: Für einen linken Populismus. Aus dem Englischen von Richard Barth. Berlin 2018 : Suhrkamp Verlag, ISBN 978-3-518-12729-2 110 S. € 14,00

: Linkspopulär. Vorwärts handeln, statt rückwärts denken. Frankfurt am Main 2017 : Westend Verlag GmbH, ISBN 978-3-86489-216-5 236 S. € 18,00

: Das Gespenst des Populismus. Ein Essay zur politischen Dramaturgie. Berlin 2017 : Theater der Zeit, ISBN 978-3-95749-097-1 178 S. € 14,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mirko Petersen, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld

Die sozialen Spannungen in Europa nehmen zu und es gelingt in erster Linie den rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen, daraus politisches Kapital zu schlagen. Sie können sich als Heimatparteien inszenieren und profitieren dabei von der verbreiteten Frustration über Sozialstaatsabbau und Entsolidarisierung sowie von der Schwäche und Zersplitterung linker Organisationen.1

In Deutschland möchte daran nun die am 4. September 2018 gegründete Sammlungsbewegung „Aufstehen“, bis vor Kurzem angeführt von Sahra Wagenknecht, etwas ändern. Wenngleich diese Bewegung sich nicht selbst so nennt, so lässt sich ihr Ansatz doch als Linkspopulismus charakterisieren. Dies wird auch bei einem Blick auf zwei Unterstützer der Bewegung deutlich – Bernd Stegemann und Andreas Nölke –, deren im vergangenen Jahr erschienene Bücher „Das Gespenst des Populismus“ sowie „Linkspopulär“ im Folgenden rezensiert werden.2 Ergänzt wird diese Sammelrezension durch das neueste Werk der belgischen Politologin Chantal Mouffe mit dem Titel „Für einen linken Populismus“. Mouffe arbeitet eng mit Parteien zusammen, die „Aufstehen“ als Vorbilder dienen könnten, nämlich „Podemos“ in Spanien und „La France Insoumise“ in Frankreich.

Bei allen drei hier besprochenen Büchern handelt es sich zunächst vor allem um politische Interventionen. Sie stützen sich zwar auf wissenschaftliche Theorie (und zum Teil auch Empirie), zielen jedoch nicht primär darauf ab, neue Forschungserkenntnisse zu präsentieren. Gleichwohl gibt es auch aus wissenschaftlicher Perspektive gute Gründe, sich mit diesen Werken zu befassen. Zum einen liefern alle drei Autor/innen zeitgeschichtliche Interpretationen der aktuellen Krise linker Parteien und Bewegungen – in erster Linie blicken sie dabei auf den Wandel und die Versäumnisse der Sozialdemokratie. Zum anderen lassen sich die drei Bücher als Zeugnisse des aktuellen Debattenstandes innerhalb eines Teils der politischen Linken in Europa lesen und können somit selbst zum Forschungsgegenstand für Geschichts- und Sozialwissenschaftler/innen werden.

Vorab soll jedoch kurz auf den in vielerlei Hinsicht schwierigen Begriff des Populismus eingegangen werden. Trotz der Tatsache, dass er häufig verwendet wird, ist oft nicht klar, ob er eher ein Regime, eine Ideologie, einen politischen Stil oder einen Diskurs bezeichnet. Bedauerlicherweise finden sich auch in den hier rezensierten Werken keine klärenden Definitionen. Mouffe stellt gleich zu Beginn ihres Buches klar, dass sie nicht in Theorie-, sondern in Politikdebatten intervenieren möchte. Dennoch nutzt sie meist das theoretische Vokabular aus ihren wissenschaftlicheren Texten. Ihrem Verständnis von Populismus liegen besonders die Überlegungen des 2014 verstorbenen Philosophen Ernesto Laclau zugrunde, der Populismus als politische Logik charakterisiert, die darauf abzielt, aus heterogenen Forderungen politische Allianzen zu formen. Dafür sind besonders sogenannte „leere Signifikanten“ von großer Bedeutung. Dies sind zentrale Begriffe, durch deren Einsatz die verschiedenen Forderungen vereint und gegenüber dem politischen Gegner in Stellung gebracht werden können.3 Mouffes Hauptthese lautet folgerichtig auch, „dass eine erfolgreiche Intervention in dieser Krise der hegemonialen Ordnung [d. h. des Neoliberalismus; MP] den Aufbau einer klaren politischen Frontlinie voraussetzt und dass ein linker Populismus – verstanden als diskursive Strategie, die auf Errichtung einer politischen Frontlinie zwischen ‚dem Volk‘ und der ‚Oligarchie‘ abzielt – in der derzeitigen Lage genau die Art von Politik darstellt, die zur Wiederherstellung und Vertiefung der Demokratie vonnöten ist“ (S. 16).

Der Fokus Bernd Stegemanns liegt, ähnlich wie bei Mouffe, auf kommunikativen Prozessen. Er simplifiziert den Populismus-Begriff jedoch stärker und bezeichnet damit politische Grenzziehungsprozesse und die Schaffung einer Wir/Sie-Unterscheidung. Bei Andreas Nölke, der sich am wenigsten von den drei Autor/innen mit dem Begriff des Populismus auseinandersetzt, steht im Mittelpunkt, die Konturen eines politischen Programms auszuarbeiten, welches er als „linkspopulär“ bezeichnet. Ihm ist daran gelegen, konkrete politische Maßnahmen (mit besonderem Fokus auf Wirtschaftspolitik) zu benennen, die ihm wichtig erscheinen. Die Kommunikation dieser Politik befindet sich bei ihm nicht im Blickpunkt.

Zu Beginn ihres Buches begründet Chantal Mouffe die Motivation hinter ihrer Intervention damit, dass linke Parteien in Europa die Chance der momentanen Legitimitätskrise des hegemonialen Neoliberalismus zum Aufbau einer demokratischeren Ordnung nutzen müssten. Das bisherige Scheitern sozialdemokratischer und sozialistischer Parteien an dieser Aufgabe liege daran, dass sie Teil eines „postpolitischen Konsenses“ geworden seien, in dem sie mit den Mitte-Rechts-Parteien nur noch um Fragen der technokratischen Verwaltung der Globalisierung debattierten, ohne grundsätzliche politische Debatten zu führen. Mouffe versucht daher, genuin politische Konflikte wieder stärker in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu stellen, ohne dabei auf spezifische Inhalte einzugehen. Gegen Ende des Buches hebt sie jedoch explizit hervor, dass politische Programme in verschiedenen Kontexten ganz unterschiedlich sein können: Im vielleicht interessantesten Kapitel des Buches mit der Überschrift „Vom Thatcherismus lernen“ legt sie entsprechend dar, dass linke Parteien zwar keine inhaltlichen, sehr wohl aber strategische Anleihen bei Margaret Thatcher machen sollten. Mouffe hebt hervor, dass es Thatcher (in hegemonietheoretischer Sicht) auf beeindruckende Weise gelungen sei, eine „neoliberale“ Vorherrschaft in Großbritannien (und darüber hinaus) zu etablieren, und unterstreicht im Anschluss, dass soziale Bewegungen von diesem Prozess lernen und die damals angewandten Strategien nun mit linker Stoßrichtung vorantreiben müssten.

In diesem Kontext bringt Mouffe erneut verschiedene von ihr und Ernesto Laclau entwickelten Konzepte in Anschlag: Die bestehenden liberal-demokratischen Regime müssten radikalisiert (das heißt die postdemokratischen Tendenzen beendet und die Institutionen repräsentativer gemacht werden) und die Konstruktionen eines „Volkes“ vorangetrieben werden. Mit Volk ist hier keineswegs eine ethnisch definierte Gruppe gemeint, sondern die diskursive Konstruktion eines politischen Willens, dessen genaue Inhalte nicht von vornherein bestimmbar sind. Bei diesen Operationen sei in erster Linie ein Fokus auf den nationalstaatlichen Rahmen wichtig, ohne dabei jedoch, wie dies Rechtspopulist/innen täten, „abgeschlossene, defensive Formen des Nationalismus“ (S. 85) zu propagieren. Für Kenner/innen der Theorien Mouffes (und Laclaus) dürfte all dies – außer einigen aktuellen Reflexionen – wenig grundlegend Neues bieten.

Während Chantal Mouffe schon länger für ihre Spielart des Linkspopulismus wirbt, ist diese Debatte im deutschen politischen Kontext noch relativ jung. Die Assoziation zwischen „populär“ und „populistisch“ ist zwar gegeben, trotzdem hebt der Politikwissenschaftler Andreas Nölke in seinem Buch hervor, dass die von ihm vorgeschlagene linkspopuläre Politik sich vom Populismus unterscheide. Anders als Mouffe lehnt er eine pauschale Grenzziehung gegenüber dem Establishment ab. Zudem möchte er eine zu starke Assoziation mit dem Rechtspopulismus vermeiden: „Linkspopuläre Positionen lassen sich auch als ‚alt-sozialdemokratische‘ Positionen bezeichnen, die die Sozialdemokratie vor ihrer wirtschaftsliberal-kosmopolitischen Wende – insbesondere unter Kanzler Schröder – eingenommen hatte.“ (S. 226) Diese Positionen und deren Verortung in der aktuellen politischen Landschaft Deutschlands legt Nölke in seinem Buch präzise dar. Trotz gelegentlicher Literaturhinweise in Kurzform ist er dabei um eine verständliche Sprache bemüht, da es sich auch hier nicht um einen wissenschaftlichen Beitrag im engeren Sinne handelt. „Ausgangspunkt einer linkspopulären Position sind Sorgen um den weniger privilegierten Teil der deutschen Gesellschaft“ (S. 9), so Nölke.

Das erste Kapitel des Buches liefert eine umfangreiche Aufzählung der momentanen Verfehlungen der deutschen Politik, die vor allem den Geringverdiener/innen und Teilen der Mittelschicht schade. Zu den Verfehlungen zählt für Nölke – neben der einseitigen Konzentration auf Exporte und den neoliberalen Arbeitsmarktreformen – auch der Umgang mit Migration seit der sogenannten Flüchtlingskrise im Sommer 2015. Zwar seien Migranten keineswegs für die schwierige soziale Situation verantwortlich, stünden aber nun mit den schwächeren Schichten der deutschen Gesellschaft in Konkurrenz um Jobs, Wohnungen und staatliche Ressourcen. Deshalb sei die Abwehrreaktion vieler Menschen gegenüber offenen Grenzen nachvollziehbar.

Anschließend geht Nölke auf die Krise progressiver Parteien ein. Ähnlich wie Mouffe sieht er in der Krise des Neoliberalismus eine bisher ungenutzte Chance. Der Politologe erkennt hier eine Repräsentationslücke für linkspopuläre Politik. Neben einer Unterscheidung zwischen linken und rechten politischen Positionen ist laut Nölke auch die Differenzierung zwischen kosmopolitischen und kommunitaristischen Positionen von Bedeutung. Kosmopolitische Positionen assoziiert er mit liberaler Wirtschaftsregulierung, supranationalen Regierungsformen, offenen Grenzen, humanitären Interventionen sowie Individualismus, kultureller Vielfalt und gentrifizierten Stadtvierteln. Kommunitarismus zeichne sich durch lokale und nationale Formen von Demokratie und Solidarität, Befürwortung des Sozialstaats und Globalisierungsskepsis aus. Nölke sieht die linken Parteien in Deutschland in zu vielen Aspekten auf der kosmopolitischen Seite, weshalb das kommunitaristische Terrain der AfD überlassen werde. Die dadurch entstandene links-kommunitaristische Repräsentationslücke müsse gefüllt werden.

Hinsichtlich des politischen Programms fokussiert sich Nölke ganz klar auf einer Stärkung der nationalstaatlichen Eingriffe in die Wirtschaft. Dies vor allem, um der auch von dem Soziologen (und „Aufstehen“-Unterstützer) Wolfgang Streeck konstatierten „ersatzlose[n] Zerstörung nationaler Institutionen wirtschaftlicher Umverteilung und d[er] aus ihr resultierende[n] Überforderung der Geld- und Zentralbankpolitik als letztinstanzliche Wirtschaftspolitik“ entgegenzuwirken.4 Naheliegende Ansatzpunkte sind für Nölke „einerseits ein alternatives, über die Stärkung der Binnennachfrage – im Vergleich zum derzeitigen deutschen Exportismus – deutlich weniger zu Armut und Ungleichheit führendes Wirtschaftsmodell und andererseits ein revitalisierter öffentlicher Sektor mit einem besonderen Fokus auf Bereiche wie Bildung und Gesundheit“ (S. 120). Eine sehr kritische Haltung zeigt Nölke auch in Bezug auf die Europäische Union und die globalen Finanzmärkte, die er in ihrer jetzigen Verfassung als demokratiegefährdend erachtet. Zwar möchte der Politologe sozioökonomische Themen in den Mittelpunkt der Debatten rücken, gleichzeitig aber das Thema der Migration nicht vernachlässigen. Er spricht sich dabei gegen eine „unkontrollierte Massenmigration“ (S. 190) aus, um den Wettbewerb um Jobs, Wohnungen und Sozialleistungen nicht zu erhöhen. Auf außenpolitischer Ebene solle aus linkspopulärer Perspektive eine strikte Verteidigungsorientierung der Bundeswehr eingehalten, auf Militärinterventionen verzichtet und auf klassische zwischenstaatliche Diplomatie gesetzt werden. Auch wenn Nölke sich gegen Parteineugründungen ausspricht, betont er doch, dass sich linkspopuläre Politik von den Angeboten etablierter Parteien unterscheiden müsse: Die SPD habe sich von ihrem klassischen sozialdemokratischen Programm längst verabschiedet, die Linkspartei sei in vielen Fragen zu kosmopolitisch orientiert (hiermit unterstützt Nölke klar die Position Sahra Wagenknechts gegenüber großen Teilen der Partei) und der Rassismus der AfD sei nicht tolerierbar.

Eine in vielerlei Hinsicht ähnliche Haltung lässt sich in Bernd Stegemanns Buch „Das Gespenst des Populismus“ finden. Auch Stegemann fordert, sich stärker auf soziale Fragen zu konzentrieren und kritisiert „die Globalisierung“ sowie die Politik offener Grenzen. Der Fokus des Dramaturgen und Autors liegt, wie bereits erwähnt, auf kommunikativen Prozessen, die im Zusammenhang mit den aktuellen politischen Entwicklungen stehen. Vom Ansatz her ähnelt er damit eher Chantal Mouffe als Andreas Nölke, wenngleich er die Position der Erstgenannten aufgrund ihrer Zurückweisung des Klassenbegriffes kritisiert. In der Einleitung präsentiert Stegemann seine Hauptthese: „Der Populismus gewinnt, weil das Projekt des Liberalismus in einer tiefen Krise steckt.“ (S. 1) Der Autor unterscheidet drei Formen des Populismus: Rechtspopulismus, liberalen Populismus und linken Populismus (wobei die einzelnen Kapitel nicht reibungslos aufeinander aufbauen). Es gelingt dem Dramaturgen durchaus, die liberale Unterscheidung zwischen der eigenen, vermeintlich rationalen Politik und der vermeintlich irrationalen, unverantwortlichen rechts- und linkspopulistischen Politik zu dekonstruieren: „Die kürzeste Formel, mit der alle systemkritischen Aussagen verhindert werden, ist die pragmatische Behauptung: ‚Das ist nicht durchführbar!‘ Auf der Ebene der kommunikativen Formen wiederholt sich diese Blockade, indem alle Sprechakte, die sich dem liberalen Ton verweigern, als populistisch abgewertet werden. Hinter dieser doppelten Abwehr liegt das hegemoniale Dispositiv versteckt, mit dem sich die Macht heute verteidigt. Dieses Dispositiv nenne ich den liberalen Populismus, da er die Eigenart des öffentlichen Sprechens so für sich nutzt, dass es den dadurch hervorgebrachten Common Sense permanent bestätigt. […] Das liberale Sprechen bringt einen Populismus hervor, bei dem die Resonanz nicht im Gemeinschaftlichen liegt, sondern im Individuum.“ (S. 37–38) Stegemann betont, dass die liberale Mitte zwar oberflächlich den Rassismus rechtspopulistischer Akteure verurteilen könne, es jedoch permanent zu vermeiden wisse, über die systemischen Gründe für deren rasanten Aufstieg zu debattieren.

Anders als Andreas Nölke scheut sich Stegemann nicht vor dem Begriff des Populismus. Es lässt sich eher der Eindruck gewinnen, dass der Autor jede Form des populistischen Protests als per se positiv betrachtet (auch denjenigen der AfD). Stegemann plädiert in seinem Buch für einen linken Populismus, wobei es wichtig sei, von den anderen beiden Varianten zu lernen: „Der linke Populismus müsste sich von diesen beiden Formen dadurch unterscheiden, dass er die intelligenten Methoden und Argumente des Liberalismus nimmt, sie jedoch nicht als Schutzschild vor den ökonomischen Interessen instrumentalisiert. Zugleich müsste er seine Scheu vor der Durchschlagskraft der rechten Angriffe ablegen. Nicht jeder wirkungsvolle Antagonismus ist faschistisch und nicht jede einfache Antwort ist falsch. Ein linker Populismus müsste die Kraft der Dialektik zurückgewinnen, die die Widersprüche gerade nicht als naturgegebene Gesetze zwischen Völkern, Rassen und Menschen behauptet, sondern als Folge der ökonomischen Verhältnisse.“ (S. 132) Stegemanns Forderung ist es also, im Gegensatz zu Mouffes Hervorhebung der Pluralität politischer Kämpfe, die Rückkehr zum marxistischen „Hauptwiderspruch“ anzutreten.

Insgesamt stellen alle drei hier präsentierten Bücher eine interessante Lektüre dar, auch und gerade für Historiker/innen. Zum einen präsentieren die drei Autor/innen Analysen der Krise linker Organisationen und machen Vorschläge für Strategien zur Überwindung dieser Krise. Allerdings lässt sich diesbezüglich festhalten, dass es sich nicht unbedingt um grundlegend neue Inhalte handelt – speziell Chantal Mouffe wiederholt in ihrem Buch lediglich viele ihrer bereits bekannten Thesen. Zum anderen – und dies ist zentraler – lassen sich die drei Bücher selbst als Dokumente aktueller linker Debatten erforschen. Sie zeigen einen bestimmten, in sich nicht vollkommen einheitlichen Standpunkt auf, der momentan für viel Gesprächsstoff in Deutschland und Europa sorgt.

Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begriff des Populismus – und damit auch des Linkspopulismus – insgesamt vage definiert ist und es deshalb teilweise unklar bleibt, warum hierfür geworben wird. Andreas Nölke kann dies nur schwer zum Vorwurf gemacht werden, da er keinen Anspruch auf diesen Begriff erhebt und kein theoretisches Gepäck mit sich herumträgt. Im Falle von Chantal Mouffe besteht das Problem, dass ihr (bzw. Ernesto Laclaus) Verständnis von Populismus sehr weit gefasst ist und sich deshalb schwer von der Idee des Politischen im Allgemeinen unterscheiden lässt.5 In Bernd Stegemanns Buch ist die Verallgemeinerung des Populismusbegriffs noch ausgeprägter, was die Unterscheidung von anderen politischen Begriffen zusätzlich erschwert. Durch den Fokus auf die Diskursebene bleiben nach der Lektüre der drei Arbeiten zudem die durch den Soziologen Wolfgang Knöbl geäußerten Zweifel bestehen, ob Populismus überhaupt mit klassischen sozialwissenschaftlichen Ansätzen erforschbar ist.6

Abseits der wissenschaftlich-theoretischen Auseinandersetzung mit dem Populismusbegriff bleibt zudem offen, ob (und wenn ja, wie) linkspopulistische Strömungen künftig in Deutschland Fuß fassen werden. Vorhandene linke Organisationen scheinen hierfür momentan deutlich zu zerstritten, vor allem im Hinblick auf Positionierungen zum Thema Migration.7 Außerdem sind die aus SPD, Grünen und Linkspartei stammenden Politiker/innen, die sich für „Aufstehen“ engagieren, in ihren jeweiligen Parteien in der klaren Minderheit. Auch außerhalb Deutschlands befinden sich die politischen Regime und Parteien, die mit dem Linkspopulismus assoziiert werden, zunehmend in der Defensive. Die Partei „Podemos“ in Spanien hat nach anfänglichen Erfolgen inzwischen deutlich an Zustimmung eingebüßt und auch in Frankreich wachsen die Zweifel daran, dass Jean-Luc Mélenchon längerfristig von den Protesten der sogenannten Gelbwesten, die sich bewusst von allen Politiker/innen distanzieren, profitieren wird. Länderübergreifend lässt sich entsprechend konstatieren, dass der linke Populismus zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Gegengewicht zu rechtspopulistischen Strömungen darstellt.

Anmerkungen:
1 Vgl. Jörg Flecker, Europäisches Sozialmodell, Krisenpolitik und die extreme und populistische Rechte, in: Gudrun Hentges / Kristina Nottbohm / Hans-Wolfgang Platzer (Hrsg.), Europäische Identität in der Krise. Europäische Identitätsforschung und Rechtspopulismusforschung im Dialog, Wiesbaden 2017, S. 101–120.
2 Stegemann wurde in der Süddeutschen Zeitung sogar als „Mastermind“ hinter der Sammlungsbewegung bezeichnet (vgl. Verena Mayer / Jens Schneider, Aufbruch zum Kampf gegen die Verhältnisse, in: sueddeutsche.de, 04.09.2018, https://www.sueddeutsche.de/kultur/aufstehen-bewegung-bernd-stegemann-1.4113773 (20.03.2019).
3 Vgl. Ernesto Laclau, On Populist Reason, London 2005.
4 Wolfgang Streeck, Die Wiederkehr der Verdrängten als Anfang vom Ende des neoliberalen Kapitalismus, in: Heinrich Geiselberger (Hrsg.), Die große Regression. Eine internationale Debatte über die geistige Situation der Zeit, Berlin 2017, S. 253–273, hier S. 268.
5 Zu dieser Form der Kritik am Populismusbegriff Laclaus vgl. u.a. Omar Acha, Latin American Populism. Tentative Reflections for a Global Historiographical Perspective, in: Nuevo Mundo. Mundos Nuevos, 10.02.2013, http://nuevomundo.revues.org/64834 (20.03.2019).
6 Vgl. Wolfgang Knöbl, Über alte und neue Gespenster. Historisch-systematische Anmerkungen zum „Populismus“, in: Mittelweg 36 25/6 (2016), S. 8–35, hier S. 24, S. 34–35.
7 Vgl. hierzu Hans-Jürgen Urban, Epochenthema Migration. Die Mosaiklinke in der Zerreißprobe?, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 63/9 (2018), S. 101–112.

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