M. al-Maqdissi u.a. (Hrsg.): Hauran V

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Titel
Hauran V. La Syrie du Sud du néolithique à l’Antiquité tardive. Recherches récentes. Actes du colloque de Damas 2007, vol. 1


Herausgeber
al-Maqdissi, Michel; Braemer, Frank; Dentzer, Jean-Marie
Reihe
Bibliothèque archéologique et historique 191, 1
Anzahl Seiten
X, 574 S.
Preis
€ 65,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Daubner, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Der Hauran im Süden Syriens ist eine historische Kulturlandschaft von sehr charakteristischem und individuellem Zuschnitt. Schon das bevorzugte Baumaterial, der schwarze Basalt, hebt die Gegend vom Rest der antiken Welt ab. Die Basaltbauten haben für uns Altertumswissenschaftler den Vorteil, dass sie nahezu unzerstörbar sind; und so standen große Teile der antiken Bebauung bis in die Neuzeit aufrecht und stehen heute noch, die Wohnhäuser sind zum Teil sogar wieder bewohnt, seit das jahrhundertelang nur von Beduinen durchstreifte Land im 18. Jahrhundert von neuem besiedelt wurde. Fünf Städte gab es hier in der Antike – Bostra, Kanatha (Qanawat), Adraa (Deraa), Soada-Dionysias (Suweida) und Shahba-Philippopolis; weiterhin sind mehr als 300 kleinere Siedlungen nachweisbar, zum Teil mit in beträchtlichem Maße erhaltener Bausubstanz. Aus dem Hauran stammen um die 4.000 griechische und lateinische Inschriften, obwohl die Anzahl der hier lebenden Griechen oder Römer verschwindend gering gewesen sein muss. Die Wirtschaft der sehr ländlich geprägten Gegend beruhte auf Viehzucht und Ackerbau; hier war eine der Kornkammern des kaiserzeitlichen Rom, seit der Süden Syriens 95 n.Chr. der Provinz Syria und später der 106 eingerichteten Provinz Arabia zugeschlagen wurde. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde die Haurangegend intensiv und resultatreich untersucht. Erst 1974 konnten die Arbeiten fortgesetzt werden. Mit dem Erscheinen des Bandes Hauran I im Jahre 19851 geriet die Gegend in das Blickfeld der Fachöffentlichkeit; der Band zeigte die Wege für das weitere Vorgehen auf. Die damals vorhandenen punktuellen Informationen zu einigen Orten können nun durch die fast flächendeckenden Oberflächenuntersuchungen und Grabungen zu einem wesentlich dichteren Bild der Kulturlandschaft zusammengefügt werden.

Im Jahre 2007 fand in Damaskus eine große Hauran-Konferenz statt, die als Résumé des in den vergangenen 30 Jahren Erreichten angelegt war. Die vorliegende Publikation enthält die europäischsprachigen Beiträge; ein Teilband mit den arabischen Artikeln soll folgen. Die 36 Beiträge sind in zehn thematischen Sektionen angeordnet. Einer Einführung über die Pflanzenwelt folgen zwei Beiträge, die neue Erkenntnisse zur prähistorischen Besiedlungsphase besonders anhand der Untersuchungen des Tell Aswad vorstellen. Die mit acht Beiträgen umfangreichste Sektion behandelt die städtischen und ländlichen Siedlungen der historischen Zeit, die man hier mit der Bronzezeit beginnen lässt. Prominent ist der Fall von Labwe, einer befestigten bronzezeitlichen Siedlung in der Ledja, dem Basaltplateau des Hauran. Sie ist die einzige Siedlung der südlichen Levante, deren Plan in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v.Chr. wir kennen. Ausführlich und gehaltvoll ist der folgende Überblick zur Siedlungsgeschichte der Ledja von der Eisenzeit bis zur römischen Eroberung. Ein Ledja-Survey war zuletzt eines der Hauptprojekte in der Erforschung der Region, und gerade hier ist noch viel zu tun und zu erreichen. Im Fokus der folgenden beiden Artikel stehen die Städte: Hier geht es immer noch darum, durch eine verbesserte relative Chronologie die baulichen Entwicklungen und damit die komplexe Stadtorganisation zu verstehen. Es wird auf die früheren Phasen in Shahba hingewiesen, das oft als völlige Neuschöpfung des Kaisers Philippus nach dem Muster einer republikanischen Kolonie dargestellt wird. Erstmals wird zudem ein umfangreiches Inventar der antiken Überreste Adraas, des modernen Deraa, vorgestellt.

Die Heiligtümer des Hauran standen seit jeher im Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, da sie baulich gut fassbar sind und so viele Besonderheiten aufweisen, dass bisweilen gar ein hauranischer Stil postuliert wird. Zudem sind sie wichtige Zeugnisse für die immer relevante Frage nach dem Übergang von der hellenistischen in die römische Zeit. Einem Überblicksbeitrag folgen fünf Artikel zu den Heiligtümern in Kanatha und den bedeutenden christlichen Kultgebäuden in Bostra. Der in semiariden Zonen lebensnotwendigen Frage nach der Wasserversorgung sind drei Beiträge gewidmet, die das Nymphäum von Kanatha, die Bäder in Selaema sowie die Aquädukte von Bostra und Adraa vorstellen. Der Bereich der Nekropolen wird mit einem Überblick über die für die Region typischen prähistorischen Dolmengräber eingeleitet; es folgen Beiträge zu Kanatha und Soada. Ein weiterer Überblicksbeitrag zu „Monuments funéraires et société dans le Hauran“ ist lediglich als Abstract enthalten. Da bereits eine entsprechende Monographie vorliegt2, wird er in arabischer Sprache im zweiten Band erscheinen.

Den spezifischen Werkstoff Basalt betrachtet die nächste Sektion. Einem Beitrag zu den technischen Besonderheiten der Basaltbearbeitung und des Bauens mit Basalt folgen zwei Beiträge zur hauranischen Basaltplastik, die eine faszinierende und nicht leicht zu verstehende Kategorie der antiken Bildhauerkunst darstellt: ein Überblick und eine Untersuchung der Tierdarstellungen. Die epigraphische Sektion besteht entgegen den Erwartungen fast nur aus einer allerdings sehr hilfreichen Abhandlung zu den nabatäischen Inschriften des Hauran. Es werden fünf neue Texte vorgestellt sowie eine Liste der bereits publizierten Beispiele gegeben. Der Beitrag zu den griechisch-römischen Inschriften folgt auf Arabisch in Teilband 2.3 Die Münz- und Metallsektion stellt spätantike Grabbeigaben aus Qrayya und einen byzantinischen Schatzfund aus as-Sanamein vor. Schließlich folgt in der Sektion zur Keramik ein äußerst hilfreicher Überblick zur lokalen Keramik vom 2. Jahrhundert v.Chr. bis zum 6. Jahrhundert n.Chr. Die Keramik Südsyriens stellt eine der großen Herausforderungen bei der Untersuchung dieser Landschaft dar, denn oft ist sie angesichts der Jahrhunderte hindurch gleichbleibenden Bautechnik der Basalthäuser und der extrem langen Nutzung derselben der einzige chronologische Hinweis. Aber dafür müssen eine Typologie und eine relative Chronologie erarbeitet werden.

Der Band bietet einen hervorragenden Überblick zur Hauran-Forschung der letzten Jahrzehnte. Vieles ist gerade auf dem Gebiet der Siedlungsgeschichte erreicht worden, von einem umfassenden Verständnis der antiken Kulturen im Süden Syriens sind wir aber noch weit entfernt; zahlreiche Fragen sind nach wie vor offen, die vor allem die dörflich geprägte Siedlungsstruktur, das Zusammenleben der verschiedenen sesshaften und nomadischen Völker und die Rolle der Heiligtümer betreffen. Weiterhin bleiben ökonomische Probleme zu klären, etwa das Verhältnis von Landwirtschaft, Viehzucht und Handel. Auch wüssten wir gern mehr darüber, wie sich die regionalen Traditionen zu den überregionalen Einflüssen verhalten, die durch die Integration der Hauranregion in größere kulturelle Zusammenhänge und politische Machtkomplexe wie die Reiche der Seleukiden, Nabatäer, Hasmonäer, Römer und Umayyaden wirksam wurden. So bleibt auch nach einem Jahrhundert Forschung für Archäologen, Epigraphiker, Numismatiker und Naturwissenschaftler viel zu tun.

Anmerkungen:
1 Jean-Marie Dentzer (Hrsg.), Hauran I. Recherches archéologiques sur la Syrie du Sud a l’époque hellénistique et romaine, 2 Bde, Paris 1985 und 1986.
2 Annie Sartre-Fauriat, Des tombeaux et des morts. Monuments funéraires, société et culture en Syrie du Sud du Ier siècle av. J.-C. au VIIe siècle apr. J.-C., Paris 2001.
3 Maurice Sartre, Apports nouveaux de l’épigraphie grecque et romaine. Sartre arbeitet derzeit an einer Neuauflage der Inscriptions grecques et latines de Syrie XIII (Bostra) und an den Bänden XIV–XVI, die die Inschriften des Hauran beinhalten sollen, vgl. <http://www.ifporient.org/node/458> (Stand: 21.10.2009).

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