J. Burbank u.a.: Empires in World History

Cover
Titel
Empires in World History. Power and the Politics of Difference


Autor(en)
Burbank, Jane; Cooper, Frederick
Erschienen
Anzahl Seiten
528 S.
Preis
$ 35.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrike von Hirschhausen, Historisches Seminar, Universität Rostock

Empires are „on“. So trivial ließe sich ein Trend beschreiben, der nicht nur die populäre Literatur erreicht hat, wie die heftige Kontroverse um den Roman „Imperium“ des Schweizer Bestsellerautors Christian Kracht jüngst gezeigt hat. Auch der historische Sach- und Fachbuchmarkt erscheint derzeit von einem imperial turn gekennzeichnet, der seinen Grund in unserer gegenwärtigen Erfahrung von Globalisierung, der Notwendigkeit neuer supranationaler Integration jenseits des Nationalstaats und der Wirkung postkolonialer Studien mit ihrem Fokus auf den kolonisierten Gruppen hat. All diese Faktoren haben dem Empire, als Begriff wie als historischer Ordnung, die von Vielfalt und Ungleichheit geprägt ist, eine neue Aufmerksamkeit gesichert.

In dieses lebendige Forschungsfeld ordnet sich die neueste Gesamtdarstellung historischer Empires „Empires in World History. Power and the Politics of Difference“ ein. Deren Autoren, beide an der New York University lehrend, sind exzellente Kenner der Materie und verbinden als Autorenteam unterschiedliche räumliche, theoretische und empirische Schwerpunkte. Die Osteuropahistorikerin Jane Burbank ist 2007 mit dem innovativen Sammelband „Russian Empire. Space, People, Power 1700-1930“ hervorgetreten, der Afrika-Spezialist Frederick Cooper hat 2005 einen konzisen Abriss „Colonialism in Question“ publiziert.1 In ihrer gemeinsamen Monographie präsentieren sie einen Längsschnitt historischer Empires, der vom Römischen Imperium und dem Mongolenreich über das Spanische und Osmanische Reich der Frühen Neuzeit und das russische empire-building bis zu den modernen europäischen Kolonialreichen des 19. und 20. Jahrhunderts und den USA reicht.

Mit der räumlichen Auswahl ihrer Fallbeispiele realisieren die Autoren zunächst den Abschied von der bislang eher eurozentrisch orientierten Empire-Forschung und suchen sich gleichzeitig von der herkömmlichen Dichotomie zwischen Empire und Nationalstaat zu distanzieren. Als analytischer Fokus des Vergleichs dienen vier breit definierte Themen, nämlich imperiale Handlungsstrategien und Leitbilder, der Umgang mit Differenz, die Bedeutung imperialer Vermittler für die Eroberung neuer Räume, und schließlich die Beziehungen zwischen Empires, sogenannte imperial intersections.

Die Umsetzung eines so breit angelegten Anspruchs weist Stärken und Schwächen auf. Dort, wo nationalstaatliche Konzepte keine maßgebliche Rolle spielten, nämlich in den antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Imperien, finden sich überzeugende und konzise Beschreibungen, wie imperiale Herrschaft funktionierte. Wie Rechtsungleichheit als imperiale Grundbedingung mit kontinuierlichen sozialen Aufstiegsangeboten kombiniert wurde, welche Integrationskraft von militärischem Schutz und rechtlichen Institutionen, von einer effizienten Infrastruktur und attraktiven kulturellen Modellen ausging, wird überzeugend am Beispiel des Römischen Reiches beschrieben. Besonders gelungen ist der Vergleich zwischen dem Osmanischen und dem Spanisch-Habsburgischen Reich der frühen Neuzeit, der das Potential einer komparativen Zuspitzung erkennen lässt. Während sich die habsburgischen Herrscher auf traditionale Magnaten stützten, deren enorme Machtstellung sich indes schnell gegen das Empire wenden konnte, herrschte der osmanische Sultan primär durch Vermittler und Funktionseliten, die von außen kamen und immer wieder ausgetauscht wurden. Auch in seiner Wirtschaftspolitik und der Akzeptanz religiöser Rechtsgemeinschaften für Nichtmuslime agierte das Osmanische Reich inklusiv. Dieses Muster kehrte auch im Umgang mit Sexualität als Mittel dynastischer Erhaltung wider. Ehefrauen wurden hier durch Konkubinen ersetzt, um genug legitime Erben hervorzubringen, während im Westen die Legitimität standesgemäßer Ehen eine Säule des monarchischen Dynastieerhalts bildete. Letztlich akzentuiert der Vergleich die Unterschiedlichkeit imperialer Herrschaft: im Spanisch-Habsburgischen Fall einen exklusiven und hegemonialen Anspruch, der auf Stand und Hierarchie setzte und Religion und Verwaltung als Repressionsmittel heranzog; im Osmanischen Reich eine pragmatische Inklusivität, die patrimonial orientiert war, sich von statischen familialen und dynastischen Beziehungen löste und durch Rotation und Offenheit herrschaftsstabilisierende Faktoren entwickelte.

Unbefriedigender als die Abrisse der vormodernen Empires bleiben hingegen die Beschreibungen der modernen Empires. Dies wird in dem Kapitel über die modernen Kolonialregimes besonders deutlich. Unterschiedliche Spezifika des französischen, britischen, chinesischen, japanischen und amerikanischen Kolonialreichs werden nebeneinander gestellt und auf die Bedeutung der imperial intermediaries zur Festigung der Herrschaft verwiesen. Worin die markanten Unterschiede zwischen den Kolonialregimes liegen, bleibt indes unscharf. Die enorme Rolle des Nationalen als Movens antikolonialer Akteure tritt nur in Umrissen zutage. Während für Indien summarisch auf den Kampf des Indian National Congress um adäquate Repräsentation und ein Ende finanzieller Transfers nach England verwiesen wird, werden die nationalen Versatzstücke der afrikanischen Antikolonialisten in den französischen Kolonien beispielsweise kaum in den Blick genommen. Dass ‚Nationalisierung‘ nicht zum Teil des imperialen Projekts wurde, ist eine durchgehende Annahme des Bandes, die von analytischen Einzelstudien moderner Empires gerade für die Peripherien heute eher in Frage gestellt wird.2

Das strukturelle Problem eines so breitgefassten Panoramas zeigt sich auch in den beiden Schlusskapiteln, die keine klare These entwickeln, sondern sich damit begnügen, in der Vielfalt und Flexibilität der imperialen Handlungsrepertoires den Grund für die Langlebigkeit von Imperien zu sehen. Die Bilanz bleibt somit ambivalent: Auf der Habenseite lässt sich eine narrative und synthetisierende Gesamtdarstellung historischer Empires verbuchen, mit Karten und Bildern wunderschön gestaltet, die sich durchweg spannend liest, jede eurozentrische Schlagseite vermissen lässt und eine höchst beeindruckende Forschungsleistung darstellt. Dem steht auf der Sollseite das Problem gegenüber, dass zum einen die Differenzen zwischen antiken, frühneuzeitlichen und modernen Empires mit ihren so unterschiedlich gearteten Handlungsstrategien und -räumen verwischt werden und sich das analytische Erklärungspotential für spezifische imperiale Krisen erheblich verringert. Zum anderen erscheinen die imperialen Handlungsstrategien gerade der Moderne von so unendlicher Vielfalt, dass eine präzise Konturierung und Differenzierung abhandenkommt. Durch die narrative Marginalisierung des Nationalstaats als historische Ordnung und zeitgenössisches Modell bleibt schließlich die zentrale Herausforderung, mit der sich Empires seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert auseinanderzusetzen hatten, unterbelichtet.

Ob die in dieser Synthese dominierende Tendenz zur Universalisierung von Empires nicht dazu führt, den Nationalstaat als Gegenmodell der Moderne auszublenden und die komplexen Interaktionen zwischen beiden Formen moderner Staatlichkeit zu marginalisieren, kann nur die weitere Forschung erweisen. Mit Jane Burbanks und Frederick Coopers Buch ist indes ein hoher synthetischer Anspruch markiert, der die Debatte über das Integrations- und Exklusionspotential von Empires weiter stimuliert und vorantreibt. Es bleibt spannend an der imperialen Forschungsfront.

Anmerkungen:
1 Jane Burbank / Mark von Hagen / Anatolyi Remnev (Hrsg.), Russian Empire. Space, People, Power 1700-1930, Bloomington 2007; Frederick Cooper, Colonialism in Question. Theory, Knowledge, History, Berkeley 2005.
2 Vgl. Jörn Leonhard / Ulrike von Hirschhausen, Empires und Nationalstaaten im 19. Jahrhundert, 2. Aufl., Göttingen 2010; dies. (Hrsg.): Comparing Empires. Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century, 2. Aufl. Göttingen 2012; Benno Gammerl, Untertanen, Staatsbürger und Andere. Der Umgang mit ethnischer Heterogenität im britischen Weltreich und im Habsburgerreich 1867-1918, Göttingen 2010.

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