R.S. Kraemer: Unreliable Witnesses

Titel
Unreliable Witnesses. Religion, Gender, and History in the Greco-Roman Mediterranean


Autor(en)
Shepard Kraemer, Ross
Erschienen
Anzahl Seiten
XV, 322 S.
Preis
£52.00 / € 65,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jasmin Schäfer, Historisches Seminar, Arbeitsbereich Alte Geschichte, Universität Hamburg

Ross Shepard Kraemer hat es sich in ihrer im Jahre 2011 bei der Oxford University Press erschienenen Monographie „Unreliable Witnesses: Religion, Gender, and History in the Greco-Roman Mediterranean“ zum Ziel gesetzt, „the relationships between religion and ancient constructions of gender, and more specifically, between such constructions and women’s religious practices, that is, women’s devotion to or engagement with imagined divined beings“ (S. 243) zu erörtern. In Anlehnung an den französischen Soziologen Pierre Bourdieu versteht sie Geschlechterrollen als soziale und kulturelle Konstruktionen, die in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen: Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit können demnach nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Kraemer geht der Frage nach, wie das antike Geschlechterrollenverständnis, insbesondere des weiblichen Teils der Gesellschaft, sich in der religiösen Praxis widerspiegelt. Die Autorin legt ihren Schwerpunkt zunächst auf die Wiedergabe und Erklärung der weiblichen religiösen Praxis im Christen- und Judentum, obgleich sie sich darüber im Klaren ist, dass die Frauenbilder in den literarischen und epigraphischen Quellen, die sie für ihre Untersuchung heranzieht, zu einem Großteil fiktiv entworfene Gestalten sind, um einen Gegenpol zu Konstruktionen von Männlichkeit – damit einhergehend Macht und Autorität – zu schaffen. Sie folgt in ihrer Argumentation dem Gedanken, dass die religiöse Praxis in der antiken Mittelmeerwelt als Spiegel für die geschlechtsspezifische Konstituierung von Gender benutzt werden kann, das heißt, dass durch ihre Betrachtung und Analyse Rückschlüsse auf die Konstruktionen von Weiblichkeit und Männlichkeit gezogen werden können. Ihren Blick richtet Kraemer bei ihren Ausführungen immer wieder auch auf die moderne Welt, in der Religion ebenfalls zu denjenigen Sozialpraktiken zählt, in der Geschlechterrollen definiert oder geformt werden.

Nach einer ausführlichen Einleitung, in der Kraemer zunächst ihre Motive für das Verfassen dieses Werkes darlegt und dann die wichtigsten Begriffe (Women, Gender und Religion) kurz definiert, folgen zur Demonstration ihrer methodischen wie theoretischen Vorgehensweise im zweiten Kapitel „Four Short Stories“: Es beginnt mit Ausschnitten aus den Annalen des Livius über die Rolle der Frau bei der Einführung der römischen Bacchanalien im Rom des 2. vorchristlichen Jahrhunderts. Kraemer fährt fort mit einer Passage aus dem so genannten Thomasevangelium, in der sie das Beispiel einer wiederauferstandenen christlichen Frau aufgreift, die mit nur geringem Erfolg heterosexuellen Geschlechtsverkehr zu vermeiden versucht. Es folgt ein Auszug aus der rabbinisch-jüdischen Mischna, in der über die Angemessenheit debattiert wird, Frauen im Studium der Tora zu unterrichten. Das Kapitel schließt sie mit den Berichten Justins (auch bekannt als Märtyrer), in der die Geschichte einer römischen Matrone erzählt wird, deren Mann ihr die Hinwendung zu einem asketischen Leben verbietet. Mithilfe dieser Quellenauszüge gelingt es Kraemer ihre Grundthese aufzustellen: „These four instances, then, exemplify the issues raised by diverse accounts of women’s religious practices in the Greco-Roman Mediterranean, in which it becomes increasingly difficult to extract reliable historical evidence from the entanglements of gendered concerns that underlie all these narratives.“ (S. 54)

Die nachfolgenden Kapitel dienen in ihrer Ausführlichkeit der Untermauerung eben dieser These. Kraemer untersucht die Therapeutrides in der Vita Contemplativa, die gemeinhin dem Philo von Alexandrien zugeschrieben wird, die Figur der Thekla von Iconium in der Apostelgeschichte „Die Akten des Paulus und der Thekla“, die Artemisia von Menorca in dem Brief über die Bekehrung der Juden aus der Feder des Severus von Menorca sowie zwei aus Grabinschriften bekannte Frauengestalten: Veturia von Rom und Rufina von Smyrna. Im siebten Kapitel fasst Kraemer die wichtigsten Erkenntnisse der vorangegangen Untersuchung noch einmal zusammen, reflektiert und redigiert. Sie blickt noch einmal in Vergangenheit und Zukunft der Forschung und schließt mit einem Plädoyer für eine weiterführende und vertiefende Auseinandersetzung mit der Gender-Problematik an die nachfolgenden Generationen. Die der Monographie angehängten „Works Cited“ sowie ein „Index of Ancient Sources“ und ein „General Index“ für den Schnellzugriff runden das empfehlenswerte Werk von Ross Shepard Kraemer in praktischer Weise ab.

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