E. Tuisl: Die Medizinische Fakultät der Universität Wien im Mittelalter

Titel
Die Medizinische Fakultät der Universität Wien im Mittelalter. Von der Gründung der Universität 1365 bis zum Tod Kaiser Maximilians I. 1519


Autor(en)
Tuisl, Elisabeth
Reihe
Schriften des Archivs der Universität Wien 19
Erschienen
Göttingen 2014: V&R unipress
Anzahl Seiten
366 S.
Preis
€ 54,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jana Madlen Schütte, Zentrum für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, Georg-August-Universität Göttingen

Elisabeth Tuisl hat sich in ihrer Studie, die aus einer Diplomarbeit von 2008 hervorgegangen und in der Schriftenreihe des Archivs der Universität Wien erschienen ist, das Ziel gesetzt, einen „zusammenfassenden Überblick über die Entwicklung der Medizinischen Fakultät an der Wiener Universität“ (S. 15) von 1365 bis 1519 zu geben. Die Arbeit zerfällt in zwei annähernd gleich große Teile: einen weitgehend chronologischen Durchgang durch die Geschichte der Wiener Medizinischen Fakultät von ihren Anfängen bis zum Tod Kaiser Maximilians I. 1519 und eine prosopographische Zusammenstellung von 150 Wiener Medizinern in diesem Zeitraum.

Der erste Teil ist in sieben Kapitel untergliedert. In einer kurzen Einleitung stellt Tuisl die zentralen Quellen der Wiener Universität vor und gibt einen Überblick über die Forschungsgeschichte zur Medizinischen Fakultät. Dabei vernachlässigt sie allerdings aktuelle Arbeiten wie z. B. diejenigen von Wolfgang Eric Wagner und Felix Czeike.1 Nach einem Überblick über die Medizin von der griechischen Antike bis zum 14. Jahrhundert widmet sich Tuisl zunächst der Gründung der Wiener Universität, der Organisation und Ausstattung der Medizinischen Fakultät und der Ausbildung der Medizinstudenten. Anschließend beschreibt sie die Entwicklung der Fakultät und ihre wichtigsten Vertreter im 14. und 15. Jahrhundert. Dabei beschränkt sie sich weitgehend auf die Auflistung der Belege aus den Fakultätsakten der Mediziner. Auch der konfliktreichen Beziehung der Fakultät zu den sogenannten Empirikern und den Apothekern sind zwei Unterkapitel gewidmet, die in ihren Deutungsversuchen allerdings an einigen Stellen zu kurz greifen. So wird z. B. die späte Festsetzung einer Apothekerordnung pauschal auf die fehlende Zusammenarbeit von Stadtrat und Fakultät zurückgeführt ohne weitere Faktoren wie den Einfluss der Obrigkeit oder die Interessen der Apotheker in Erwägung zu ziehen. Die Darstellung schließt mit einem Kapitel zu den von Wiener Medizinern verfassten Schriften und einer Auswertung der Immatrikulationsfrequenz. Der Lesefluss dieses ersten Teils der Studie ist durch häufig unverbunden nebeneinander stehende Abschnitte und Tuisls stark aufzählende Schreibweise eingeschränkt. Außerdem bleiben die einzelnen Kapitel auf die Darstellungsebene begrenzt. Eine inhaltliche Straffung des Überblicksteils wäre daher angebracht gewesen. So hätte etwa auf den Überblick zur antiken Medizin verzichtet werden können, bei dem sich Tuisl vorwiegend auf Max Neuburgers zweibändige Geschichte der Medizin von 1906/11 stützt.2

Den zweiten Teil der Arbeit, die „Prosopographie der Angehörigen der Wiener Medizinischen Fakultät“ (ab S. 185), unterteilt Tuisl in diejenigen Mediziner, die vor 1399, das heißt vor dem Einsetzen der Überlieferung der Fakultätsakten, belegt sind und diejenigen, die zwischen 1399 und 1519 zur Medizinischen Fakultät gehörten. Für den ersten Zeitraum macht Tuisl 34 Mediziner aus und für den zweiten 133; 17 Mediziner werden doppelt aufgeführt, da sie zwar vor 1399 belegt sind, ihre medizinische Tätigkeit aber erst nach 1400 einsetzte. Die Einträge beginnen jeweils mit kurzen biographischen Angaben. Zudem enthalten sie Hinweise auf den Matrikeleintrag, Informationen über das Studium, bekleidete Ämter und den medizinischen Werdegang anhand der Erwähnungen in den Fakultätsakten der Artisten und Mediziner. Gelegentlich werden auch Hinweise auf weitere Quellen wie z. B. das Tagebuch des Arztes Johannes Tichtel (S. 269) und die nachweisbaren Universitätsaufenthalte und auch spätere Tätigkeiten an anderen Universitäten aufgeführt. Die Einträge schließen mit den entsprechenden Literaturhinweisen. Abgerundet wird dieser Teil der Arbeit durch ein Register der Mediziner, die an auswärtigen Universitäten studierten, eines derjenigen, die in Wien studierten sowie ein Register der Zu- und Ortsnamen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass Tuisls Anspruch, einen Überblick über die Geschichte der Medizinischen Fakultät in den ersten anderthalb Jahrhunderten ihres Bestehens zu geben, erfüllt wird. Die Arbeit kann besonders durch ihre Quellenzusammenstellungen zu einzelnen Themen wie den Schriften der Wiener Mediziner und die prosopographische Ausarbeitung als Nachschlagewerk für künftige Forschungen zur Universität Wien und zur vergleichenden Universitätsgeschichte dienen. Zu bemängeln ist allerdings, dass Tuisl ihre für die Wiener Medizinische Fakultät gesammelten Informationen keiner weitergehenden Interpretation unterzieht und auch keine Auseinandersetzung mit der aktuellen universitätsgeschichtlichen Forschung vornimmt. Wünschenswert wäre es zudem gewesen, den Blick gelegentlich von den Wiener Verhältnissen auf die europäische oder zumindest die deutschsprachige Universitätslandschaft zu weiten.

Anmerkungen:
1 Wolfgang Eric Wagner, Doctores – Practicantes – Empirici. Die Durchsetzung der Medizinischen Fakultäten gegenüber anderen Heilergruppen in Paris und Wien im späten Mittelalter, in: Rainer C. Schwinges (Hrsg.), Universität im öffentlichen Raum, Basel 2008, S. 15–43; Felix Czeike, Geschichte der Wiener Apotheken. Stadtgeschichte im Spiegel eines Berufsstandes, Bd. 1, hrsg. von Helga Czeike u.a., Innsbruck 2008.
2 Max Neuburger, Geschichte der Medizin, 2 Bde., Stuttgart 1906/1911.