W. Greiling: Sündenregister der Franzosen in Teutschland

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Titel
Das „Sündenregister der Franzosen in Teutschland“. Antifranzösische Propaganda im Zeitalter der Befreiungskriege


Autor(en)
Greiling, Werner
Reihe
Transfer – Deutsch-Französische Kulturbibliothek 29
Erschienen
Anzahl Seiten
231 S.
Preis
€ 40,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lisa Klewitz, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Dank des nahenden 200-jährigen Jubiläums der Völkerschlacht bei Leipzig, das im Oktober dieses Jahres am Ort der Schlacht mit einem Reenactment begangen werden soll, legt die historische Forschung erfreulicherweise endlich wieder einen Fokus auf die Befreiungskriege. Neben Ausstellungskatalogen, Gesamtdarstellungen und Abhandlungen zur Völkerschlacht erweitert Werner Greiling mit seiner Edition des „Sündenregisters der Franzosen in Teutschland“ und dem vorangestellten Beitrag zur antifranzösischen Propaganda im Zeitalter der Befreiungskriege den Blick um wichtige Aspekte, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

Das „Sündenregister der Franzosen in Teutschland“ erschien auf dem Wendepunkt der Napoleonischen Herrschaft in Europa und ist somit in den politischen und militärischen Kontext nach der Völkerschlacht bei Leipzig einzuordnen. Es schildert ereignisgeschichtlich einen Zeitraum von sieben Jahren zwischen der Schlacht bei Jena und Auerstedt im Oktober 1806 bis in die Tage nach der Völkerschlacht bei Leipzig Ende Oktober 1813. Der Autor, auf dessen Identität unten näher eingegangen wird, verfolgte mit seinem Pamphlet das Anliegen, die Verbrechen und Missetaten öffentlich zu machen, die Napoleon und die Franzosen in Deutschland begangen hätten. Dabei spricht er seinen Mitmenschen für die Zukunft eine deutliche Warnung aus: Traue nie den Franzosen!

Das „Sündenregister“ ist systematisch aufgebaut: Nach einer Vorrede werden in acht Kapiteln die Vergehen Napoleons in Deutschland aufgezeigt, werden zahlreiche „Sünden“ der Franzosen, also Vorkommnisse und Fakten zusammengetragen, die sich negativ auf Deutschland ausgewirkt hätten. Aufgeführt werden die Unterdrückung des deutschen Geistes, die Vernichtung der Wirtschaft, die Herabwürdigung der deutschen Fürsten, des Adels, des Militärs und des deutschen Volkes, die Plünderungen in den deutschen Ländern und in einem eigenen Kapitel werden die „Plünderungen, Verheerungen und Erpressungen, welche die Franzosen im Königreich Sachsen verübt haben“ nachgezeichnet. Hierbei zeichnet der Verfasser ein durchweg negatives Bild Napoleons und der Franzosen und stellt diesem die Deutschen als Opfer entgegen. Allerdings sieht der Autor nicht alle Deutschen, und vor allem nicht alle deutschen Fürsten als Opfer. Er kritisiert unter anderem den König von Sachsen und all jene scharf, die sich bei den Franzosen einschmeichelten.

Die Quellenedition wird wie bereits erwähnt von einer Darstellung der antifranzösischen Propaganda der Zeit begleitet, um die Quelle in den Kontext einzuordnen. Ein eigenes Kapitel im Darstellungsteil widmet Werner Greiling dem mutmaßlichen Verfasser des Sündenregisters, dem die Forschung bisher wenig Beachtung geschenkt hat: Johann Michael Armbruster (1761–1814). Der Schriftsteller, Publizist und österreichische Staatsdiener wurde als Sohn eines Gastwirts im schwäbischen Sulz am Neckar geboren. 1782 ging er nach Zürich, das in diesen Jahren das Zentrum des Schweizer Geisteslebens bildete. Hier arbeitete er zunächst als Sekretär Johann Caspar Lavaters, musste sich aber seit 1784 als freier Schriftsteller und Journalist durchschlagen. 1786 wurde er aus der Schweiz ausgewiesen und kam nach Österreich. Der entschiedene Gegner der Revolution trat 1800 als Polizeikommissar in den österreichischen Staatsdienst ein und machte in den folgenden Jahren innerhalb der politischen Polizei Karriere. Außerdem nennt Werner Greiling neue Indizien, die dafür sprechen, dass Friedrich Arnold Brockhaus der Verleger des Pamphlets war.

Werner Greiling ordnet die edierte Quelle nicht nur in den direkten Zusammenhang ein. So stellt er den Vorläufer, das 1797 erschienene „SündenRegister der Franzosen während ihres Aufenthalts in Schwaben und Vorder-Oestreich“, die Referenzschrift „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ und das Konkurrenzpamphlet „Neue Bewaffnung neues Frankreich neues Deutschland“ ausführlich vor. Er ordnet das „Sündenregister der Franzosen in Teutschland“ auch in einen größeren Gesamtzusammenhang des deutsch-französischen Propagandakrieges ein.

Zu diesem Zweck beschreibt Werner Greiling zum einen den Wandel des deutschen Napoleonbildes in den zwei Jahrzehnten der napoleonischen Herrschaft. Seit 1796 beschäftigte man sich im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation mehrheitlich positiv mit Napoleon. Infolge des Brumaire-Staatsstreiches schieden sich zwar die Geister zwischen Verehrung und Kritik, die Ausmaße einer hasserfüllten Feindschaft annehmen konnte, doch häuften sich Informationen und Berichte über Napoleon und fanden in der Propaganda und Berichterstattung zur Kaiserkrönung 1804 einen ersten Höhepunkt. Zu Beginn der Rheinbundzeit dominierte wieder eine positive Sicht. Auch die Rheinbundpublizistik verbreitete ein positives Napoleonbild. Seit den ersten Niederlagen Napoleons 1809 in Tirol und in Spanien schlichen sich erste antifranzösische Töne in die Berichterstattung. Aber erst nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 kam es zu einem Wendepunkt. Napoleon konnte die Erwartungen der Deutschen, Frieden in Europa zu schaffen und das Reich zu erneuern, nicht erfüllen. In der öffentlichen Meinung in Deutschland dominierte nun ein eindeutig negatives Napoleonbild. Dieses zeigt Werner Greiling an mehreren Beispielen. Genannt sei an dieser Stelle nur das Periodikum „Deutsche Blätter“, das in den Jahren 1813 bis 1816 ebenfalls von Friedrich Arnold Brockhaus in Altenburg und Leipzig verlegt wurde.

Schließlich stellt Werner Greiling das „Sündenregister der Franzosen in Teutschland“ in den Zusammenhang des Propagandakrieges, der mit Ausbruch der Französischen Revolution an entscheidender Bedeutung gewann. Nie zuvor hatte die publizistische Auseinandersetzung ein solches Ausmaß erreicht und sie intensivierte sich in den Folgejahren noch. Ein regelrechter Kampf um die öffentliche Meinung entbrannte und eine publizistische Kriegsführung wurde entwickelt. Vor allem für die Zeit der Befreiungskriege muss die große Bedeutung der politischen Publizistik hervorgehoben werden. Umso wichtiger sind Editionen wie die des „Sündenregisters“.

Die Quellenedition wird begleitet von einem recht knappen und, um den Lesefluss nicht zu stören, angehängten Kommentar, der sich auf „elementare Erläuterungen und grundsätzliche Korrekturen“ (S. 191) beschränkt. Eine Zeittafel, in der die Biographie Napoleons und die Ereignisse der Koalitions- und Befreiungskriege zusammengefasst werden, ein Orts- sowie ein Personen- und Werkregister komplettieren den Band sinnvoll. Leider ist die Qualität der wenigen Abbildungen nicht gut.

Mit der Edition des „Sündenregister der Franzosen in Teutschland“ macht Werner Greiling ein Beispiel der Extremposition der antifranzösischen Propaganda der Öffentlichkeit zugänglich, das verdeutlicht, dass es zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland durchaus eine national bestimmte Feindschaft gegen Napoleon und auch gegen die Franzosen gab, und ordnet dieses Beispiel für ein besseres Verständnis in seinen Entstehungshintergrund ein, den deutsch-französischen Propagandakrieg, der die Befreiungskriege begleitete.

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