Cover
Titel
Historische Geographie.


Autor(en)
Schenk, Winfried
Reihe
Geowissen kompakt
Erschienen
Anzahl Seiten
IX, 134 S.
Preis
€ 16,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gyula Pápay, Historisches Institut, Universität Rostock

Obwohl die Historische Geographie als eine wichtige Subdisziplin der Geographie erachtet wird, gibt es wenige Kompendien zu dieser Thematik. Das letzte deutschsprachige Lehrbuch wurde 1969 von Helmut Jäger veröffentlicht.1 Der Vergleich der vorliegenden Publikation mit diesem Werk zeigt, dass die Historische Geographie in den letzten Jahrzehnten bezüglich ihrer disziplinären Einordnung und ihrer Grundstruktur von keinen wesentlichen Wandlungen betroffen wurde. Das Schlüsselkonzept bildet nach wie vor die Kulturlandschaft. Der zentrale Aspekt blieb die Raumwirksamkeit der Menschen (zum Beispiel Jäger, S. 53; Schenk, S. 15). Die Änderungen sind vorwiegend Schwerpunktverschiebungen. Die größte Veränderung in der Historischen Geographie in den letzten dreißig Jahren erfolgte durch die Herausbildung der Angewandten Historischen Geographie, die die angewandte Kulturlandschaftsforschung und die Kulturlandschaftspflege umfasst. Ihre Herausbildung resultierte einerseits aus dem Paradigmenwechsel der Geographie, indem von ihr eine Anwendungsorientierung angestrebt wurde, und andererseits aus der zunehmenden gesellschaftspolitischen Anerkennung des Stellenwertes der Landschaft seit den 1970er-Jahren.2

Die Angewandte Historische Geographie gehört zu den Arbeitsschwerpunkten des Autors, der Professor für Historische Geographie am Geographischen Institut der Universität Bonn ist. Daraus folgt, dass diese neuen Felder der Historischen Geographie in der vorliegenden Publikation ebenso aspektreich behandelt werden wie die traditionellen Arbeitsgebiete der Historischen Geographie. Zu den hervorzuhebenden Leistungen des Autors zählt die prägnante und erstmalige Überblickdarstellung über das thematisch und methodisch sehr vielfältige Gebiet der Angewandten Historischen Geographie. Kritisch könnte man hier lediglich einwenden, dass die GIS-Methode, die in der Historischen Geographie eine zunehmende Bedeutung einnimmt, eine umfangreichere Behandlung verdient hätte.

Eine besondere Schwierigkeit, für die Historische Geographie eine Überblickdarstellung zu liefern, besteht darin, dass diese Disziplin eine sehr starke interdisziplinäre Ausrichtung aufweist. Sie ist mit beinahe sämtlichen Teildisziplinen der Geographie verbunden, weiterhin hat sie enge Beziehungen zu vielen geschichtswissenschaftlichen Disziplinen, wie zum Beispiel Agrar-, Siedlungs- und Verkehrsgeschichte. Es bestehen Beziehungen auch zur Historischen Kartographie, zur Volkskunde, zur Historischen Demographie usw. Durch die Nutzung naturwissenschaftlicher Methoden kommt die Historische Geographie unter anderem mit der Dendroklimatologie, der Quartärgeologie und der Hydrographie in Berührung. Die vorliegende Publikation gibt über diese thematisch sehr weit gestreuten Wissensgebiete einen hervorragenden Überblick. Dazu wurden zahlreiche Publikationen ausgewertet. Bedauerlicherweise wurden jedoch mehrere Publikationen von ostdeutschen Autoren zur Historischen Geographie ausgeblendet, so zum Beispiel die Publikationen von Klaus D. Aurada, Bruno Benthien, Hans Richter und Eginhard Wegner. Einige davon hätten wenigstens eine Erwähnung verdient, zumindest in dem umfangreichen Literaturverzeichnis.3 Ebenfalls weitgehend ausgeblendet wurden die geopolitischen Publikationen, die in der letzten Zeit an Vielfalt und Umfang stark zugenommen haben und gewisse Beziehungen zu der Historischen Geographie aufweisen.

Zu den Vorzügen der vorliegenden Publikation gehört, dass die allgemeinen Ausführungen mit konkreten Beispielen noch verständlicher gemacht werden. Trotz der enormen Vielschichtigkeit der Thematik erhält der Leser eine übersichtliche Darstellung. Die Anschaulichkeit wird durch zahlreiche Abbildungen und Tabellen unterstützt. Kritisch ist zu vermerken, dass einige Tabellen für den Druck zu stark verkleinert wurden, wodurch die Lesbarkeit der Schrift in mehreren Fällen erschwert wird.

Eine zusammenfassende Darstellung bezüglich der Historischen Geographie war lange Zeit ein Desiderat der deutschsprachigen geographischen Literatur.4 Die vorliegende Publikation schließt diese Lücke. Sie eignet sich sehr gut als Nachschlagewerk. Dabei spielt auch die typographische Gestaltung (Hervorhebungen, Randspalten mit wichtigen Begriffen) eine unterstützende Rolle. Die Publikation erfüllt somit zugleich ebenso gut eine Lehrbuchfunktion.

Anmerkungen:
1 Helmut Jäger, Historische Geographie, Braunschweig 1969.
2 Rolf Plöger, Inventarisation der Kulturlandschaft mit Hilfe von Geographischen Informationssystemen (GIS). Methodische Untersuchungen für historisch-geographische Forschungsaufgaben und für ein Kulturlandschaftskataster, Dissertation, Bonn 2003. In: ULB Bonn, <http://hss.ulb.uni-bonn.de/2003/0156/0156.htm> (9.11.2011).
3 Klaus Aurada, Systemkonzept der Geographie und Historische Geographie – Anachronismus oder synchronistische Symbiose? in: Ivo Asmus (Hrsg.), Geographische und historische Beiträge zur Landeskunde Pommerns. Eginhard Wegner zum 80. Geburtstag, Schwerin 1998, S. 43–51.
4 In der englischsprachigen geographischen Literatur erschien die letzte vergleichbare Publikation 1998 von Robin A. Butlin, Historical Geography. Through the Gates of Space and Time, London 1998.