Cover
Titel
Regulation between Legal Norms and Economic Reality. Intentions, Effects, and Adaption: The German and American Experiences


Herausgeber
Schulz, Günther; Schmoeckel, Mathias; Hausman, William
Reihe
Rechtsordnung und Wirtschaftsgeschichte 8
Erschienen
Tübingen 2014: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
328 S.
Preis
€ 69,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Henrich-Franke, Historisches Seminar, Universität Siegen

Regulierung und Deregulierung sind Begriffe, die nicht erst seit der neoliberalen Wende der 1980er-Jahre in der westlichen Welt in aller Munde sind. Nicht wenige Politiker haben in den 1990er-Jahren unter dem Deckmantel der Deregulierung eine Privatisierung weiterer Bereiche der staatlichen Wirtschaft forciert, die vor allem leere Staatskassen füllen sollte. Ob in den letzten Jahren das Pendel wieder zur anderen Seite schwenkt und wir in eine Phase zunehmender Regulierungsdichten eintreten, sei einmal dahingestellt. Dass Privatisierung nicht zwangsläufig mit Deregulierung einhergeht, sondern vielfach von einer massiven Re-Regulierung flankiert wird, ist in einer öffentlichen Debatte, die wenig um terminologische Schärfe bemüht war, weitgehend unbeachtet geblieben. Oft wird übersehen, dass Regulierung eigentlich ein Konzept ist, "um Wettbewerb auf Märkten zu kontrollieren und zu induzieren" (S. 2). Regulierung schafft staatlich garantierte Freiheiten des Wirtschaftens, gleichwohl besteht permanent die Gefahr einer freiheitsbegrenzenden Überregulierung. Freilich variieren die Vorstellungen über die ‚richtige‘ Form und Ausgestaltung von Regulierung zwischen unterschiedlichen Politikfeldern und/oder nationalen Kontexten recht stark.

Dieser terminologischen wie inhaltlichen Pluralität widmet sich der hier zu besprechende Sammelband, der aus einer Tagung am Deutschen Historischen Institut in Washington im April 2011 sowie einem BMBF-geförderten Forschungsprojekt zur Regulierungsgeschichte an den Universitäten Bonn und Göttingen hervorgegangen ist. Er fragt komparativ nach Konzepten, Interessen und Hindernissen der Diskussion über Regulierung in Deutschland und den USA seit dem 19. Jahrhundert. Im Fokus steht die Schnittstelle wirtschaftlicher und rechtlicher Perspektiven am Beispiel "natürlicher Monopole" mit besonderen Schwerpunkten in den Jahren 1870/80 und 1930/35. Den Ausgangspunkt bildet die Beobachtung, dass trotz einer Reihe von Anpassungsprozessen – etwa durch die Dekartellierung nach dem Zweiten Weltkrieg oder das bundesdeutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – sich nationale Traditionen bis heute erhalten haben.

Die insgesamt 19 Beiträge und Kommentare des Bandes gliedern sich – mehr implizit denn explizit – in sieben thematische ‚Sektionen‘, deren konstitutive Gemeinsamkeit der konsequente Vergleich zwischen Deutschland und den USA darstellt. Die beiden einleitenden ‚Sektionen‘ setzen sich in Grundlagenbeiträgen mit gesetzlichen Regulierungsphilosophien sowie Regulierungsautoritäten und deren konstitutionellen Grundlagen auseinander. Die restlichen ‚Sektionen‘ widmen sich den Infrastrukturen der Eisenbahn, der Telekommunikation und der Elektrizität. Sie decken eine breite Spanne an tiefgehenden Einzelstudien, intersektoralen Vergleichen und Ländervergleichen ab. Für jede ‚Sektion‘ ist ein Kommentar beigefügt.

Die Stärke des Sammelbands liegt in der Breite methodischer und fachdisziplinärer Perspektiven bei gleichzeitiger inhaltlicher Nähe und Dichte innerhalb der thematischen Felder (Telekommunikation, Eisenbahn und Elektrizität). Besonders interessant empfand der Rezensent den Mix aus rechtswissenschaftlichen und rechtshistorischen sowie wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschaftshistorischen Perspektiven. Im Band kommt deutlich heraus, dass es einfache Lösungen zur effizienten Regulierung von Märkten, vor allem im Falle natürlicher Monopole, nicht gibt. Zufälle, die soziale wie politische Legitimation von Regulierungsansätzen und nicht zuletzt die gesellschaftliche Akzeptanz des "market output" lassen nicht selten die Frage der Markteffizienz in den Hintergrund treten (S. 7). Darüber hinaus prägten die Genese von Regulierungskonzepten in den USA wie Deutschland seit dem 19. Jahrhundert vielfältige Transfer- und Interdependenzphänomene, die – bei allen Unterschieden – einen erstaunlichen Grad an Homogenität entstehen ließen.

Gleichwohl hatte der Rezensent den Eindruck, dass der Sammelband viel Potential ungenutzt lässt. So wirft die Einleitung eine Reihe von interessanten Fragen auf, die zwar in den einzelnen Beiträgen aufgegriffen, aber nicht zusammenfassend reflektiert werden. Von einer synthetisierenden Einleitung oder einem entsprechenden Fazit hätte der Band sicherlich profitiert. Ebenso hätten einige Kommentare, die entweder nur den zu kommentierenden Beitrag zusammenfassen oder sich eher auf die erweiterte Buchversion des zu kommentierenden Beitrags beziehen, weggelassen werden können. Es wäre auch zu überlegen gewesen, die enge Fokussierung auf die beiden Untersuchungsstaaten partiell aufzubrechen und die Perspektive um internationale Standardisierung und Regulierung zu erweitern, die gerade in den diskutierten Infrastrukturen der Eisenbahn, Telekommunikation und Elektrizität technische wie rechtliche Rahmenvorgaben definierten, an denen sich die nationalen Regulierungen orientieren mussten. Letztlich hätte auch eine Gliederung nach inhaltlichen Schwerpunkten dem Band – und sei es nur optisch – gut getan. Insgesamt kann der Rezensent den abwechslungsreichen Sammelband trotz dieser kritischen Anmerkungen zum Lesen empfehlen.

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