B. Kane: Politics and Culture of Honour

Cover
Titel
The Politics and Culture of Honour in Britain and Ireland, 1541-1641.


Autor(en)
Kane, Brendan
Reihe
Cambridge Studies in Early Modern British History
Erschienen
Anzahl Seiten
302 S.
Preis
£55.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Kühner, Department of History, Stanford University

Das Thema Ehre nimmt in der neueren Forschung zum frühneuzeitlichen Adel inzwischen einen wichtigen Platz ein; so hat etwa Markku Peltonen in seiner Studie zum Duell im frühneuzeitlichen England die Bedeutung der Ehre herausgestellt.1 Brendan Kane unternimmt es in seiner Monographie, dem Ehrbegriff auf den Britischen Inseln von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts nachzugehen. Anders aber als es der Titel des Buches vielleicht vermuten ließe, ist die Studie mitnichten eine vergleichende Untersuchung über Irland und Großbritannien; vielmehr handelt es sich um ein Buch über Irland im Kontext der Tudor- und Stuartmonarchie. Die zeitliche Abgrenzung ergibt sich auf der einen Seite durch die Umwandlung Irlands von einer „Lordship“ in ein Königreich 1541, auf der anderen Seite durch den Beginn der Irischen Konföderationskriege 1641.

Das Buch besteht aus einer Reihe chronologisch angeordneter Fallstudien, anhand derer Kane Charakteristika und Funktionsweise der Ehre aufzeigt. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem „surrender and regrant“-Programm des Vizekönigs Anthony St Leger nach der Errichtung des Königreiches Irland 1541. Dabei unterwarfen sich irische Adlige formell der Oberhoheit der englischen Krone und gaben ihre traditionellen Titel und Gebietsansprüche auf – erhielten dafür aber umgehend ihre Länder zurück (als Gnade des englischen Königs) und wurden mit Titeln ausgezeichnet, die der englischen Hierarchie entsprachen. Es ging also darum, den irischen Adel in die gesamtbritische Führungsschicht zu integrieren. Kane betont die kulturelle Nähe englischer und irischer Führungsschichten; Analogien etwa zur englischen Eroberung Nordamerikas seien daher irreführend.

Das zweite Kapitel ist eine vor allem historisch-semantisch orientierte Untersuchung über die verschiedenen Ehrbegriffe in irischsprachigen Texten des späten 16. Jahrhunderts. Dabei beeindruckt die philologische Genauigkeit, mit der Kane diese gälischen Texte durchleuchtet. Er stellt Ehre als einen vielschichtigen Begriff dar; kriegerische Tapferkeit spielte für die traditionelle gälische Ehre ebenso eine Rolle wie gute Herrschaft. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Neunjährigen Krieg (1594-1603). Hier ist Kanes These, dass Ehre als politisches Argument in diesem Krieg nicht vollständig durch einen religiösen, ethnischen oder protonationalen Gegensatz zwischen Engländern und Iren abgelöst worden sei. Vielmehr sei Ehre immer noch ein großes Thema in diesem Krieg gewesen. Das illustriert er etwa am Konflikt zwischen Königin Elisabeth und ihrem Feldherrn in Irland, Essex, der ausgiebig von seinem Recht Gebrauch machte, im Feld Erhebungen in den Ritterstand auszusprechen. Das vierte Kapitel setzt sich wiederum mit irischsprachigen Texten auseinander, und zwar mit nach dem Neunjährigen Krieg entstandenen Prosastücken, die – so Kanes These – die irischen Hochadligen als Mitglieder einer paneuropäischen Aristokratie darstellen.

Im fünften Kapitel werden verschiedene Arten von Fallstudien versammelt. Hier geht es erstens um irischsprachige Texte aus dem frühen 17. Jahrhundert, in denen die Furcht vor „social inversion“, also einer fundamentalen Verkehrung der gesellschaftlichen Hierarchien zum Ausdruck kommt; zweitens um den Earl of Thomond, einen gälischen Aristokraten, der jedoch durch seine Loyalität zur englischen Krone während des Neunjährigen Krieges seine Machtposition ausbauen konnte; und drittens um den Earl of Clanricard, dem es sogar gelang, zusätzlich zu seinem irischen Titel den englischen Titel eines Earl of St Albans zu erwerben und somit Mitglied der irischen und der englischen Peerage zugleich zu sein. In diesem Kapitel analysiert Kane auch Stammbäume, die der Earl of Thomond und andere irische Adlige anfertigen ließen. Ein störender editorischer Fehler ist hierbei, dass die Abbildungen falsch nummeriert wurden, so dass die Verweise im Text nicht mehr stimmen. Das sechste Kapitel befasst sich mit Ehre unter dem Aspekt der Präzedenz, die etwa bei Prozessionen und Parlamentssitzungen berücksichtigt werden musste. Hier hat die gesamtbritische Perspektive Kanes eine besondere Stärke: Er zeigt, welche Schwierigkeiten entstanden, wenn etwa im irischen Parlament irische Peers und englische königliche Abgesandte aufeinandertrafen, oder wenn im Londoner Parlament englische soziale Aufsteiger, die irische oder schottische Titel erworben hatten, beanspruchten, nicht als einheimische Kleinadlige, sondern als ausländische Hochadlige behandelt zu werden.

Das siebte und letzte Kapitel widmet sich dem Vizekönig Thomas Wentworth, Earl of Strafford. Im Mittelpunkt stehen seine Konflikte mit den Eliten Irlands, zum einen mit dem Earl of Clanricard, zum anderen mit dem (aus England stammenden) Lordkanzler Irlands, Adam Loftus. Auch wenn Kane betont, dass nach 1641 im Verhältnis zwischen England und Irland die beide Länder übergreifende Kultur der Ehre nicht verschwunden sei, so unterstreicht er doch, dass seither religiöse, ethnische und nationale Gegensätze dieses Verhältnis stärker geprägt hätten. Ein Diskurs, in dem die Iren als „savages“, als Wilde galten, unter denen es Ehrenmänner somit nicht geben könne, setzte sich in England durch; die englische Herrschaft setzte fortan stärker auf Siedlungspolitik und den Import loyaler Eliten als auf die Zusammenarbeit mit den einheimischen Führungsschichten. Diese Traditionslinie, so Kane, habe in der historischen Rückschau jene Phase der versuchten und oft auch gelungenen Integration und Assimilation der Aristokratien verdeckt.

Kane benutzt wie Peltonen die Unterscheidung von horizontaler und vertikaler Ehre, die auf den Ethnologen Frank Henderson Stewart zurückgeht.2 Während die vertikale Ehre sich auf den Respekt bezieht, der sozial Höherstehenden geschuldet wird, geht es bei der horizontalen Ehre um die gegenseitige Anerkennung als Mitglieder einer Gruppe von Ranggleichen, also etwa von Adligen untereinander. Kane zeigt, dass die Frage „Was ist Ehre?“ eng mit der Frage „Was ist Adel?“ zusammenhängt; abweichende Ehrkonzepte bedingen auch divergierende Sichtweisen darauf, wer der Adel ist. Verschiedene Ehrkonzepte und Ehrdiskurse, das machen Kanes Untersuchungen deutlich, konkurrierten miteinander, überlagerten und durchdrangen sich. Ehre konnte ebenso aufgefasst werden als kriegerische Tapferkeit wie als ererbte, auf edler Abkunft, guter Herrschaft oder einer Kombination von beidem beruhende Qualität sowie schließlich als vom König verliehene Auszeichnung. Ehre erscheint somit in Brendan Kanes Studie mitnichten als residuales Element einer mittelalterlichen Adelskultur, das im Laufe der frühneuzeitlichen Staatsbildung zurückgedrängt worden wäre, sondern vielmehr als zentrale Kategorie, in der Rangordnungen ausgedrückt und Kämpfe um Macht, Einfluss und Ansehen in dieser gesamtbritischen Monarchie ausgetragen wurden.

Zwei Punkte streicht Kane jenseits des engeren Themas Ehre besonders heraus. Zum einen ist dies der europäische Charakter des frühneuzeitlichen Irland, das sich vom Kontinent und von England weniger stark unterschieden habe, als frühere Forschungen suggeriert hätten. Er betont dabei die Hybridität und kulturelle Durchlässigkeit der Kultur auf den Britischen Inseln im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert. Zutage tritt nicht, wie im traditionellen Bild, eine irische Peripherie, die von einer englischen Zentrale militärisch überwältigt, administrativ durchdrungen und kulturell assimiliert wurde, sondern ein Irland, in dem Individuen ihre Identitäten aus Versatzstücken verschiedener historisch-kultureller Schichten („Gaelic“, „Old Englisch“, „New English“) zusammensetzten und ihre Karrieren manchmal auf beiden Seiten der Irischen See verfolgten. Zum anderen insistiert Kane darauf, dass eine getrennte Geschichtsschreibung für England und Irland (in der Tudor-Zeit) bzw. für England, Irland und Schottland (in der Stuart-Zeit) nicht sinnvoll sei. Vielmehr müsse eine gesamtbritische Perspektive eingenommen werden, die auch und gerade die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Reichen betont.

Insgesamt ist Brendan Kane eine Studie gelungen, die Ehre als ein Leitfossil politischen, sozialen und kulturellen Wandels in Irland von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts behandelt.

Anmerkungen:
1 Markku Peltonen, The Duel in Early Modern England. Civility, Politeness and Honour, Cambridge 2003.
2 Frank Henderson Stewart, Honor, Chicago 1994.

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