C. Riedweg (Hrsg.): Kyrill von Alexandrien. Gegen Julian I

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Titel
Kyrill von Alexandrien, Werke, Band 1: Gegen Julian, Teil 1. Buch 1–5. Mit einer allgemeinen Einleitung von Christoph Riedweg und Wolfram Kinzig


Herausgeber
Riedweg, Christoph
Reihe
Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte N.F. 20
Erschienen
Berlin 2016: de Gruyter
Anzahl Seiten
CCXXXIII, 407 S.
Preis
€ 119,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Eine Edition der umfang- und inhaltsreichen Schrift gegen Julian des Bischofs Kyrill von Alexandria ist seit langem ein dringend benötigtes Desiderat. Seit 1992 ist daher eine Arbeitsgruppe tätig, die sich das Ziel gesetzt hat, eine neue Ausgabe dieser Schrift und eine deutsche Übersetzung vorzulegen. Mit dem hier zu besprechenden Buch liegt nunmehr der erste der voraussichtlich zwei Bände dieser Edition vor.

Die allgemeine Einleitung (S. XI–CCXXXIII) ist das gemeinsame Werk der beiden Herausgeber Christoph Riedweg und Wolfram Kinzig. Von Riedweg stammen die Kapitel zur Überlieferung (S. XI–LXIII), zu den Prinzipien der Ausgabe (S. LXXXII–LXXXIV), zu Julians Galiläerschrift (S. LXXXV–CVIII) und das Unterkapitel zur Sprache Kyrills (S. CLXXV–CLXXXVI); Kinzig hat die Kapitel zu den Editionen (S. LXIV–LXXV), den Übersetzungen (S. LXXVI–LXXXI) sowie zu Kyrill und seiner Schrift (S. CIX–CLXXXVI) mit Ausnahme der Partien zur Sprache Kyrills verfasst. Die kritische Edition des Textes der ersten fünf Bücher (S. 1–407) stammt wiederum von Riedweg.

Wie bereits der Umfang nahelegt, handelt es sich bei der Einleitung dieser Edition nicht nur um die üblichen Erklärungen zur Einordnung des Textes und der Benutzung der Edition, sondern um eine regelrechte Monographie, die nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Spätantike darstellt, sondern auch zahlreiche Informationen zu anderen Themengebieten präsentiert. Auf diese weiterführenden Informationen kann hier nicht im Detail eingegangen werden; es seien daher nur einige Stichworte genannt: Die Ausführungen zu den Handschriften und ihrer Geschichte sind für den Erforscher der Frühen Neuzeit von Interesse; das Kapitel zu den Vorlagen und Anregern Kyrills bildet einen eigenen Beitrag zur Rezeption der klassischen griechischen Autoren; die Ausführungen zu den Benutzern werden dem Byzantinisten hilfreich sein; die Passagen zu den Editionen bieten interessante Ergänzungen zur Wissenschaftsgeschichte.

Mit großem Nutzen wird aber insbesondere der Spätantikeforscher die Einleitung lesen, deren wichtigste Ergebnisse knapp vorgestellt seien: Die Schrift Kyrills wurde zwischen 423 und 428 fertiggestellt und wohl nach 416/17 verfasst. Statt der von der Überlieferung behaupteten 19 Bücher bestand sie vermutlich nur aus 18, definitiv aber aus nicht mehr als 20. Vollständige Exemplare des umfangreichen Werkes sind bereits für die Spätantike nicht sicher belegt und lediglich sechs plausibel anzunehmen: Kyrills Original, eine Abschrift für Theodosius II., eine an Johannes von Antiochia übersandte Abschrift sowie drei Kopien für die Patriarchatsbibliotheken in Konstantinopel, Jerusalem und Rom. Den Hauptadressatenkreis bildet die intellektuelle Elite von Alexandria, daneben war das Werk aber auch an andere Gruppierungen gerichtet (Theodosius II. und seinen Hof, Bischöfe sowie die Christen im allgemeinen); zugleich stellt das Werk somit einen Aspekt der Auseinandersetzung Kyrills mit seiner Opposition dar. Die von ihm häufiger zitierten Quellen hat Kyrill direkt eingesehen, er verdankt sein Wissen allerdings oft der Lektüre von christlichen Mittelquellen, die ihn dazu angeregt haben, sich näher mit den dort zitierten Autoren zu befassen. Seine Heranziehung heidnischer Autoren soll die Übereinstimmung derselben mit den christlichen Schriften oder die Widersprüche der heidnischen Schriftsteller untereinander beweisen. Vermutete Spuren der Galiläerschrift Julians in Mittelalter und Früher Neuzeit erweisen sich als nicht tragfähig; eine Benutzung fand stets nur über die Widerlegung Kyrills statt.

Der Text sowie der Apparat machen einen durchgehend zuverlässigen und gründlichen Eindruck. Einen Fortschritt bedeutet diese Edition somit in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist nunmehr erstmalig ein wirklicher kritischer Text im Wortsinne verfügbar; zum anderen bietet der reichhaltige Parallelstellenapparat wichtige Vorarbeiten für einen dringend notwendigen Kommentar und ein grundlegendes Hilfsmittel für das Verständnis einzelner Passagen. Eine Übersetzung ist nicht beigegeben – diese ist einer eigenen Ausgabe vorbehalten –, dafür aber umfangreiche Paraphrasen sowohl der Galiläerschrift Julians (S. XCIII–CVIII) als auch der Schrift Kyrills (S. CXXI–CXLVII), die den Einstieg in diese sprachlich wie argumentatorisch nicht ganz einfach zu lesenden Werke einstweilen erleichtern.

Zu den reichhaltigen Angaben der Ausgabe sind kaum Ergänzungen nötig. Lediglich einige Anregungen, die sich aus der Lektüre ergeben haben, seien hier mitgeteilt: S. LXXXV, Anm. 323 könnte noch darauf verwiesen werden, dass die Argumentation des Libanios durch die lateinische Übersetzung der Passage des Sokrates in Cassiodors historia tripartita auch Leser in der lateinischen mittelalterlichen Literatur fand. Wenn Kyrill den Abfall Julians vor dessen Herrschaftszeit datiert, könnte er damit tatsächlich bereits die Zeit vor 355 und nicht nur die vor 361 meinen (anders S. LXXXV mit Anm. 324), da die zeitgenössischen Kirchenhistoriker von frühen Vorzeichen für Julians Abfall berichten (Sozomenos 5,2,12–14; Theodoret 3,2). Dass Julian bis zur Erlangung der Alleinherrschaft offiziell Christ blieb (S. LXXXVI, Anm. 327), belegen noch Hilarius (liber ad Constantium 2,2) und Ammianus (21,2,4–5). Bei der Abfassungszeit der Galiläerschrift (S. LXXXVIII, Anm. 339) könnte noch auf Hieronymus, Epistulae 70,3,2 (zitiert in anderem Zusammenhang S. LXXXIX, Anm. 341) verwiesen werden, nach dem Julian das Werk während des Perserfeldzuges verfasst habe (was, wenn es zutreffen sollte, darauf hinweisen würde, dass die Verbreitung der Schrift nach seinem Tod stattfand und von seinen Freunden und Vertrauten ausging). Einen Ausgangspunkt für die möglichen Gründe der Kritik Julians an Markus 12,42 könnten die Bemerkungen von Kay Ehling bieten.1 In seiner chronologischen Argumentation, in der die Vorzeitigkeit Moses betont wird (S. CXXII), greift Kyrill auf die Chronik des Eusebios nicht nur als Quelle, sondern auch als methodisches Vorbild zurück, da bereits Eusebios ähnliche Ziele verfolgte.2 Die Nichtberücksichtigung der übrigen Schriften Julians durch Kyrill (S. CLXII) erstaunt umso mehr, da zumindest der Misopogon seinen Zeitgenossen nachweislich bekannt war (Sokrates 3,17,9; Sozomenos 5,19,3; Theodoret 3,28,3). Unberücksichtigt bleibt die Schrift In hexaemeron des Basilios von Caesarea als weitere mögliche Replik auf Julians Galiläerschrift.3 Die Bibliographie (S. CLXXXVII–CCXXIX) ist nahezu vollständig. Ergänzen ließen sich lediglich einige wenige Titel zur Galiläerschrift sowie einige ausführliche Rezensionen von Ausgaben Kyrills oder Julians, deren detaillierte Auseinandersetzung mit den besprochenen Werken einen Wert als eigener Forschungsbeitrag hat.4

Selbst im Detail überzeugt die Edition vollkommen. Die eingehende Auseinandersetzung, die nicht nur den direkt mit dem Werk verbundenen Aspekten, sondern auch nur lose damit verknüpften Themen zuteil wird (etwa S. XXVIIIf., Anm. 82 zum Geburtsjahr Bessarions), macht das Werk zu einer reichhaltigen Informationsquelle.5 Nach Erscheinen des zweiten Bandes der Ausgabe und der darin enthaltenen Register dürfte ein neues, qualitätsvolles Standardwerk geschaffen sein, das eine gelungene Edition mit einer begleitenden Behandlung monographischen Ausmaßes vereint. Unerfreulich ist lediglich der hohe Preis der Ausgabe, die einen wertvollen Beitrag vor allem, aber nicht nur zur Geschichte des 5. Jahrhunderts bietet.

Anmerkungen:
1 Kay Ehling, Münzen in der Logienquelle, in: Biblische Notizen 133 (2007), S. 99–104, hier S. 100.
2 Richard W. Burgess, The dates and editions of Eusebius’ chronici canones and historia ecclesiastica, in: Journal of Theological Studies 48 (1997), S. 471–504 (erneut in: Chronicles, consuls, and coins, Farnham 2011, Nr. I).
3 Dazu María Dolores Garrido García, Las homilias in hexaemeron de Basilios di Cesarea: ¿Una respuesta a la política religiosa del emperador Juliano?, Louvain-la-neuve 2000, insbesondere S. 177–207.
4 Heinrich Schiller, Julianus Bücher gegen die Christen, in: Philologus 40 (1881), S. 385–386 (zum Titel der Schrift); Jeanne-Marie Demarolle, Le Contre les Galiléens. Continuité et rupture dans la démarche polémique de l'empereur Julien, in: Ktema 11 (1986), S. 39–47; Contra os Galileus. Juliano, o imperador, organizador José Baracat Jr., Porto Alegre 2011 (brasilianische Übersetzung mit kommentierenden Anmerkungen). Rezensionen: Adolf Hilgenfeld, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 25 (1882), S. 375–384 (Neumanns Edition und Übersetzung der Galiläerschrift); Jacques Schamp, in: Revue belge de philologie et d’histoire 66 (1988), S. 126–129 (zweisprachige Ausgabe der ersten beiden Bücher Kyrills von Burguière/Évieux); Giuseppe Giangrande, in: Antiquité classique 60 (1991), S. 221–227 (Masaracchias zweisprachige Ausgabe der Galiläerschrift). Zu spät, um noch berücksichtigt zu werden, erschien die Edition Iulianus Augustus, Opera, edidit Heinz-Günther Nesselrath, Berlin 2015. Zu Karl Johannes Neumann (S. LXXIV mit Anm. 279) siehe noch Werner Schur, in: Biographisches Jahrbuch für Altertumskunde 47 (1927), S. 94–110.
5 Nur sehr wenige Druckfehler waren aufzufinden: S. XII „Anlehung“ („Anlehnung“); S. XXV „Hinzukommen“ („Hinzu kommen“); S. LXXXI „Hoffmann“ (richtig S. LXXXI, Anm. 308 und S. CCXII „Hoffman“); S. CIV „ihr … hält“ („ihr … haltet“); S. CXIII, Anm. 431 „Kirchbau“ („Kirchenbau“); S. CXXVII „Paradieses, zu essen“ („Paradieses zu essen“); S. CXXXII „verführt, und Christus“ („verführt und Christus“); S. CXL „offen, und sie können“ („offen und sie können“). S. CXXIV ist der Satz „Die Christen werden nicht auf die Aufgabe verzichten, den Anklagen der Hellenen entgegen zu treten und die Schändlichkeit der hellenischen Gottlosigkeit offenlegen“ so nicht korrekt und entweder die Zeichensetzung („treten, und … offenlegen“) oder die Verbform („treten und … offenzulegen“) anzupassen.

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