Ch. Armoni: Studien zur Verwaltung des ptolemäischen Ägypten

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Titel
Studien zur Verwaltung des ptolemäischen Ägypten. Das Amt des Basilikos Grammateus


Autor(en)
Armoni, Charikleia
Reihe
Papyrologica Coloniensia 36
Erschienen
Paderborn 2012: Ferdinand Schöningh
Anzahl Seiten
XXVI, 304 S.
Preis
€ 59,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sandra Scheuble-Reiter, Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz

Trotz der reichen papyrologischen Dokumentation, die das griechisch-römische Ägypten bietet, und trotz des großen Interesses, auf das die ptolemäische Administration seit Beginn der Papyrusforschung gestoßen ist, liegt nach wie vor keine umfassende Untersuchung über die Verwaltung des ptolemäischen Ägypten vor.1 Dies mag zum einen daran liegen, dass mit den Arbeiten Ulrich Wilckens bereits sehr früh grundlegende Werke vorlagen, die bis heute ein unerlässliches Werkzeug zum Verständnis der lagidischen Verwaltung geblieben sind (S. 2).2 Zum anderen dürften jedoch die inzwischen nicht mehr leicht zu überschauende Quellenmenge von mehr als 6.500 (griechischen) Papyri und Ostraka ptolemäischer Zeit, die mit diesen Quellen verbundenen Probleme sowie der Umstand, dass eine Fülle von Einzelbemerkungen in den Zeilenkommentaren der Texteditionen und kürzeren Beiträge publiziert wurde, das Ihre dazu beigetragen haben.

Dieses Desiderat vermag Charikleia Armoni, eine ausgezeichnete Kennerin des griechisch-römischen Ägypten, mit ihrer Arbeit zum Basilikos Grammateus, einem der wichtigsten Funktionäre der ptolemäischen Gauverwaltung, zu einem großen Teil zu schließen.3 Seit einer ersten monographischen Abhandlung über den Königlichen Schreiber im griechisch-römischen Ägypten aus dem Jahr 19134 hat sich nur noch Oates in seiner 1995 publizierten Studie diesem Funktionär zugewandt. Er beschränkte sich auf die hellenistische Zeit und richtete sein Augenmerk vor allem auf die Sammlung aller einschlägigen Zeugnisse.5 Abgesehen von einem Aufsatz, in dem Thomas Kruse Oates’ Ergebnisse kritisch bespricht und erweitert, liegen keine Abhandlungen zum Basilikos Grammateus ptolemäischer Zeit vor.

Anders als der Titel jedoch vermuten lässt, beschränkt sich Armoni nicht auf das Amt des Basilikos Grammateus, da ihrer Meinung nach „die Untersuchung der Kompetenzen dieses Beamten einen geeigneten Anlass“ bietet, „die gesamte Struktur der Gauverwaltung – vor allem die der Finanzverwaltung – diachron zu erforschen“ (S. 2f.). Wie gewinnbringend eine solche Gesamtdarstellung sein kann, zeigt die vor zehn Jahren erschienene, zweibändige Studie von Kruse zum römischen Basilikos Grammateus.6 Armonis Zielsetzung ist dreigeteilt: Zum einen geht es ihr um „die Bestimmung der Stellung, die der basilikòs grammateús im administrativen Gebilde einnahm, unter Abgrenzung seines Funktionsbereichs von demjenigen anderer Gauämter, deren Aufgabengebiet es auch zu definieren gilt“ (S. 3). Vor diesem Hintergrund möchte sie des Weiteren prüfen, ob der Quellenbefund die bislang in der Forschung postulierten strukturellen Probleme der ptolemäischen Verwaltung rechtfertigt. Und schließlich möchte sie der Frage nachgehen, inwieweit die „amtlichen Handlungen als Ausdruck eines planvollen Durchgriffs auf die Ressourcen des Landes gedeutet werden können“ (S. 8).

Das Buch gliedert sich in sechs thematische Abschnitte: einen knappen Überblick über den Forschungsstand (S. 1–8), die äußeren Rahmenbedingungen des Amtes des Basilikos Grammateus, also Probleme wie Amtsbezirk oder Bestallung und Besoldung (S. 9–32), die Kontrolle der staatlichen Auszahlungen (S. 33–105), die Vergabe königlichen Eigentums (S. 106–171), die Kontrolle des Besitzes und die Erhebung der Steuern (S. 172–228) sowie die Rechtspflege (S. 229–242). Der Schlussbetrachtung (S. 243–248) schließen sich eine nach Gauen geordnete Liste der Königlichen Schreiber mit Namen, Belegen, Daten und Prosopographia-Ptolemaica-Nummer (S. 249–266) sowie eine Liste ihrer Untergebenen (S. 267–282) an. Quellen-, Sach- und Personenindizes (S. 283–304) beschließen den Band. Das Literaturverzeichnis geht der Darstellung auf den S. XIII–XXIV voran.

Armoni kann nachweisen, dass der Basilikos Grammateus als Leiter einer separaten Finanzbehörde bereits sehr früh, spätestens unter Ptolemaios II., etabliert war. Für die von Oates geäußerte These, dass sich das Amt des Königlichen Schreibers aus den auf diversen Ebenen tätigen ägyptischen basilikoì grammateîs vorptolemäischer Zeit heraus entwickelt hat, liegen bislang keine Quellen vor. Üblicherweise war dieser Funktionär für einen Gau zuständig.7 Die Amtsinhaber trugen meist ägyptische Namen und brachten bisweilen bereits Erfahrungen aus anderen Positionen der Verwaltung mit. Ab dem 2. Jahrhundert v.Chr. scheint die Ausübung dieser Funktion an die Verpflichtung geknüpft gewesen zu sein, Land minderer Qualität zu bewirtschaften. Der Königliche Schreiber erhielt aber ein monatliches opsónion, das nicht nur aus seinem persönlichen Gehalt bestand, sondern auch weitere Ausgaben für sein Büro wie etwa Materialkosten abdeckte.

Den allgemeinen Ablauf bei jeder Art von Auszahlung staatlicher Mittel wie beispielsweise Zuwendungen an Militär- oder Tempelpersonal spiegelt das von Armoni detailliert rekonstruierte Verfahren zur Auszahlung von Steuergetreide aus den Thesauroi und zu seiner Verfrachtung nach Alexandria wider. Dabei waren an jeder Transaktion immer mindestens zwei Abteilungen beteiligt und in allen königlichen Kassen und Steuerbüros Mitarbeiter des Königlichen Schreibers installiert. Daraus ist ersichtlich, dass der ptolemäische Staat vor allem an einer effizienten Überwachung aller finanziellen Transaktionen interessiert war. Während die anderen Behörden die Abläufe ins Rollen brachten und für die Durchführung der Geschäfte zuständig waren, übte das Büro des Königlichen Schreibers vor allem eine Kontrollfunktion aus und sorgte dafür, dass alles ordnungsgemäß ablief. Bei der Auszahlung aus königlichen Getreidespeichern und Banken wurden so die Auszahlungsverfügungen, die bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts v.Chr. vom Oikonomos, danach vom epì tôn prosódon ausgestellt wurden, dem Basilikos Grammateus zur Prüfung vorgelegt, damit dieser den Gausitologos in einer Subskription zur Vergabe mitanweisen konnte.8 Gleichzeitig ließ er durch ein separates Schreiben seine Antigrapheis in den Königlichen Kassen anweisen, die Auszahlungen zu überwachen. Gegen Ende der Ptolemäerzeit war seine Funktion sogar auf die Anweisung seiner Antigrapheis begrenzt.

Ähnlich verhielt es sich bei der Versteigerung königlichen Eigentums, also der Steuer- und Monopolpachten und des konfiszierten Privateigentums (vor allem Immobilien und Priestertümer). Vor dem eigentlichen Auktionsverfahren ermittelten der Königliche Schreiber sowie niedrigere Funktionäre wie Topo- oder Komogrammateis den Wert der Gegenstände, die zum Verkauf standen. Im Rahmen der mehrtägigen Auktionsverfahren beschränkte sich die Funktion des Königlichen Schreibers darauf, zu überprüfen, ob alle Angebote vor der Erteilung des Zuschlages berücksichtig wurden, und nach der Auktion die Zahlung der erzielten Summe mitanzuweisen. Armoni nimmt aufgrund von UPZ I 112, col. VIII an, dass der Basilikos Grammateus sehr wahrscheinlich auch Pacht- und Kaufhypomnemata empfing, denn er musste nachvollziehen können, ob derjenige, der den Zuschlag erhielt, tatsächlich das beste Angebot gemacht hatte. Im Fall von Unregelmäßigkeiten konnte er das Verfahren sogar stoppen und eine erneute Versteigerung erwirken.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Büros des Königlichen Schreibers war jedoch, die Register, die den kultivierbaren Boden des Gaues erfassten und Informationen über die Besitzer, den Umfang und die Besteuerung der Parzellen enthielten, evident zu halten. An den dazu notwendigen, mehrmals jährlich stattfindenden Inspektionen waren auch Mitarbeiter seines Büros beteiligt. Bei Land minderer Qualität, das vor allem durch Auktion verpachtet wurde, ermittelte der Basilikos Grammateus wie bei der Versteigerung königlichen Eigentums den Wert der Parzellen und teilte ihn dem Leiter des Auktionsverfahrens mit. Das Büro des Königlichen Schreibers scheint auch detaillierte Akten über Kleruchenland geführt zu haben, das das Königshaus an seine Soldaten ausgab. Im 2. Jahrhundert v.Chr. ging sogar die Anweisung des Dioiketen, die Kleroi an die Soldaten auszugeben, an den Königlichen Schreiber und den pròs tê syntáxei, einen militärischen Funktionär.9 Ersterer ordnete daraufhin dem Dorfschreiber an, mit dem Kleruchen die Parzelle zu besichtigen und ihm eine Urkunde mit ausführlichen Informationen zum Grundstück auszuhändigen. Ein Exemplar dieser Urkunde ging auch an das Büro des Basilikos Grammateus, damit dieser seine Akten auf Stand halten konnte. Vereinzelt tritt er schließlich als Adressat in Deklarationen von Steuerobjekten in Erscheinung, etwa in Apomoira-Deklarationen sowie in Deklarationen von Pferden.

Im Bereich der Monopol- und Steuerpacht scheint der Königliche Schreiber bereits um die Mitte des 3. Jahrhunderts v.Chr. den Gau-Antigrapheus bei der Vergabe und Kontrolle der Monopolpachten verdrängt zu haben und neben den Oikonomos getreten zu sein. Zwar liegen nur wenige aussagekräftige Papyri zu dieser Frage vor, doch leitet Armoni dies aus der Installation seiner Antigrapheis in den Steuerbüros sowie aus seinen judiziellen Kompetenzen in diesen Bereichen ab. Denn hinsichtlich judizieller oder auch polizeilicher Befugnisse konstatiert sie, dass er im Gegensatz zu anderen ptolemäischen Beamten in Rechtsstreitigkeiten nicht selbständig entscheiden konnte, da er lediglich über eine Koerzitionsgewalt verfügte, die auf sein Verwaltungsressort ausgerichtet war. Seine Mitwirkung an der Beilegung von Rechtskonflikten ist deshalb vor dem Hintergrund seiner Zuständigkeit und seiner Autorität als Leiter seines Ressorts zu erklären.

Armoni bietet in ihrer Studie ein detailliertes Bild der Funktionsmechanismen der ptolemäischen Administration, das einerseits auf zahlreichen Detailinterpretationen einzelner Dokumente basiert, andererseits jedoch gleichermaßen die gesamte Gauverwaltung im Blick hat. Dadurch ist es ihr gelungen, die Wirkungsbereiche der einzelnen Behörden gegeneinander abzugrenzen, lokale Besonderheiten herauszuarbeiten und wichtige strukturelle Veränderungen, die im Laufe der drei Jahrhunderte eingetreten sind, sichtbar zu machen. Indem Armoni aber sehr quellennah und ausschließlich mit griechischen Originalzitaten arbeitet, setzt sie bei ihren Lesern ein hohes Maß an Vorwissen und Kenntnissen im Bereich der griechischen Verwaltungssprache voraus. Hier berücksichtigte beispielsweise Andrea Jördens in ihrer 2009 erschienen Studie in viel größerem Maße einen nichtpapyrologischen Leserkreis und dürfte damit den Wirkungsbereich ihrer Studie wesentlich erweitert haben.10 Für diesen Leserkreis wäre auch eine stärkere Systematisierung der einzelnen Verwaltungsabläufe wünschenswert gewesen. Doch vor allem werden die in der Einleitung formulierten Fragen nach den strukturellen Problemen des ptolemäischen Verwaltungsapparates und der Systematik des gezielten Zugriffes auf die landwirtschaftlichen Ressourcen des Landes in der Arbeit selbst nicht mehr explizit aufgegriffen. Sie anhand des von Armoni präsentierten Materials zu beantworten, wird größtenteils dem Leser überlassen.

Doch gerade auch in dieser Hinsicht kann die Autorin wichtige Ergebnisse vorweisen: Sie kann überzeugend belegen, dass der mehrgliedrige Aufbau der Administration, der in der Forschung oftmals als ein strukturelles Problem angesehen wurde, vor allem der effizienten Überwachung aller fiskalischen Geschäfte diente. Auch die Annahme, wonach ptolemäische Funktionäre kein regelmäßiges Gehalt bezogen hätten und sich somit Korruption notwendigerweise habe einstellen müssen, kann sie widerlegen. Schließlich dürfte der Umstand, dass die Gauverwaltung in den drei Jahrhunderten ptolemäischer Herrschaft keine grundlegenden Veränderungen erfuhr und die Römer die spätptolemäische Struktur der Administration des Gaus übernommen und bis ins 3. Jahrhundert n.Chr. beibehalten haben, dahingehend zu interpretieren sein, dass sich dieses System als effizient bewährt hatte, und zwar vor allem im Hinblick auf eine bestmögliche wirtschaftliche Ausbeutung des Landes.

Trotz dieser kleinen Kritikpunkte dürfte die vorliegende Monographie für jeden, der sich mit der Administration oder allgemein mit der Geschichte des ptolemäischen Ägypten beschäftigt, zu einem unerlässlichen Grundlagenwerk werden und braucht den Vergleich mit Wilckens Arbeiten nicht zu scheuen.

Anmerkungen:
1 Auch Werner Huß, Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs, München 2011 kann diese Lücke nicht füllen.
2 Ulrich Wilcken, Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien, 2 Bde., Leipzig 1899 (2. Aufl. Amsterdam 1970 mit Nachträgen von Pieter J. Sijpesteijn); Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde, Leipzig 1912; Urkunden der Ptolemäerzeit (ältere Funde), Bd. 1: Papyri aus Unterägypten, Berlin 1927; Bd. 2: Papyri aus Oberägypten, Berlin 1935–1957.
3 Neben zahlreichen Papyruseditionen und einschlägigen wissenschaftlichen Beiträgen hat sie auch 24 Papyri aus dem Archiv des Königlichen Schreibers Dionysios publiziert: Papyri aus dem Archiv des königlichen Schreibers Dionysios (P.Heid. IX), Heidelberg 2006.
4 Erhard Biedermann, Studien zur ägyptischen Verwaltungsgeschichte in ptolemäisch-römischer Zeit, Berlin 1913.
5 John F. Oates, The Ptolemaic Basilikos Grammateus, Atlanta 1995.
6 Thomas Kruse, Der königliche Schreiber und die Gauverwaltung, 2 Bde., München 2002.
7 Ausnahmen sind der Arsinoites, wo im ausgehenden 2. Jahrhundert v.Chr. ein Königlicher Schreiber für zwei Merides zuständig war, und die Thebais, in der zwar jeweils ein Basilikos Grammateus dem Gau vorstand, dieser aber einem in Diospolis angesiedelten Beamten mit Kompetenz für die gesamte Thebais unterstand.
8 Der Stratege scheint in solche regulären fiskalischen Vorgänge nicht involviert gewesen zu sein.
9 In frühptolemäischer Zeit dürfte diese Funktion vom Nomarches ausgeübt worden sein (P.Hib. I 81). Unter dem vierten Ptolemäer erscheint neben dem Basilikos Grammateus der Oikonomos (P.Lille I 4), vgl. S. 199–204.
10 Andrea Jördens, Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Stuttgart 2009.

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