E. Fox-Genovese u.a.: Slavery in White and Black

Titel
Slavery in White and Black. Class and Race in the Southern Slaveholders’ New World Order


Autor(en)
Fox-Genovese, Elizabeth; Genovese, Eugene D.
Erschienen
Anzahl Seiten
332 S.
Preis
€ 16,57
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Simon Wendt, Abteilung Amerikanistik, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Diese innovative Studie von Eugene Genovese und Elizabeth Fox-Genovese ist das bislang letzte Produkt einer seit mehr als 40 Jahren andauernden Erforschung der Geschichte des Südens der USA vor dem amerikanischen Bürgerkrieg. Dabei haben sowohl Eugene Genovese als auch seine vor kurzem verstorbene Frau vor allem die Sozialgeschichte von Sklav/inn/en und Sklavenhalter/inne/n sowie die Ideengeschichte dieser Region erforscht. Insbesondere die Spannungen zwischen kapitalistischen und anti-kapitalistischen Tendenzen innerhalb der Gesellschaft des Südens waren wiederholt Thema ihrer Arbeiten. Innerhalb dieses Kontexts hat sich Eugene Genovese immer wieder mit den Versuchen intellektueller Südstaatler auseinandergesetzt, die Sklaverei in den Jahrzehnten vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs zu rechtfertigen.

Die hier vorliegende Studie setzt diese Tradition fort und konzentriert sich in einer quellengesättigten Mischung aus Sozial- und Ideengeschichte auf diese intellektuelle Verteidigung der Sklaverei. Während viele Historikerinnen und Historiker solche Rechtfertigungsversuche häufig als propagandistische Abwehrrhetorik des Südens abgetan haben, nehmen Genovese und Fox-Genovese die Ideen dieser Denker ernst und untersuchen vor allem die intellektuellen Widersprüche in ihren Schriften. Ihre Studie konzentriert sich auf das zentrale Argument der Sklavereiapologeten, dass eine auf Sklaverei basierende Gesellschaftsform einer freien kapitalistischen Gesellschaft überlegen sei, welches schlussendlich bedeutete, dass sowohl schwarze als auch weiße Menschen versklavt werden könnten.

Diese Schlussfolgerung, welche von Genovese und Fox-Genovese als „slavery in the abstract“ bezeichnet wird, war eine logische Konsequenz der wichtigsten Annahmen der Sklavereiapologeten über den Kapitalismus und die Sklaverei. Laut diesen Annahmen, ging es Sklaven im Süden zum einen besser als der freien Arbeiterschaft in kapitalistischen Gesellschaften. Zum anderen wurde Sklaverei als humaneres und stabileres Sozialsystem angesehen. Schließlich wurde immer wieder argumentiert, dass Sklavenhalter ihre Verantwortung als gute Christen ernst nähmen, indem sie ihre Sklaven Zeit ihres Lebens materiell unterstützten. Die unausweichliche, wenn auch sehr abstrakte Schlussfolgerung dieser Überlegungen war, dass christliche Zivilgesellschaften bestimmte Formen von Sklaverei akzeptieren müssten, um die „soziale Frage“ und damit verbunden Konflikte zwischen Kapitalismus und Arbeiterschaft zu vermeiden. Während die meisten Verteidiger der Sklaverei dieses Argument nur andeuteten, gab es durchaus intellektuelle Südstaatler, wie zum Beispiel George Fitzhugh aus Virginia und Henry Hughes aus Mississippi, die dieses Argument explizit formulierten und verteidigten.

Genovese und Fox-Genovese versuchen nun in ihrer Studie herauszufinden, ob solch eine extreme Form der Rechtfertigung von unfreier Arbeit unter Sklavenhaltern und solchen Südstaatlern, die keine Sklaven besaßen, wahrgenommen oder gar unterstützt wurde. Sie kommen zu dem Schluss, dass das „slavery in the abstract“-Argument – obwohl es von einem kleinen Teil der gesellschaftlichen Elite des Südens formuliert wurde – alle gesellschaftlichen Gruppen der Region erreichte. Dies geschah in Form von Reden, Pamphleten, Büchern und Zeitungen, welche eine weite Verbreitung dieser Idee sowohl unter Sklavenhaltern und weißen Farmern also auch unter Arbeitern in urbanen Gegenden der Region sicherstellten. Genovese und Fox-Genovese geben zu, dass keine dieser Gruppen ernsthaft die Versklavung von weißen Menschen forderte oder in Betracht zog. Sie können jedoch beweisen, dass die von einigen wenigen Denkern formulierte Idee eine weitere Verbreitung erfuhr, als bisher angenommen.

Grundsätzlich geht es den beiden Autoren aber auch in erster Linie darum, die Widersprüchlichkeiten dieses Gedankenguts im Kontext der Spannungen zwischen kapitalistischen und anti-kapitalistischen Ideologien aufzudecken. In diesem Zusammenhang zeigen sie gekonnt die intellektuellen Leerstellen dieser Rechtfertigungsversuche auf. So vernachlässigten die Verteidiger der Sklaverei sowohl die unwiderlegbare Existenz von Armut unter weißen Südstaatlern als auch die zahlreichen anderen sozialen Probleme, welche die scheinbar so harmonische und moralisch überlegene Gesellschaft des Südens plagten (zum Beispiel Korruption und Prostitution). Als eine der größten intellektuellen Kurzsichtigkeiten sehen Genovese und Fox-Genovese die Tendenz der Apologeten der Sklaverei an, den enormen Freiheitsdrang der Sklaven zu unterschätzen. Diese akzeptierten ihre Unterdrückung entgegen des Wunschdenkens von Sklavenhaltern mehrheitlich nicht und bewiesen dies nachdrücklich nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahr 1861 durch Arbeitsverweigerung und Massenflucht.

„Slavery in White and Black“ stellt einen beeindruckenden Versuch dar, traditionelle analytische Dichotomien zu durchbrechen, welche die Forschung zum alten Süden der USA lange charakterisiert haben und dies teilweise noch tun. Wie in vielen anderen ihrer Schriften zeigen Genovese und Fox-Genovese in dieser Studie, dass im alten Süden kapitalistische und anti-kapitalistische Ideologien in einem ständigen Spannungsverhältnis zueinander standen, welches zu einem Ideologiegemenge führte, das beide intellektuelle Strömungen miteinander zu vereinen versuchte.

Dennoch bleiben nach der Lektüre dieses Buches einige Fragen unbeantwortet. So kann die Studie nicht beweisen, dass die intellektuellen Verteidiger der Sklaverei tatsächlich für die Mehrheit von Sklavenhaltern sprachen. Auch die Frage, ob weiße Arbeiter und solche Farmer, die keine Sklaven besaßen, die „slavery in the abstract“-Idee tatsächlich ernst nahmen, bleibt ungeklärt. Genovese und Fox-Genovese erklären diesbezüglich jedoch, dass die problematische Quellenlage die Beantwortung dieser Frage äußerst schwierig macht. Schließlich hätte man sich eine gründlichere Analyse der Kategorie „Rasse“ gewünscht. Genovese und Fox-Genovese erwähnen zwar, dass die Anfänge eines immer populärer werdenden wissenschaftliche Rassismus die Ideen von Fitzhugh, Hughes und anderen Südstaatendenkern wahrscheinlich beeinflusste, sie verzichten jedoch auf eine tiefer gehende Analyse der versteckten Rassekonzepte, die sich durch deren Schriften zogen. Solch eine Analyse hätte unter Umständen zutage gebracht, dass das „slavery in the abstract“-Argument viel stärker auf dem Konzept „Rasse“ beruhte, als Genovese und Fox-Genovese dies zugeben wollen. Diese Kritikpunkte sollen jedoch nicht von der beeindruckenden Forschungsleistung ablenken, die diese Studie darstellt. Sie wird eine wichtige Grundlage für zukünftige Versuche sein, die weiße Gesellschaft des alten Südens besser zu verstehen.

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