D. Stone: The Polish-Lithuanian State

Titel
The Polish-Lithuanian State, 1386-1795.


Autor(en)
Stone, Daniel
Reihe
A History of East Central Europe 4
Erschienen
Anzahl Seiten
374 S.
Preis
$ 50.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Oliver Loew, Deutsches Polen-Institut Darmstadt

Polen-Litauen, das große Reich im Osten der europäischen Mitte, war von seiner Begründung im Jahre 1386 bis zu seinem Ende gut vier Jahrhunderte später eine einzigartige Kontaktzone der Kulturen, Sprachen und Nationen. Seine Gründung verklammerte das alte Piastenreich der Polen mit dem noch heidnischen Litauen; seine Auflösung erfolgte vor dem Hintergrund einer politischen Annäherung der drei Großmächte der Region – Habsburg, Russland und Preußen. Zwischen diesen beiden Polen, juveniler Staatsbildung und später Ohnmacht, verlief die Geschichte der polnisch-litauischen Republik, der „Rzeczpospolita“, die Daniel Stone nun kenntnisreich erzählt.

Stone, Professor im kanadischen Winnipeg, beschäftigt sich in drei Zeitschichten subsequent mit Politik-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Zunächst behandelt er den jagiellonischen Staatsverband, also die beiden Jahrhunderte zwischen der Heirat Wladyslaw Jagiellos mit der Piastentochter Jadwiga (1386) und dem Erlöschen der Dynastie (1572), sodann die Zeit der Wasa-Könige und ihrer Nachfolger (1572–1697) und schließlich das 18. Jahrhundert bis zur dritten Teilung Polens. Dem politischen Geschehen widmet Stone mehr als die Hälfte seiner Darstellung.

Zwar wählt Stone eine traditionelle Erzählhaltung, doch schreibt er gegen die eingefahrenen Erzählungen der Nationalhistoriografien an, indem er die einzelnen Bestandteile des Reiches – neben Polen vor allem Litauen, die ukrainischen Gebiete und das Königliche Preußen – ausführlich im Kontext der Rzeczpospolita bespricht. Bereits das „Jogaila (Jagiello)“ überschriebene erste Kapitel vereint die unterschiedlichen Perspektiven, verdeutlicht durch die Schreibung der Eigennamen „in the original language“ (S.XI). Stones Verwendung dieser Namen kann er aber – dessen ist er sich bewusst – nicht konsequent durchhalten; bisweilen gerät er dabei an die Grenze zur Abstrusität, so bei einer Aufzählung wie „Braunsberg, Chelmno, Elblag, Gdansk, Königsberg, and Torun“ (S.18).

Sein Bemühen, nicht polnische Nationalgeschichte zu schreiben, sondern der facettenreichen Geschichte des polyzentrischen Staatsgebildes gerecht zu werden, hat viele Vorteile, selbst wenn die knappe Darstellung eine eingehendere Gegenüberstellung der verschiedenen Landesteile verhindert. Der Nachteil der Staats-Geschichte liegt darin, dass einzelne Landesteile dann aus der Sicht des Autors geraten, wenn sie dem Staatsverband nicht mehr oder noch nicht angehören. Bemerkenswert ist die verhältnismäßig große Beachtung der jüdischen Geschichte, die dadurch als einer der dominierenden Teile dieser Vielgestaltigkeit Polen-Litauens erscheint und damit alle traditionellen Nationalhistoriografien konterkariert.

Der große Zeitraum der Darstellung und die nationale, wirtschaftliche und kulturelle Heterogenität des behandelten Staates erschwert eine quer zu der Chronologie gelegte strukturelle Analyse, zumal Stone im Rahmen einer auf viele Bände angelegten Reihe zur Geschichte Ostmitteleuropas eine Einführung in die Geschichte Polen-Litauens zu schreiben hatte, die – laut Klappentext – „both seasoned historians and general readers“ zufrieden stellen sollte. Deshalb wirken manche Abschnitte, insbesondere jene zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte, wie die brave Aneinanderreihung von Fakten; eine Einbindung in die Forschungsgeschichte und eigene Überlegungen sucht man meist vergebens. Wer nicht nur auf pure Information, sondern auf Anregungen aus ist, der sollte aus diesem Grund zu anderen Darstellungen greifen. 1 An manchen Stellen wird die gebotene Kürze bei Stone auch zu lapidarer Banalität: „Her cultural influence was considerable“, heißt es über Königin Bona Sforza lakonisch (S. 40); worauf dieser Einfluss beruhte, bleibt ungesagt. Da sich weiterführende Literaturhinweise nur mittelbar durch den Literaturüberblick im Anhang erschließen lassen, ist dem „general reader“ nicht gedient, wenn er sich nicht sehr „general“ informieren möchte; der „seasoned historian“ dagegen hat sein Interesse an dieser Stelle ohnehin bereits verloren.

Trotz dieser Einschränkungen ist festzuhalten, dass Daniel Stone ein zuverlässiges Werk vorgelegt hat, das als Einführung in die Geschichte Polen-Litauens empfohlen werden kann. Einige sachliche Fehler stören diesen Gesamteindruck kaum (auf S. 30 müsste es statt western Pomerania eastern Pomerania heißen; die Privilegien Danzigs erweiterte Bathory nicht 1577, sondern 1585 – S.197). Die Übersichtlichkeit hätte durch die tabellarische Übersicht politischer, wirtschaftlicher und sozialer Rahmendaten erhöht werden können, allerdings bietet hier ein gutes Register zumindest teilweisen Ersatz. Besonders aufschlussreich ist der zwanzig Seiten lange bibliografische Kommentar, aus dem deutlich wird, wie reich die englischsprachige Literatur zur Geschichte Polen-Litauens und seiner Völker in Spätmittelalter und Früher Neuzeit mittlerweile ist; an Literatur in ostmitteleuropäischen Sprachen wurden nur einige Standardwerke aufgenommen.

Anmerkung:
1 Jüngst auf Deutsch: Jaworski, Rudolf; Lübke, Christian; Müller, Michael G., Eine kleine Geschichte Polens, Frankfurt am Main 2000 (insbesondere der Abschnitt von Müller, Die alte Republik: Polen-Litauen in der Frühneuzeit, S.151–252); außerdem Maczak, Antoni; Samsonowicz, Henryk; Szwarc, Andrzej; Tomaszewski, Jerzy, Od plemion do Rzeczypospolitej. Naród, panstwo i terytorium w dziejach Polski, Warszawa 1996; Wyczanski, Andrzej, Polen als Adelsrepublik, Osnabrück 2001.

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