B. Eckhardt u.a. (Hrsg.): Geld als Medium in der Antike

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Titel
Geld als Medium in der Antike.


Herausgeber
Eckhardt, Benedikt; Martin, Katharina
Erschienen
Berlin 2011: Verlag Antike
Anzahl Seiten
180 S.
Preis
€ 32,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Deutsche Schule Tokyo Yokohama

„Geld regiert die Welt“ – so scheint es uns momentan zumindest, wenn wir auf die Wirtschafts- und Finanzkrise blicken und die täglichen Hiobsbotschaften und Kassandrarufe vernehmen. Die „Sprache des Geldes“ ist so in der heutigen Welt anscheinend ein bestimmender Faktor unserer Wahrnehmung und unseres Handelns geworden. Es stellt sich zurecht die Frage, ob Geld tatsächlich nur noch als „Mittler“, als Medium im klassischen Sinne, gilt oder schon längst und darüber hinaus aktiv Rahmenbedingungen vorzeichnet und seine Funktion(en) quasi autonom zu bestimmen vermag. Die dahinter stehende Theoriediskussion um den Medien-Begriff in den Sozial- und Kulturwissenschaften hat, so scheint es, bislang die Altertumswissenschaften noch nicht recht erfasst. Denn auch hier haben wir es mit Geld, vor allem in Form von geprägten Münzen, als (Massen-)Medium zu tun. Insofern wird klassischerweise „Geld“ insbesondere die Funktion eines tertium comparationis bzw. Wertspeichers im ökonomischen Bereich zugeschrieben, darüber hinaus wird im kommunikativen Bereich auch seine Rolle bei der Verbreitung (politischer) Botschaften in einem einfachen Sender-Empfänger-Modell vom Herrscher zu den Beherrschten in Form von „Macht der Bilder“ betont. Dass dies jedoch unter vollständig anderen zivilisatorischen Voraussetzungen geschah, in Gesellschaften, in denen es eben noch keine Ausdifferenzierung der verschiedenen Systembereiche (Politik, Religion, Wirtschaft usw.) gab oder verschiedene Formen von Massenmedien vorlagen, blieb bislang eher unbeachtet.

Diesem Defizit entgegenzuwirken und die theoretische Durchdringung des Medien-Begriffs in anderen Disziplinen auch für die Altertumswissenschaften nutzbar zu machen, ist nun der schmale, aber inhaltlich reiche Band „Geld als Medium in der Antike“ angetreten. Hervorgegangen aus einem Vortragsabend zur „Sprache des Geldes in der Antike“ im Berliner Museum für Kommunikation und theoretisch fundiert durch die Arbeit der beiden Herausgeber im Münsteraner Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“, sind hier fünf Beiträge mit ganz unterschiedlichen Zugängen zum Titelthema versammelt. In einer kurzen Einleitung (S. 7–13) positionieren die beiden Herausgeber das Anliegen des Bandes im weiten Spektrum des Medien-Diskurses und weisen auf die unterschiedlichen Ansätze der Beiträger bei der Nutzung für und Implementierung von methodisch-theoretischen Konzeptionen in altertumswissenschaftliche Fragestellungen hin.

Als Paradebeispiel für eine gelungene Verbindung zwischen systemtheoretischer Konzeption und Adaptation in die Alte Geschichte darf gleich der erste Beitrag aus der Feder von Benedikt Eckhardt gelten (S. 14–56). Unter dem Titel „Geld, Macht, Sinn. ‚Überpekuniarisierte Verhältnisse‘ im Athen des fünften und vierten Jahrhunderts v.Chr.“ zeigt er Möglichkeiten und Grenzen des Luhmannschen Modells für die Bedeutung des Geldes in der Zeit des klassischen Athens auf. Anders als in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft heutiger Prägung seien in Athen die Grenzen zwischen Politik, Recht, Wirtschaft, Religion noch nicht so starr vorhanden gewesen. Daher habe hier Geld als Medium nicht nur auf den Wirtschaftssektor – wie im Modell Luhmanns – eingewirkt, sondern auch politische, religiöse und personale Wahrnehmung wie Kommunikation neu strukturieren können. Insofern sei tatsächlich von „überpekuniarisierten“ Verhältnissen zu sprechen, da diese gesellschaftlichen Strukturen zumindest zum Teil von der Sprache des Geldes mitgeformt und überformt gewesen seien. Zu ergänzen wäre hier noch, dass aus Sicht des Rezensenten diese strukturschaffende und -verändernde Funktion des Geldes nicht erst mit der klassischen Zeit der athenischen Demokratie, wie Eckhardt meint, bzw. mit dem Ausprägen von Münzen zum Ende des 6. Jahrhunderts v.Chr. in der Peisistratidenzeit einsetzt, sondern mit den timokratischen Reformen Solons in Verbindung zu bringen ist.

Mithilfe des Luhmannschen Kommunikationsmodells gelingt es anschließend Gunnar Dumke (S. 57–90), eine einleuchtende alternative Deutung der Goldprägungen mit der Legende nbw nfr des Pharaos Nektabenos II. (360–343 v.Chr.) vorzustellen. Entgegen der communis opinio der Forschung, die eine Prägung dieser Goldstücke für griechische Söldner annimmt, zeigt Dumke, dass das Bildinformationsprogramm sowie die Mitteilungsform dem Sinnhorizont des sozialen Systems der griechischen Söldner nicht vollständig entspricht: Zwar wären die Goldstücke von den Söldnern durchaus als Münzen verstanden worden, auch wäre die Abbildung des Pferdes unter der Bedeutung „Agon“ noch von ihnen nachzuvollziehen gewesen; hingegen wären ihnen die Hieroglyphen auf dem Revers schlicht unverständlich geblieben, auch wäre in diesem Fall eine Gold- statt einer Silberausprägung ungewöhnlich gewesen. Demgegenüber hätten gebildete ägyptische Schichten das Bildprogramm vollständig entziffern können, nämlich als „gutes Gold“ mit dem Prägeherrn „Pharao“, symbolisiert durch das Pferd auf dem Avers. Lediglich die Mitteilungsform „Münze“ sei im ägyptischen Kontext neu bzw. noch gewöhnungsbedürftig geblieben. Plausibel versteht Dumke diese Goldstücke nicht in der Funktion als Geld/Münze, sondern als Ehrenabzeichen an verdiente Personen; mithin habe dies die Brücke zwischen beiden sozialen Gruppen, den gebildeten Ägyptern und den griechischen Söldnern, geschlagen.

Katharina Martin widmet sich hernach der Sprache der Bilder auf antiken Münzen (S. 91–138). Im und durch den Vergleich mit der modernen Medienikonographie kann sie dabei an verschiedenen Beispielen (so der Paarrepräsentation oder dem Kindersegen) aufzeigen, wie Bildsprache in der Antike funktionierte und wie, trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen und gruppenspezifischer Ansprache, bestimmte Gesten und Symbole auch heute noch „verstanden“ werden. Da sich leider die Effizienz der antiken Bildersprache kaum in der literarischen Reflexion nachweisen lässt1, sind der Erforschung dieses Phänomens natürliche Grenzen gesetzt, wobei archäologische Auswertungen, etwa über die Verteilung bestimmter Bildmotive oder Nominale in bestimmten Regionen, hier (noch) weiterführen können.

Literaturwissenschaftlich nähert sich darauf Meike Kimmel dem Medium Geld (S. 139–154). In den plautinischen Komödien kann sie dabei eine doppelte Funktion von „Geld“ nachweisen: Einerseits diente es als effizientes Mittel, um das in den Komödien gespiegelte Alltagsleben zu bestimmen sowie die Handlung voranzubringen, so etwa im Poenulus mit der Einführung des Komödiengeldes; andererseits konnte es auch die Rolle als effiziertes Objekt einer Handlung einnehmen, so beispielsweise im Pseudolus, in dem ein Sklave Geld für seinen verliebten Herrn beschaffen muss. Dass er dabei zum „Er-finden“ des Geldes schreitet und dies explizit mit der Tätigkeit des Dichters vergleicht, erweist zudem die hohe Selbstreflexivität des Komödienschaffers Plautus.

Der abschließende Beitrag von Fabian Wittreck (S. 155–171) widmet sich dem antiken Gerechtigkeitsdiskurs um Geld, vornehmlich in der späteren Rezeption durch Averroes und Thomas von Aquin. Dabei geht er von der aristotelischen Geldtheorie aus und führt an den beiden Faktoren „Münzveränderung bzw. -manipulation“ und „Wucher“ vor, wie das antike Verständnis in der islamischen wie christlichen Kultur des Mittelalters, jeweils unterschiedlich wegen des verschiedenen kulturellen-religiösen Kontextes, nachwirkte. Gerade bei der Beschreibung der aristotelischen Geldtheorie fehlt jedoch das Aufzeigen der Gesamtzusammenhänge, in die Aristoteles seine Überlegungen einbettet. Hier hat Birger P. Priddat auf der Tagung „Ordnungsrahmen antiker Ökonomien“ an der Universität Mainz im September 2010 sehr deutlich den konservativen Ansatz des Aristoteles herausgearbeitet, der in Kreditgeld und Zinsstreben eine Gefährdung der wohlgeordneten Polis erblickt habe.2

Der mit einem Stellenindex sowie einem Stichwortregister versehene Band zeichnet sich, insgesamt gesehen, durch einen erfrischenden Blick auf das nur anscheinend alte Thema „Geld als Medium in der Antike“ aus. Insbesondere die Vernetzung zwischen theoretischen Konzepten und den „harten“ altertumswissenschaftlichen Disziplinen ist hier mit der gelungenen Abwägung zwischen Übertragbarkeit und Modifizierung solcher Modelle auf antike Verhältnisse als äußerst gelungen zu bezeichnen. Die Aufsatzsammlung sei daher der Lektüre anempfohlen.

Anmerkungen:
1 Es gibt jedoch einige, wenn auch wenige Hinweise. Vgl. dazu beispielsweise die Sammlung von Stellen für die römische Kaiserzeit bei Reinhard Wolters, Nummi signati. Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft, München 1999, S. 308–320.
2 Birger P. Priddat, Aristoteles über Markt und Geld, in: Sven Günther (Hrsg.), Ordnungsrahmen antiker Ökonomien. Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich, Wiesbaden 2012, S. 5–21 (erscheint voraussichtlich April 2012).

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