Cover
Titel
Das Presseamt der DDR. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit für die SED


Autor(en)
Bobsin, Katrin
Reihe
Medien in Geschichte und Gegenwart 29
Erschienen
Köln 2013: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
477 S.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Matysiak, Göttingen

Es war mit kaum 60 Beschäftigten nur eine kleine Behörde, jedoch eine entscheidende Stelle für die Kontrolle der ostdeutschen Zeitungen und Zeitschriften: das Presseamt der DDR. Während die SED-Presse aus der ZK-Abteilung für Agitation angeleitet wurde, diktierte das Presseamt von 1953 bis zum Ende des zweiten deutschen Staates der Blockpartei- und Kirchenpresse die Inhalte. Hier wurden die gedruckten Seiten penibel kontrolliert, Unbotmäßigkeiten bemängelt sowie über die Zuteilung von Druckpapier und damit über die Auflagenhöhen entschieden. In ihrem Werk „Das Presseamt der DDR. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit für die SED“ hat sich Katrin Bobsin dieser Behörde sehr umfassend gewidmet, wobei auf insgesamt 477 Seiten zentrale Aspekte des Amtes beleuchtet werden. Das Ziel der Darstellung reicht von der Schilderung der politischen Rahmenbedingungen über eine Beschreibung der strukturellen Entwicklung und der Aufgaben des Amtes bis hin zur Westarbeit des Hauses. Bobsin füllt mit ihrer Untersuchung eine Forschungslücke, da mit Ausnahme einiger kleinerer Aufsätze vor allem von Holzweißig1 eine Gesamtdarstellung dieser Behörde fehlte. Die Darstellung basiert vor allem auf der Überlieferung des Presseamtes und der SED, die im Bundesarchiv verwahrt werden. Bei der Monografie handelt es sich um eine Dissertation, die auf einer Magisterarbeit aufbaut2, was allerdings weder aus der Einleitung noch dem Literaturverzeichnis hervor geht.

Der erste Teil des Buches befasst sich näher mit dem politischen Rahmen, in den das Presseamt eingebettet war. Bobsin beschreibt das Politbüro und das Zentralkomitee der SED, die dem Amt seine Linie vorgaben. Sie befasst sich mit dem Ministerrat, bei dem das Presseamt angesiedelt war. Und sie skizziert das ostdeutsche Mediensystem. Bobsin handelt diese Aspekte jeweils sehr ausführlich ab, zumal wenn in Rechnung gestellt wird, dass sie nicht erläutert, welche Funktion diese (nicht zum ersten Mal beschriebenen) Strukturelemente für ihre Sicht auf das Presseamt haben. Das Unterkapitel „Mehrparteienstaat auf dem Papier“ steht beispielhaft für die Schwäche dieser Darstellung. Die Stellung des Presseamtes innerhalb des politischen Systems der DDR lässt sich nicht verstehen, wenn dieses System nicht als Parteiensystem verstanden wird (auch wenn dieses nicht pluralistisch war). Bobsin hätte deshalb erklären müssen, warum es noch eines besonderen, speziell für die Presse der Blockparteien zuständigen Presseamts bedurfte, wenn die SED doch sowieso zentral die Fäden zog. Warum aus rein formalen Gründen neben der Zensurebene der Staatspartei SED zusätzlich auch eine staatliche Stelle die Presse gängeln musste, legt Bobsin in diesem Unterkapitel aber gar nicht dar, sondern referiert lediglich den in diesem Zusammenhang ungenügenden Forschungsstand. Insgesamt sind die von der Autorin gebrachten Informationen zum politischen Rahmen des Presseamtes zwar grundsätzlich durchaus richtig und sinnvoll. Bei ihr wird jedoch nicht weiter deutlich, was genau den Sinn des Presseamtes ausmachte. So bietet ihr Werk in diesem ersten Teil zwar eine Vielzahl von Detailinformationen, bleibt jedoch insgesamt wenig ertragreich.

Im zweiten Teil ihres Buches beschreibt Bobsin die historische Entwicklung des Presseamtes von dessen Vorläufern bis zu seinem Ende. Die Autorin streift dabei einleitend erstmals auch kurz den Zensurapparat der sowjetischen Besatzungsbehörden, um sich dann (ebenso erstmalig) dem Vorgänger des Presseamtes, dem Amt für Information (AfI) zu widmen, das sich von einem Informationsmittler zwischen DDR-Regierung und Bevölkerung zu einem Treibriemen der Massenagitation wandelte. Als das AfI dann anschließend Anfang 1953 im Rahmen einer allgemeinen Verwaltungsreform durch das Presseamt ersetzt wurde, entstand dort eine Palette von Abteilungen, etwa die „Abteilung für Lektorat und Lizenzen“, die für die Kontrolle der Inhalte der Tagespresse der Blockparteien und die Zuteilung von Papierkontingenten eine zentrale Rolle spielte. Die Personalsituation dieser Abteilung beschreibt Bobsin detailliert bis hin zu Urlaubszeitregelungen. Allerdings: Auch wenn das Kapitel das Wort „Entwicklung“ in der Überschrift führt, macht Bobsin bei der Struktur des Presseamtes zwischen 1953 und 1989 keine Unterschiede aus. Das Amt scheint sich nicht entwickelt bzw. sich nicht an die politische Lage angepasst zu haben.

In den nächsten drei Kapiteln befasst sich Bobsin intensiv mit den Aufgaben des Presseamtes, nämlich der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit (Kapitel 4), der Pressekontrolle (Kapitel 5) und dem Umgang mit dem Westen (Kapitel 6). Unter dem Begriff Öffentlichkeitsarbeit fasst die Autorin im vierten Kapitel die Aufgabe des Amtes zusammen, die Bevölkerung im Sinne der Staatsführung mit Informationen und politischen Sichtweisen zu versorgen und zu lenken. Bobsin erläutert die Inhalte der Massenbeeinflussung sowie von welcher Stelle in der SED und wie sie beschlossen und umgesetzt wurden. Wie diese Anweisungen allerdings das Presseamt erreichten und von dort weitergeleitet wurden, findet sich nicht in diesem, sondern erst im nächsten Kapitel. (Kapitel 5.2.1.) Bobsins Werk ist insofern nicht frei von den für Dissertationen typischen Gliederungsschwächen.

Das fünfte Kapitel befasst sich mit den Wegen der Pressekontrolle, wie sie von der „Abteilung Lektorat und Lizenzen“ umgesetzt wurde. Dies betraf zum einen den Tätigkeitsbereich des „Arbeitsgebiets Lizenzen“, wo die materiellen Bedingungen der Pressearbeit festgelegt wurden. Bobsin zeichnet hier nach, wie das Amt der Presse inhaltliche Vorgaben machte. Allerdings liefert die Autorin auch hier eine Fülle von Detailaussagen, während man etwa über die groben Züge der Erteilung von Lizenzen für Tageszeitungen kaum etwas erfährt. Auch mit den Wegen der Papierzuteilung und der Auflagensteuerung, die zum Kernbereich der Arbeit des Presseamtes gehörten, befasst sich Bobsin eher am Rande.

Mit seinem „Arbeitsgebiet Lektorat“ war die „Abteilung Lektorat und Lizenzen“ auch für die Kontrolle der Presse zuständig. Hier wurde untersucht, inwiefern die Blockparteipresse die inhaltlichen Vorgaben des Presseamtes umsetzten. Das Presseamt, das keine Vorzensur betreiben konnte, hatte sich mit diesem Behördenbereich die Macht zur Nachzensur gegeben. Die Mitarbeiter analysierten die Inhalte der Zeitungen. Sie zählten, inwiefern die andernorts gegebenen Anweisungen von den Redaktionen der Blockparteiorgane umgesetzt worden waren. Quantitativ und qualitativ wurde etwa erhoben, ob die Redaktionen bestimmte Jahrestage ausreichend gewürdigt hatten. Bobsin berichtet von Disziplinarstrafen, die bis hin zur Kündigung reichen konnten, hätte aber tiefer auf den Sachverhalt eingehen können. Die Autorin stellt auch fest, dass sich bestimmte Kritikpunkte des Lektorats „regelmäßig“ (S. 309) wiederholten. Warum es den Redaktionen offenbar an ausreichender Folgsamkeit mangelte, diskutiert die Autorin allerdings nicht. Vielleicht musste es bei der Umsetzung der Anweisungen mangeln, da diese Anleitungen in ihrer Unkonkretheit gar nicht umsetzbar waren? Die Flucht der Blockparteipresse in die potenziell ungefährlichere Kulturberichterstattung wäre dann ein Ergebnis der Arbeit des Presseamtes.

Das nächste große Kapitel wird durch eine inhaltliche Klammer zusammengehalten, die sich irgendwie um den Begriff „Westen“ dreht. Dieser sechste Teil will sich eigentlich der „Außenwahrnehmung – Der Blick der DDR in den Westen“ widmen, aber Bobsin blickt hier nicht nur in den Westen, sondern dokumentiert auch, wie das Presseamt die Einfuhr westlicher Presseerzeugnisse in den Osten reglementierte. Der in den 1960er-Jahren nicht nur in der DDR, sondern in beiden deutschen Staaten kontrovers debattierte Zeitungsaustausch3, der den Versand von Zeitungen in beide Richtungen ermöglichen sollte, fehlt als Hintergrundschablone in Bobsins Darstellung allerdings völlig.

In diesem Kapitel behandelt die Autorin auch die Akkreditierung und Observierung westdeutscher Journalisten, die sich in der DDR aufhielten (Unterkapitel 6.3). Den in der Kapitelüberschrift versprochenen Blick des Presseamtes in den Westen liefern lediglich das Unterkapitel 6.2, das beschreibt, wie das Amt westdeutsche Zeitungen auswertete, um auf Anwürfe aus dem Westen möglichst zeitnah reagieren zu können, und das Unterkapitel 6.4, das nachzeichnet, wie in Westdeutschland bei Journalisten Informationen gesammelt wurden.

Insgesamt legt Bobsin ein Werk über das DDR-Presseamt vor, das durch sehr große Detailgenauigkeit besticht. Diese Details hätten jedoch deutlich besser erläutert und in einen Zusammenhang eingeordnet werden können. Auch hätten diese Details besser strukturiert und auch besser zu einer stringenten Gesamtsicht des Themas verknüpft werden können. In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert gewesen, ein Organigramm zu erstellen, das ebenfalls dem Überblick hätte dienen können.

Anmerkungen:
1 Gunter Holzweißig, Das Presseamt des DDR-Ministerrats, in: Deutschland-Archiv. Zeitschrift für das vereinigte Deutschland. Bielefeld 1992, 25 Jg., Heft 5, S. 503–512.
2 Katrin Bobsin, Das Presseamt beim Ministerrat der DDR. Strukturen, Arbeitsweisen und Funktionen im Mediensystem. Magisterarbeit am Institut für Publizistik der Universität Mainz, Mainz 2008.
3 Michael Meyen, „Geistige Grenzgänger“. Medien und die deutsche Teilung. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte. Stuttgart 1999, 1. Jg., Heft 1, S. 192–231.

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