Cover
Titel
Medien – Diskurs – Weltpolitik. Wie Massenmedien die internationale Politik beeinflussen


Autor(en)
Brand, Alexander
Reihe
Edition Politik 5
Anzahl Seiten
530 S.
Preis
€ 39,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Maja Bächler, Institut für Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Wie der Untertitel der vorliegenden Untersuchung „Medien – Diskurs – Weltpolitik" bereits andeutet, widmet sich Alexander Brand dem Einfluss von Massenmedien auf internationale Politik bzw. Beziehungen. Dabei geht es zunächst um eine Bestandsaufnahme bereits existierender Beschreibungsmöglichkeiten des Verhältnisses von Massenmedien und den internationalen Beziehungen. In einem zweiten Schritt hinterfragt er diese kritisch und kommt zu dem Ergebnis, dass die bisherige Forschung keine geeigneten Analysemodelle zur Darstellung des Einflusses von Massenmedien auf dieses Feld anbietet. Diese Lücke versucht Brand mit dem Begriff der „Medienwirkung" zu schließen. Medienwirkung auf internationale Politik findet nach Brand dann statt, wenn sich aufgrund medialer Agitation „gesellschaftliche Wahrnehmungsmuster von Realität verändern" (S. 16).

Seine Untersuchung bezeichnet Brand selbst als ein „theoretisch-konzeptionell" fundiertes Angebot, wie die Veränderungsprozesse aufgezeigt und beschreibbar gemacht werden können. Zur Entwicklung seines Entwurfs schlägt Brand einen diskursiven Konstruktivismus vor, nicht ohne zuvor die in der Forschung zu den internationalen Beziehungen gängigen (sozial-)konstruktivistischen Konzepte verworfen zu haben. Dabei werden die durch Michel Foucault geprägten Begriffe ‚Macht' sowie ‚Diskurs' herangezogen. Einerseits, um auf den diffundierenden Aspekt von Medienbeeinflussung zu verweisen. Andererseits kann Medienwirkung aus einer Perspektive „diskursiver Macht" (S. 259, Hervorhebung im Original) dahingehend interpretiert werden, dass Bedeutungen innerhalb sozialer Kontexte produzierbar und temporär auch stabilisierbar sind. Allerdings schlägt Brand keine Diskursanalyse im klassischen Sinne vor, sondern entwickelt ein Modell zur Beschreibung „massenmedialer Konstruktionsdynamiken" über einzelne Gesellschaften hinaus (Abbildung 5, S. 272).

Im letzten Kapitel seiner Untersuchung unterzieht Brand den von ihm entwickelten Entwurf einer ersten Überprüfung, indem er sein theoretisches Konzept auf Fallbeispiele anwendet. Am Beispiel des Irakkriegs von 2003 wird der Zusammenhang zwischen Krieg und Medien aufgezeigt, am Beispiel der Berichterstattung über den 11. September 2001 das Verhältnis von Terrorismus und Medien verdeutlicht. Die beiden anderen Beispiele beziehen sich auf das Phänomen der – so der Autor – „vermeintliche[n] ‚Amerikanisierung'" (S. 440) sowie auf den Karrikaturenstreit (Dissens/Konsens). Bei der Auseinandersetzung mit den konkreten Beispielen stützt Brand sich bewusst auf Sekundärliteratur und unternimmt keine auf Primärquellen gestützte Analyse. Die grenzübergreifenden Wirkmechanismen von Diskursen bzw. diskursiven Realitätskonstrukten anhand eines konkreten Beispiels nachzuvollziehen und zu veranschaulichen, hätte hier die Funktionen des angedachten diskursiv-konstruktivistischen Modells wohl besser illustriert, als die verschiedenen Beispiele kursorisch abzuhandeln.

Eine Stärke von Alexander Brands Untersuchung liegt in seiner Expertise und Präzision im Hinblick auf bereits etablierte Modelle zur Erfassung von Massenmedien sowie von Konstruktivismen in den internationalen Beziehungen. Mit großer Textkenntnis und Genauigkeit geht er auf die verschiedenen Modelle, Konstrukte, Entwürfe und Vorschläge ein, grenzt sich ab, um hier und da Theorieteile zu übernehmen, weiterzuentwickeln und zur Anwendung tauglich zu machen. Dabei verliert er zwar nie seine Fragestellung aus den Augen – möglicherweise hätte jedoch mit kürzeren Verweisen auf bereits existierende Modelle und deren von Brand herausgestellten Unzulänglichkeiten ein Mehrgewinn an Aufmerksamkeit für die Entwicklung des eigenen Modells erzielt werden können. Ebenso wie in den empirischen Kapiteln fehlt hier phasenweise die Konzentration auf das Wesentliche.

Letztlich erkennt Brand in der Zusammenfassung, dass seine Fragestellung nach dem „Wie" der Beeinflussung sich dahingehend verschoben hat, dass vor allem nach dem „Ob“ gefragt wurde. – Also der Möglichkeit, Wirkmechanismen zwischen Massenmedien und Politik in einer internationalen Dimension überhaupt erfassen und beschreiben zu können (S. 435). Hier plädiert der Autor für eine möglichst offene Herangehensweise, um die komplexen Verhältnisse nicht unsachgemäß zu vereinfachen. Dementsprechend bleibt unklar, welche Notwendigkeit überhaupt besteht, komplexitätsreduzierende Modelle zu entwickeln, wie Brand dies für die einzelnen, oben angeführten Beispiele jeweils tut. Der Mehrgewinn durch die scheinbare Veranschaulichung ist nicht erkennbar – zumal auf die Abbildungen weder im Text eingegangen wird, noch ausführliche Erläuterungen zum Verständnis derselben geliefert werden. Ob Medienwirkungen in den internationalen Beziehungen analytisch nachvollziehbar sind, hängt jedenfalls nicht von ihrer modellhaften Darstellbarkeit ab.

Die Feststellung Brands, dass der Zusammenhang von Massenmedien und internationaler Politik aufgrund der verschiedenen und nicht immer eindeutig definierbaren Akteure schwer zu fassen ist und dass die bisherige Forschung kein geeignetes methodisch-theoretisches Konzept zur Analyse dieses Problems anbietet, bleibt auch nach der Lektüre von „Medien – Diskurs – Weltpolitik" bedeutsam. Zwar zeichnet sich ab, dass Medien in den einzelnen Ländern zunehmend internationale Themenkomplexe aufgreifen und damit Einfluss sowohl auf die Außen- als auch auf die Innenpolitik ihrer Ländern nehmen können, was in der Folge wiederum eine Einflussnahme auf die internationale Politik bedeutet. Wie die Komplexität der Wirkmacht von Medien fass- und analysierbar gemacht werden kann, ohne dabei auf nationalstaatliche Diskursebenen zurückzufallen bzw. ohne die Dynamiken des Prozesses der Medienwirkung wesentlich zu reduzieren, bleibt aber weiterhin offen.

Brands Vorschlag, sich bei der Analyse dieser Phänomene von Foucaults diskursanalytischer Herangehensweise inspirieren zu lassen sowie Massenmedien als „Realitätskonstrukteure" (S. 265) zu begreifen, könnte sich für stärker empirisch orientierte Studien als hilfreich erweisen, um „diskursive Konstruktionsprozesse" grenzüberschreitender Dynamiken (S. 277) zu erkennen und entsprechende Analysen methodisch-theoretisch zu unterfüttern.

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