbewusstsein, sondern vielmehr um Geschichtsmethodik und darum, wie sich die Geschichtsmethodiker in der DDR die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins unter kommunistischen Vorzeichen vorstellten. Demantowsky hat in jahrelanger mühevoller Arbeit nun zusammengetragen, was dazu in der DDR, in der Bundesrepublik und seit 1990 im vereinten Deutschland geschrieben worden ist. Er wertete 35 Zeitschriften aus, erfasste Monographien, Sammelbände, Hochschulschriften und nicht-schriftliche Lehrmaterialien.

Nun macht das Lesen von Bibliographien, sofern man nicht gerade an einem eng damit verflochtenen Forschungsprojekt sitzt, in der Regel keinen Spaß. Das liegt am Genre. Demantowskys Arbeit stellt hier naturgemäß keine Ausnahme dar. Die Arbeit folgt einer nicht ganz einsichtigen Gliederung, ist aber über verschiedene Sach- und Autorenregister gut erschließbar. Das Buch, das übrigens aufgrund seiner phänomenalen Buchdruckkunst nicht erst beim dritten, vierten oder fünften Mal der Benutzung, sondern gleich beim ersten Mal in seine Einzelseiten auseinander fällt, ist leider etwas unübersichtlich aufgebaut. Denn aus einem nicht klar ersichtlichen Grund folgt die Systematik des Bandes dem Herkunftsort des Autors. So sind etwa alle geschichtsmethodischen Arbeiten von der Universität Jena unter FSU chronologisch zusammengefasst. Analog sind die Arbeiten aller anderen Universitäten, Hochschulen und Institute erfasst.

Neben den Unterpunkten „Bibliographien“, „Quelleneditionen“ und „Darstellungen zur Geschichte des Geschichtsbewusstseins (1946-1997)“ nehmen den Hauptteil der Punkt „Quellen zu Theorie, Empirie und Pragmatik des Geschichtsbewusstseins (1946-1973)“ sowie „Quellen zum geistigen Bezugsfeld (1946-1973)“ ein. Hinter diesen ansprechend klingenden Titeln verbergen sich fast ausnahmslos Beiträge, die die sozialistische Geschichtsmethodik, dass sozialistische Geschichtsbild und das entsprechende Bewusstsein in zahllosen Varianten preisen. Die Verherrlichung der Erkenntnisse und Erfolge der sowjetischen Geschichtspädagogik beansprucht ein eigenes Kapitel.
Die Bibliographie vermittelt anschaulich, was den Geschichtsmethodikern in der DDR wichtig war, mitzuteilen. Ernst Gomm etwa schrieb 1959 über den „Kampf um ein wissenschaftliches Weltbild“, Herbert Mühlstädt klärte im selben Jahr seine Leserschaft über die „Verherrlichung und Rechtfertigung des deutschen Imperialismus und Militarismus in den westdeutschen Schulbüchern“ auf, um in einem kleinen Aufsatz dann die ostdeutschen Lehrer wiederum zu belehren, wie die „Behandlung des Militarismus in der 8. Klasse“ klassenkämpferisch richtig zu erfolgen habe.

Wegweisend sollten auch Beiträge wie der von Horst Riechert und Hans Treichel sein, die ihre „Gedanken zum Geschichtsunterricht nach dem VIII. Parteitag der SED“ 1971 vorstellten. Solche Beiträge gab es nach jedem SED-Parteitag oder anderen „epochalen“ Ereignissen. Horst Riechert wies zudem 1972 darauf hin, dass „Wissenschaftlichkeit, Parteilichkeit und Lebensverbundenheit des Unterrichts“ eine Einheit darstellen. Na gut, wer den SED-Geschichtsunterricht an den Schulen miterleben durfte, weiß, wie diese Einheit aussah und wie „lebensverbunden“ der Geschichtsunterricht daherkam. Von solchen und ähnlichen Titeln ist der Band voll. Daneben freilich findet sich all das, was sich die SED-Historiker über das sozialistisches Geschichtsbewusstsein zusammenreimten und was die Geschichtsmethodiker im Geschichtsunterricht der Weißen Flecken als wichtig empfanden.

Schade, dass die Bibliographie 1973 abbricht. Leider wird nicht mitgeteilt, ob an eine An- und Abschlussbibliographie bis 1989 gedacht ist. Es wäre wünschenswert, dass auch diese Arbeiten erfasst und systematisiert werden. Denn so wissenschaftlich substanzlos die Mehrheit der geschichtsdidaktischen Arbeiten aus der DDR auch gewesen sein mögen, wissenschafts- und ideologiehistorisch aufschlussreich und interessant sind sie allemal.

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