M. Keevak: Becoming Yellow

Titel
Becoming Yellow. A Short History of Racial Thinking


Autor(en)
Keevak, Michael
Erschienen
Anzahl Seiten
248 S.
Preis
€ 23,47
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Björn Schmidt, a.r.t.e.s. Forschungsschule, Universität zu Köln

In dem Brettspiel „Abenteuer Menschheit“, einer Auskopplung der beliebten „Siedler von Catan“-Reihe aus dem Jahr 2003, werden zu Beginn des Spiels farbige Völkerchips auf einer Weltkarte verteilt. Den vier Völkergruppen der Indogermanen, Austronesiern, Indianern und Asiaten entsprechen die Farben Weiß, Braun, Rosa und Gelb.1 Es sind nicht zuletzt derartige Erfahrungen des Alltags, die die Relevanz von Arbeiten wie Michael Keevaks „Becoming Yellow“ verdeutlichen. Scheinbar unreflektiert werden in dem Spiel genau jene an „Farbigkeit“ gekoppelten Rassismen reproduziert, die in Keevaks Buch dekonstruiert werden. Während man sich über rosa Indianer oder die fehlende Gruppe vermeintlich schwarzer Afrikaner wundern mag, scheint die Farbwahl für Indogermanen und Asiaten weniger fraglich gewesen zu sein. Die weiße Farbe für Europäer erscheint ebenso selbstverständlich wie die Assoziation von asiatischen Menschen mit gelber (Haut-)Farbe. Und so kommt auch Keevak am Ende des Buches zu dem Schluss, dass Yellowness bis weit in das 20. Jahrhundert mithin die am seltensten hinterfragte Form von „Farbigkeit“ sei. Das Buch soll daher einen Beitrag zu der nach wie vor wenig beleuchteten Geschichte des Konstrukts einer „gelben Rasse“ leisten. Denn während die kritische Auseinandersetzung mit „Rasse“ in Bezug auf Whiteness und Blackness inzwischen auf eine breite Forschungstradition zurück blicken kann, finden sich nur wenige Arbeiten, die sich dezidiert mit Yellowness beschäftigen.2 In dieser Hinsicht kann „Becoming Yellow“ als wichtiger Schritt zur Schließung dieser Lücke gesehen werden.

Im Zentrum des Buches steht dabei die Frage, warum und seit wann in Europa und den USA Menschen aus Ostasien, insbesondere aus China und Japan, als gelb wahrgenommen wurden. Was Keevak als eine „Short History of Racial Thinking“ bezeichnet und auf rund 200 Seiten ausbreitet ist eine dichte und überzeugende Genealogie von Yellowness innerhalb westlicher Wissensfelder. In erstaunlicher Fleißarbeit zieht der Autor dabei unzählige Texte vom 16. bis hin zum 20. Jahrhundert heran, wobei der Fokus auf dem 19. Jahrhundert liegt. Dies erklärt sich durch die zentrale These des Buches: ostasiatische Menschen wurden in jenem Zeitraum gelb, in dem sich in den Wissenschaften die Kategorie einer an gelbe Hautfarbe gekoppelten „mongolischen Rasse“ herausbildete. Aber warum fiel die Wahl ausgerechnet auf die Farbe Gelb und welche Effekte hatte dies? Dieser Frage folgt Keevak über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten und gleichzeitig in fünf verschiedene Diskursfelder, die den Aufbau des Buches bestimmen. Zum Vorschein kommen dabei Unschärfen, Verzweigungen und Brüche, aber schließlich auch eine Verfestigung des Diskurses hin zum Konstrukt einer gelben „mongolischen Rasse“. Stets deutet Keevak an, welche Machteffekte bei der Produktion dieses Wissens im Spiel waren. So würden Asiaten nicht zuletzt deshalb gelb, weil sie ab dem 19. Jahrhundert aufgrund eurozentrischer Weltvorstellungen nicht (mehr) weiß sein konnten.

Im ersten inhaltlichen Kapitel widmet sich Keevak frühen Reise- und Missionarsberichten. Ausgangspunkt ist dabei die Tatsache, dass bis in das 17. Jahrhundert die asiatische Bevölkerung noch als weiß galt, auch wenn Hautfarbe hier noch nicht Ausdruck eines modernen „Rasse“-Verständnisses war. In mühevoller Kärrnerarbeit zeichnet Keevak in zahlreichen Texten nach, wie aus der "nicht-rassischen" Whiteness schließlich eine "rassische" Non-Whiteness wurde. In Berichten aus dem späten 17. und dem 18. Jahrhundert äußerte sich dieser Prozess in einer peniblen Beschreibung der Hautfarbe in jeweils unterschiedlichen Schattierungen von "yellow, tawny, brown, black, red, copper, or dark green" (S. 36). Spätestens im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts habe sich gelb als Bezeichnung verfestigt und wurde fortan als dezidiert "rassische" Kategorie verstanden: "Yellowness had become a feature of the Chinese mind as well as the body" (S. 40).

Den im ersten Kapitel herausgearbeiteten Wandel sieht Keevak in zeitgleich stattfindenden Entwicklungen im Bereich der Wissenschaften begründet, die im Fokus des zweiten Kapitels liegen. Hier arbeitet sich Keevak in erster Linie an den Figuren Carl Linnaeus und Johann Friedrich Blumenbach ab und verdeutlicht erneut die Komplexitäten, Verschiebungen und Verfestigung des Diskurses. In Linnaeus vager Terminologie ("fuscus", bzw. „luridus“) offenbare sich die besondere Schwierigkeit die asiatische Bevölkerung in ein „rassisches“ System der Hautfarben zu zwängen. Deutlich wird auch die generelle Bedeutung von Sprachlichkeit innerhalb wissenschaftlicher Diskurse, wenn Keevak zeigt, wie die Wahl der Farbe Gelb mit dessen negativen Konnotationen in der Botanik („suspekt“, toxisch) und Medizin (Gelbsucht) in Verbindung steht. Ähnlich ist es bei Blumenbach, in dessen Texten sich das Konstrukt einer gelben „mongolischen Rasse“ nicht nur verfestigt habe, sondern auch an Vorstellungen „rassischer“ Degeneration gekoppelt wurde.

Das dritte Kapitel konzentriert sich auf das Feld der Anthropologie im 19. Jahrhundert. Ausgehend von der gut erforschten Biologisierung von „Rasse“ und der Bedeutung der Quantifizierbarkeit physischer Merkmale in der Anthropologie, beleuchtet Keevak das spezifische Feld des „mongolischen Körpers“. Zudem zeigt er, wie diesem Körper essentialistische Charaktereigenschaften eingeschrieben wurden, die später die Grundlage für den Diskurs der „gelben Gefahr“ bilden sollten. Im zweiten Teil des Kapitels wird die wissenschaftliche Praxis beleuchtet. So brachte der unbedingte Wille zur Quantifizierung und Klassifizierung der Hautfarbe immer neue und absurdere Instrumente hervor. Beispielsweise den beim Eugeniker Charles Davenport eingesetzten „Color Top“, einen Kreisel, der mittels Farbauflagen in den vermeintlichen vier Grundpigmenten menschlicher Haut – Weiß, Schwarz, Rot und Gelb – sämtliche Nuancen darstellen sollte. Da diese Verfahren immer schon Teil „rassischer“ Diskurse waren und letztlich auf deren Bestätigung abzielten, schreibt Keevak hier eine aufschlussreiche Geschichte ihres Scheiterns.

Im vierten Kapitel stehen medizinische Texte im Mittelpunkt. Die Tatsache, dass gerade Körper- und Krankheitsbilder im 19. Jahrhundert auf Vorstellungen „rassischer“ Gesundheit und Ideale rekurrieren, mag nicht neu sein.3 Doch im Rahmen des vorliegenden Buches eröffnen sich interessante Bedeutungszusammenhänge. Das Kapitel greift die drei Beispiele des „Mongolian Eye“, der „Mongolian Spots“ und des „Mongolismus“ auf. Deutlich wird dabei, wie auch in der Medizin körperliche Merkmale mit "rassischer" Bedeutung aufgeladen und an eine nunmehr nicht mehr hinterfragte gelbe Hautfarbe gekoppelt wurden. Dies erfolgte immer auch in Abgrenzung zu hegemonialer Whiteness, wurden doch alle drei Phänomene als entwicklungsgeschichtliche „Rückfälle“ oder Folge einer Mischung der weißen und gelben „Rasse“ gewertet.

Im letzten Kapitel behandelt Keevak Yellowness in seiner extremsten Ausprägung in Gestalt des „Yellow Peril“. Denn besonders die Verschränkung von postulierter Gefährlichkeit und Yellowness im Diskurs des „Yellow Peril“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts habe Vorstellungen einer "gelben Rasse" endgültig verfestigt. Während Keevak dem relativ gut erforschten Thema wenig Neues abgewinnen kann, eröffnet er aber gerade im Kontext der im gesamten Buch geleisteten Historisierung von Yellowness neue Aufschlüsse.4 Einen innovativen Ansatz verfolgt Keevak darüber hinaus im zweiten Teil des Kapitels, in dem er auf die Rezeption des „Yellow Peril“ in Ostasien selbst eingeht. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht einen seltenen Blick auf die zum Teil positiven Aneignungsprozesse des „Yellow Peril“ in China. Die dort positiv konnotierte und zudem von Rassevorstellungen gelöste Farbe Gelb konnte daher auch identitätsstiftend wirken.

„Becoming Yellow“ liefert wichtige Impulse für die Erforschung von „Rasse“ innerhalb der Wissenschafts- und Kulturgeschichte, aber auch für die Postcolonial Studies. Obwohl Keevak zum Teil bereits erforschte Themenfelder aufgreift, liegt der Verdienst des Buches nicht zuletzt darin, zentrale Texte in Hinblick auf den Aspekt von Yellowness neu zu lesen. Eine an vielen Punkten wünschenswerte Verortung in vorhandene Forschungszusammenhänge liefert Keevak jedoch selten. Leider lässt das Buch zudem Theorie und Methodik vermissen. So wäre es sicherlich von Vorteil gewesen, aktiv mit Foucaults Diskursbegriff zu arbeiten, liegt doch in Grundzügen eine Diskursanalyse vor. Gleichzeitig lädt das Buch gerade durch die besagten Kritikpunkte dazu ein, es als wichtige Grundlage für weitere Forschungen zu betrachten.

Anmerkungen:
1 <http://www.catan.de/de/download/Spielregeln/?Abenteuer_Menschheit-Spielregel.pdf> (26.01.2012).
2 Einen der wenigen grundlegenden Texte bietet Walter Demel, Wie die Chinesen gelb wurden. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Rassentheorien, in: Historische Zeitschrift 255 (1992), S. 625-666.
3 Vgl. beispielsweise Waltraud Ernst / Bernard Harris (Hrsg.), Race, Science and Medicine. 1700-1960, London/New York 1999.
4 Hierzu nach wie vor grundlegend: Richard Austin Thompson, The Yellow Peril. 1890-1924, 1978 [1957]; vgl. für Deutschland Ute Mehnert, Deutschland, Amerika und die „gelbe Gefahr“. Zur Karriere eines Schlagworts in der großen Politik, 1905-1917, Stuttgart 1995; einen neuen Ansatz in transnationaler Perspektive bietet Erika Lee, The "Yellow Peril" and Asian Exclusion in the Americas, in: Pacific Historical Review 76 (2007), S. 537–562.

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