W. Neugebauer: Handbuch der Preußischen Geschichte

Titel
Handbuch der Preußischen Geschichte. Band 3: Vom Kaiserreich zum 20. Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens


Herausgeber
Neugebauer, Wolfgang
Erschienen
Berlin 2000: de Gruyter
Anzahl Seiten
812 S.
Preis
DM 298,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
PD Dr. Ralf Pröve, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Geschichtswissenschaften

Vorliegender Band ist der letzte Teil einer ursprünglich von Otto Büsch, nunmehr nach dessen Tod von Wolfgang Neugebauer herausgegebenen, allerdings noch unvollständigen Trilogie. Während Band 2 bereits 1992 auf den Markt kam, soll der erste Band, der das 17. und 18. Jahrhundert umfaßt, in einem der nächsten Jahre erscheinen.

Entsprechend der Konzeption des Handbuchs sind die Beiträge auf zwei Sektoren verteilt, in einen chronologischen Teil und einen thematischen Block, der als „Große Themen der preußischen Geschichte“ betitelt ist. Den chronologischen Teil bearbeiten der inzwischen verstorbene Karl Erich Born, der sich Preußen im Kaiserreich widmet, sowie Horst Möller, der Preußen in Weimarer Republik und unter der NS-Diktatur behandelt. Der thematische Block wird von Manfred Messerschmidt (Das preußische Militärwesen), Rudolf von Thadden (Geschichte der Kirchen und Konfessionen) und Martin Schulze-Wessel (Epochen der russisch-preußischen Beziehungen) gefüllt.

Das Nebeneinander von chronologisch-entwicklungsgeschichtlichen und strukturhistorischen Zugängen überzeugt, zumal die historischen Kernbereiche Kirche und Militär epochenübergreifend beleuchtet werden und der beziehungsgeschichtliche Beitrag seine Entsprechung in den anderen Bänden findet, die sich den Beziehungen Preußens zu Polen und zu Frankreich widmen. Andere Kernbereiche preußischer Geschichte sind bereits bzw. werden in den anderen beiden Bänden aufgegriffen.
Es ist das besondere Verdienst des neuen Herausgebers, der ohne Zweifel zu den besten Kennern preußischer Geschichte zählt, das Handbuch mit dieser besonderen Konzeption und thematischen Ausrichtung trotz etlicher Widrigkeiten realisiert zu haben. Diese Widrigkeiten liegen nicht nur in der langen Vorplanung des Vorhabens, das seit 1980 verfolgt wurde, sondern vor allem in der Auflösung der Historischen Kommission zu Berlin, die als Betreiberin des Projektes fungierte, begründet. In einem längeren Vorwort ist Neugebauer auf diese Schwierigkeiten detailliert eingegangen.

Freilich hat diese lange Vorgeschichte, die bei derartigen wissenschaftlichen Unternehmungen durchaus häufiger auftritt, dazu geführt, dass trotz einer Überarbeitung des Rahmenkonzeptes in den 1990er Jahren die Beiträge nicht immer die aktuelle Forschungsdiskussion einbinden. Darüber hinaus zielen die bis auf eine Ausnahme der älteren Historikergeneration angehörenden Autoren vornehmlich auf die politik- und verwaltungsgeschichtliche Ebene; Belange von Gesellschaft, Alltag oder Kultur werden gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Das ist schade, da auf diese Weise sowohl die gesellschaftsgeschichtlichen Konzepte als auch Herangehensweisen der neuen Kulturgeschichte unterbelichtet geblieben sind.

Freilich, so wird man konzedieren müssen, gehörte die Fokussierung auf die großen Haupt- und Staatsaktionen generationenlang zur gängigen Praxis der Preußenforschung. Man reduzierte Preußische Geschichte auf die Dynastie, auf die hohen Regierungsbehörden und den Verwaltungsapparat - und ließ damit die historische Realität, wie sie sich in den einzelnen Provinzen unmittelbar offenbart, außen vor. Diese traditionelle Trennung in eine Preußische Geschichte auf der einen Seite und in die einzelnen Landesgeschichten der jeweiligen Provinzen Preußens auf der anderen Seite manifestierte dabei auch in besonderer Weise unterschiedliche Fragestellungen und methodische Herangehensweisen und sollte endlich aufgehoben werden. Ein dritter Sektor im Handbuch, der sich der Ebene der einzelnen Provinzen gewidmet und als notwendiges Korrektiv funktioniert hätte, wäre hier wohl hilfreich gewesen.
Ein wenig vermißt der Leser einen geschlossenen Anhang zum Nachschlagen mit Statistiken, Chroniken und weiteren schnell greifbaren Informationen.

Diese wenigen Kritikpunkte sollen den Wert des imponierenden Werkes nicht schmälern - zumal die meisten Einwände ohnedies fromme Wünsche darstellen, die zur Zeit von der Forschung nicht ohne weiteres zu erfüllen sind.
Vergegenwärtigt man sich, dass es in den letzten Jahrzehnten keine handbuchartige Betrachtung Preußens gegeben hat (auch die Kataloge und Bände zur Preußenausstellung 1981 waren da kein wirklicher Ersatz), und dass generell das Forschungsthema Preußen nach 1945 mehr oder weniger in die hermeneutische Ecke gestellt worden war, ist dieses Handbuch sehr zu begrüßen. Es wird der Forschung in den nächsten Jahrzehnten eine wichtige Projektionsfläche bieten.

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