C. Noreña: Imperial Ideals in the Roman West

Cover
Titel
Imperial Ideals in the Roman West. Representation, Circulation, Power


Autor(en)
Noreña, Carlos F.
Erschienen
Anzahl Seiten
XXII, 456 S.
Preis
£ 65,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jonas Scherr, Internationales Graduiertenkolleg „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“, Frankfurt am Main / Innsbruck

Bei der vorliegenden Monographie handelt es sich um die überarbeitete Fassung der Dissertation Carlos F. Noreñas. Darin hat er es sich zur Aufgabe gemacht, anhand numismatischer und epigraphischer Quellen die Darstellung und Wahrnehmung des Kaisers in den westlichen Provinzen des Imperium Romanum im Zeitraum zwischen dem Herrschaftsantritt Vespasians (69 n.Chr.) und dem Tod des Severus Alexander (235 n.Chr.) zu untersuchen. Damit, soviel sei vorweg gesagt, bearbeitet Noreña beileibe kein neues Thema – dennoch trägt seine Studie innovative Züge, insbesondere was den methodischen Zugang anbelangt.

In der Einleitung (S. 1–26) erläutert Noreña zunächst seine Fragestellung, den Forschungsstand sowie die von ihm im Folgenden angewandte Methodik. Durch einen kurzen Überblick zur Arbeit am Ende der Einleitung (S. 24–26) ermöglicht er dem Leser, sich schnell und präzise über den Inhalt und die Struktur des Werkes zu informieren, und schafft so ein hohes Maß an Übersichtlichkeit. Der Hauptteil des Buches besteht aus drei Sektionen, die analog zum Untertitel des Werks benannt sind: „Part 1: Representation“ (S. 27–177), „Part 2: Circulation“ (S. 179–297) und „Part 3: Power“ (S. 300–324), wovon die ersten beiden aus je einer eigenen Einleitung und zwei Hauptkapiteln bestehen, die dritte hingegen keine gesonderte Einleitung aufweist und auch nur ein Kapitel umfasst.

In „Part 1“ unternimmt Noreña zunächst den Versuch, auf der Basis eines von ihm zusammengestellten Corpus von mehr als 185.000 römischen Fundmünzen – es handelt sich ausschließlich um sogenannte ‚Reichsprägungen‘, die weit überwiegend Hortfunden entstammen – die ‚offizielle‘ Darstellung der Kaiser hinsichtlich der ihnen zugeschriebenen Werte und Tugenden zu untersuchen (Kapitel 1, S. 37–100). Dabei verwendet Noreña in hohem Ausmaß quantifizierende bzw. statistische Verfahren, um die Gewichtung der einzelnen Tugenden im Zeitverlauf erfassen zu können, die er aus der Häufigkeit der jeweiligen Münztypen ableitet. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Noreñas Hauptargument, weshalb sein Corpus aus Fundmünzen repräsentativ für den realen Umlauf der Kaiserzeit sei, letztlich nur darin besteht, dass er keinen Grund sehe, von einer anderen als einer Zufallsverteilung der Münztypen unter den Münzen der Hortfunde auszugehen (S. 29f.).1 Nicht jeden Leser wird dies in letzter Konsequenz überzeugen, so dass zumindest leichte Vorbehalte bezüglich der Aussagekraft der Ergebnisse bleiben. Als besonders wichtige Tugenden für die Darstellung der Principes im untersuchten Zeitraum identifiziert er auf diese Weise aequitas, pietas, virtus, liberalitas und providentia. Hinsichtlich der Bestimmung des konkreten Inhalts und des Bedeutungsspektrums dieser Konzepte bedient sich Noreña dann jedoch vorwiegend literarischer Quellen. Ähnlich verfährt er im zweiten Kapitel (S. 101–177); hier untersucht er aber nicht die Zuschreibung bestimmter Werte, sondern allgemeinerer Konstrukte und Zustände, die er als „benefits of empire“ konzeptualisiert, so etwa aeternitas, fortuna, victoria oder auch abundantia. Besonders interessant ist hier, dass Noreña zeigen kann, dass der quantitative Befund deutlich dagegen spricht, libertas als „key imperial ideal“ anzusehen, wie dies in der Forschung bislang oft geschah (S. 177).

„Part 2“ ist der räumlichen und zeitlichen Verbreitung der in „Part 1“ untersuchten Konstrukte sowie deren Rezeption durch die Provinzialen und schließlich der Frage nach der Urheberschaft solcher Zuschreibungen an den Kaiser gewidmet. Im ersten der beiden Hauptkapitel dieser Sektion (S. 190–244) befasst sich Noreña zunächst noch einmal mit der zentralen Basis seiner Arbeit, den ‚Reichsmünzen‘. Hier bietet er einen kurzen Abriss der Forschungsdebatte zu Ausmaß und Wirksamkeit kaiserlicher ‚Münzpropaganda‘. Daran anschließend debattiert Noreña verschiedene Kommunikationskanäle, mit deren Hilfe Botschaften aus der Reichszentrale bis zu den lokalen Gemeinschaften in den Provinzen gelangen konnten. Dann stellt er einen Vergleich zwischen den auf den Münzen propagierten Konzepten und verschiedenen Inschriften an, die Noreña nach dem Kriterium des Vorkommens ‚ehrender‘ Terminologie in Bezug auf den Kaiser ausgewählt hat, wobei nach Urhebern in ‚offizielle‘ und ‚inoffizielle‘ Inschriften differenziert wird (Kapitel 2, S. 245–297). Dabei ergibt sich ein hohes Maß an terminologischer Übereinstimmung, so dass Noreña zu dem Ergebnis gelangt, es habe tatsächlich eine offizielle Darstellungsweise des jeweiligen Princeps gegeben, die von der Reichszentrale konzipiert und etwa mit Hilfe von Münzprogrammen kommuniziert und sowohl von Bediensteten des Staates als auch von Privatpersonen rezipiert worden sei.

In „Part 3“ führt Noreña die Ergebnisse seiner Teiluntersuchungen zusammen: Er konstatiert eine hochgradige Symbolkraft des Princeps, die – aufbauend auf gesellschaftlichen, teils schon aus der republikanischen Zeit herrührenden Idealen – die ‚Bestheit‘ des Kaisers in das Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung gestellt habe. Dadurch sei es lokalen Magnaten ermöglicht worden, dieses Bild auf lokaler Ebene widerzuspiegeln und zugleich durch die Darstellung ihrer eigenen Person als der ‚lokale Beste‘ zur Stärkung ihrer Position zu nutzen. Dieser Mechanismus habe letztlich eine starke ideologische Vereinheitlichung bewirkt, welche sich um die idealisierte Person des Kaisers konzentriert und zur Stabilität des Reiches in signifikantem Ausmaß beigetragen habe. Ab dem ausgehenden 2. Jahrhundert – und besonders unter den Severern – sei die öffentliche Darstellung des Kaisers dann aber immer weiter von den alten Formen abgerückt und habe sich immer mehr hin zu militärisch-martialischer und autokratischer Stilisierung entwickelt, wofür Noreña unter anderem das weitgehende Verschwinden der Titulierung des Kaisers als optimus zugunsten derjenigen als dominus ins Feld führt. Damit sei aber auch der geschilderte Mechanismus der lokalen Replikation der Kaiserdarstellung verändert bzw. unmöglich gemacht worden, da es nur einen dominus geben konnte. Dies, so Noreña, sei möglicherweise eine der Ursachen für krisenhafte Erscheinungen der nachseverischen Zeit.

Das Buch wird beschlossen durch einen umfangreichen Anhang, der vor allem aus von Noreña im Text angesprochenen Auflistungen und Analysetabellen sowie der gesamten Datengrundlage des Werkes besteht. Dies ist wissenschaftstheoretisch nicht nur löblich, sondern zwingend notwendig und daher auch im vorliegenden Umfang von 95 Seiten (S. 325–420) völlig gerechtfertigt. Allerdings wäre ein etwas höheres Maß an Übersichtlichkeit in Aufbau und Gestaltung des Anhangs möglich und wünschenswert gewesen. Das Literaturverzeichnis (S. 421–446) ist klar und übersichtlich geordnet. Zwar mag der fachkundige Leser den einen oder anderen Titel vermissen2, doch ist zugleich positiv hervorzuheben, dass Noreña ein überaus großes Themenfeld im Großen und Ganzen kompetent abgedeckt und zugleich auch in sprachlicher Hinsicht recht vorbildlich gearbeitet hat. Der Index ist mit neun Seiten Umfang (S. 447–456) vielleicht etwas knapp geraten und mangels einer inneren Gliederung auch nur bedingt übersichtlich. Das Buch enthält angenehm wenige Druckfehler und ist auch ansonsten in recht hoher Qualität produziert. Auch im Hinblick auf die Qualität der diversen Abbildungen gibt es kaum etwas zu beanstanden.

Insgesamt legt Noreña eine lesenswerte Studie vor, die eindrucksvoll vor Augen führt, dass auch in den Altertumswissenschaften statistische und quantitative Methoden sinnvoll und ertragreich sein können, so sie denn, wie im Falle dieses Werkes, vorsichtig, mit Bedacht und unter Ergänzung durch anderweitige Forschungsergebnisse angewandt werden. Auch wenn Noreñas Überlegungen nicht durchgängig gleichermaßen überzeugen können, argumentiert der Autor doch stets sehr behutsam, durchdacht und unter Bemühung um ein ausgewogenes Urteil. Insbesondere auf den Themenfeldern der Ideologie des Prinzipats, der kaiserzeitlichen Numismatik und der Münzpropaganda wird in der Forschung der kommenden Jahre kaum ein Weg an dieser Studie vorbeiführen.

Anmerkungen:
1 Auf S. 28–36 erläutert Noreña die Zusammensetzung seines Corpus genauer und versucht, dessen Repräsentativität glaubhaft zu machen.
2 Es fehlen – um nur einige Beispiele zu nennen – überraschenderweise etwa die folgenden Titel: Wilhelm Koehler, Personifikationen abstrakter Begriffe auf römischen Münzen, Diss., Königsberg 1910; Viktor Pöschl, Politische Wertbegriffe in Rom, in: Antike und Abendland 26 (1980), S. 1–17; Carl Joachim Classen, Virtutes Romanorum. Römische Tradition und griechischer Einfluß, in: Gymnasium 95 (1988), S. 289–302; Hans Oppermann (Hrsg.), Römische Wertbegriffe (= Wege der Forschung 34), Darmstadt 1967; Jozef Korpanty, Römische Ideale und Werte im augusteischen Prinzipat, in: Klio 73 (1991), S. 432–447; Andreas Haltenhoff / Andreas Heil / Fritz-Heiner Mutschler (Hrsg.), Römische Werte als Gegenstand der Altertumswissenschaft, München 2005.

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