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Titel
Frauen im Technikmuseum. Ursachen und Lösungen für gendergerechtes Sammeln und Ausstellen


Autor(en)
Döpfner, Anna
Reihe
Edition Museum 21
Anzahl Seiten
222 S., zahlr. Abb.
Preis
€ 24,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christiane Bürger, Stiftung Haus der Geschichte, Berlin

Museen sind keine hierarchiefreien Räume, sondern Verhandlungs- und Repräsentationsorte von Wissen und Macht. Angeregt durch die Frauen- und Genderforschung wird die museale Interpretation und die Inszenierung der Geschlechterverhältnisse bereits seit langem historisch verortet und kritisch reflektiert.1 Dies gilt besonders für Technikmuseen, deren historisch gewachsene Sammlungs- und Ausstellungstradition einem männlichen Weltbild verhaftet ist.2 Offenbar erfüllen sie die Forderung nach einer Überwindung der Geschlechterhierarchien nur unzureichend und schließen so womöglich ihr weibliches Publikum aus. Anna Döpfner reflektiert dieses Spannungsverhältnis kritisch und methodologisch fundiert. Ihre Studie ist sowohl aktuell als auch praxisbezogen. Dabei bietet sie nicht nur eine Bestandsaufnahme zum Thema „Frauen im Technikmuseum“, sondern neue Ansatzpunkte für gendergerechtes Forschen, Sammeln und Ausstellen.

Ausgangspunkt ist eine „Bestandsaufnahme der Geschlechterverhältnisse im (Technik-)Museum“ (S. 19–50), die sowohl die inhaltliche Unterrepräsentation von weiblichen Erfahrungswelten als auch die Rezeption von Technikmuseen durch Frauen umfasst. Der Zugang erfolgt über Döpfners persönliche Arbeitserfahrung, denn die Studie „reflektiert die Erfahrung einer langjährigen Innensicht auf das Deutsche Technikmuseum in Berlin“ (S. 7), wird aber durch Beispiele aus der internationalen Museumslandschaft ergänzt.

Die Autorin stellt die These auf, dass Frauen in Technikmuseen bislang unzureichend als Besucherinnen angesprochen werden, da technikhistorische Ausstellungen vornehmlich männliche beziehungsweise als solche konnotierte Erfahrungswelten adressieren und diese zudem naturalisieren. Erfahrungswelten von Frauen dagegen werden innerhalb der Ausstellungsnarrative oftmals nicht sichtbar gemacht oder aber marginalisiert. Etwa indem Genderperspektiven in Sonderausstellungen oder gar in „Frauenecken“ (S. 23) – und damit jenseits der männlichen Norm – verortet werden. Sie belegt dies ausführlich anhand der Ausstellungseinheiten „Eisenbahn“, „Schifffahrt“ und „Luftfahrt“ der Dauerausstellung des Deutschen Technikmuseums Berlin. Döpfners Analyse zeugt dabei von profunder Kenntnis aktueller Genderdebatten und der Fähigkeit, sie gewinnbringend auf den Untersuchungsgegenstand anzuwenden. Der reichlich bebilderte Analyseteil könnte im Rahmen von Lehrveranstaltungen auch als Beispiel für eine gendersensible Ausstellungskritik herangezogen werden.

Zugleich belegt Anna Döpfner in Hinblick auf das Deutsche Technikmuseum ihre These, dass eine große Diskrepanz zwischen der theoretischen Auseinandersetzung mit Genderfragen und der praktischen Umsetzung im Museum besteht. Unter Berücksichtigung weiterer Museen und Dauerausstellungen zeigt sie, dass eine kulturhistorische Auseinandersetzung mit Technik die Chance birgt, inklusive Ausstellungskonzepte zu entwickeln. Es verwundert kaum, dass die Hamburger Ausstellung „Frauen und Männer: Arbeits- und Bilderwelten“, die von 1997 bis 2011 als Dauerausstellung im Museum der Arbeit gezeigt wurde, als Meilenstein präsentiert wird. Überraschend ist in diesem Zusammenhang die Dauerausstellung „Frauen-Zimmer. Lebensstationen in einer fränkischen Kleinstadt“, die seit 2003 im Museum Malerwinkelhaus Marktbreit gezeigt wird. Das grundlegende Desiderat bleibt jedoch bestehen, schließlich gibt es für Döpfner zumindest „im deutschsprachigen Raum“ aktuell „keine geschlechtergerechte Dauerausstellung in einem überregionalen Technik- oder Kunstmuseum“ (S. 48).

Umso dringlicher ist daher die Frage nach den Ursachen der Unterrepräsentation von Frauen in Technikmuseen. Döpfner gelingt es, die „Geschichte des Ausschlusses von Frauen aus dem Technikmuseum bis zum Beginn der neuzeitlichen Naturwissenschaften“ (S. 53) sehr knapp und anschaulich darzustellen. Sie spannt den Bogen von der Aufklärung bis heute und bindet die Ausführungen immer wieder ganz konkret an die Museumsarbeit an. Im Anschluss bietet Döpfner inklusive Lösungsansätze verschiedener Reichweite an, die zugleich den Schwerpunkt der Studie bilden. Zunächst werden kurzfristig realisierbare Inklusionsstrategien vorgestellt und auf ihre Möglichkeiten und Grenzen hin befragt. Neben einem kompensatorischen Vermittlungsangebot, das Leerstellen in Ausstellungen aufzeigen könnte, wird unter anderem auf Interventionen in Dauerausstellungen verwiesen. Sie sollen den normativ, hegemonial-männlichen Konstruktionscharakter von Ausstellungen aufzeigen „und die Norm gleichzeitig brechen“ (S. 89). Die vorgestellten Ansätze werden von Anna Döpfner zugleich kritisch hinterfragt, könnten sie doch als hinreichend wahrgenommen werden – und damit einen grundlegenden Paradigmenwechsel verhindern. Ob die Etablierung gendergerechter Sprache – die in vielen Museen noch immer nicht selbstverständlich ist – kurzfristig umgesetzt werden kann, mag jedoch bezweifelt werden. Langfristige Strategien zur Verwirklichung gendergerechter Ausstellungen bilden schließlich den größten Themenkomplex und weisen inhaltlich erneut weit über technikhistorische Museen hinaus. In den Blick gerät zunächst die Personalpolitik. Es ist ein wichtiges Verdienst der Studie, strukturelle Barrieren und Machtverhältnisse in Museen selbst zu thematisieren, seien es befristete Arbeitsverhältnisse oder intersektionale Verstrickungen der Kategorien Alter und Geschlecht. Damit sensibilisiert die Studie für Facetten gendergerechter Personalpolitik.

Während der spannende Aspekt „Architektur und Gestaltung“ etwas knapp abgehandelt wird, sind die Überlegungen zu den Themen „Forschung“ und „Sammlungspolitik“ anschaulich und mit vielen praktischen Anregungen dargestellt. Döpfner plädiert dafür, „‚Gender‘ im Museum“ als Forschungsthema zu stärken, um eine kritische Museumsanalyse zu etablieren (S. 109–125). Forschungsnachholbedarf sieht Döpfner im Bereich der „Werkzeug- und Sozialentwicklung“. Hinter dem sperrig daherkommenden Titel verbergen sich aufschlussreiche Überlegungen zur Reproduktionsarbeit. Anschließend widmet sich Döpfner einem geradezu klassischen Thema: der sozial konstruierten und divergenten Erinnerung von Männern und Frauen. An der Schnittstelle von Forschung und Sammlungstätigkeit sind die Ausführungen zu einer gendergerechten Sammlungspolitik angesiedelt. Die Studie zeigt hier die Notwendigkeit auf, sich mit der genderspezifischen Wahrnehmung und Sammlungspraxis von Objekten auseinanderzusetzen, um das Fundament für multiperspektivische Ausstellungskonzepte zu legen. Diesen Lösungsansatz vertieft und konkretisiert Anna Döpfner anhand der Themen „Arbeit“ und „Krieg“, die sie am Beispiel mehrerer Dauerausstellungen eben auf ihr multiperspektivisches und damit inklusives Potenzial befragt. Das Thema „Arbeit“, so wird argumentiert, sei „ein Schlüssel zu geschlechtergerechter Museumsarbeit“ (S. 139), da es – im Gegensatz zur Technik – relativ problemlos weibliche und männliche Erfahrungswelten integriere. Hierbei erstaunt, dass die Dauerausstellung des Technoseums in Mannheim unter den Fallbeispielen keine stärkere Berücksichtigung findet.

Das männlich konnotierte Ausstellungsthema „Krieg“ ist aufgrund seiner Präsenz in Technikmuseen und der gleichzeitigen Unterrepräsentanz von Frauen für eine genderkritische Revision prädestiniert. Doch anstatt lediglich bestehende Desiderate zu bemängeln, erläutert die Studie das multiperspektivische Potenzial des Themas anhand konkreter Ausstellungsbeispiele. Es gelte, die „unterschiedlichen Perspektiven von Männern und Frauen auf den Krieg“ (S. 161f.) und die – sowohl militärische als auch zivil genutzte – Kriegstechnik einzubeziehen, um einseitige Narrative aufzubrechen. Die Umsetzung sei jedoch nicht ohne vertiefende Forschung möglich – etwa zu sexualisierter Gewalt oder weiblicher Kriegserinnerung (S. 185–193). Als abschließender Ausblick wird das Museumskonzept der Wunderkammer diskutiert, das aktuell – unter anderem mit dem Humboldt Forum in Berlin – als mögliche Antwort auf museale Macht- und Deutungsfragen gehandelt wird.

Der von Anna Döpfner gewählte praxis- und erfahrungsbasierte Zugriff auf die Thematik erlaubt spannende Einblicke in die Museumsarbeit, bedingt jedoch auch einen Fokus auf das Deutsche Technikmuseum in Berlin. Es liegt ferner im Museumsbetrieb selbst begründet, dass Ausstellungsanalysen an Aktualität einbüßen, sobald Ausstellungen erneuert werden. Dies schmälert jedoch nicht den Ertrag der Studie insgesamt, die nicht allein technikhistorisch interessierten Museumsfachleuten sehr empfohlen sei: Die knappe, gut lesbare Arbeit zeigt nicht nur die Relevanz von Geschlechterverhältnissen in Technikmuseen auf – wie der Titel suggeriert –, sondern bietet aufgrund ihrer breit angelegten Fallbeispiele und ihrer übergreifenden theoretischen Überlegungen auch für die (kultur-)historische Museumsarbeit sowie für praxisorientierte Lehrende und Studierende der Gender Studies Anregungen.

Anmerkungen:
1 Vgl. hierzu Roswitha Muttenthaler / Regina Wonisch, Gesten des Zeigens. Zur Repräsentation von Gender und Race in Ausstellungen, Bielefeld 2006; Kate Hill, Women and Museums 1850–1914. Modernity and the Gendering of Knowledge, Manchester 2016.
2 Deutlich wurde dieses Desiderat auch auf der ICOM Jahrestagung 2016 zum Thema „Von der Weltausstellung zum Science Lab. Handel – Industrie – Museum“. Sie wurde vom Technikmuseum Berlin ausgerichtet und adressierte in ihrem Programm keine Genderthemen: http://www.icom-deutschland.de/tagung/programm/programm/ (31.01.2017).

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