C. Sagona: Looking for Mithra in Malta

Cover
Titel
Looking for Mithra in Malta.


Autor(en)
Sagona, Claudia
Reihe
Interdisciplinary Studies in Ancient Culture and Religion 10
Erschienen
Anzahl Seiten
XVI, 121 S.
Preis
€ 40,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Klingenberg, Historisches Institut, Universität zu Köln

Die Insel Malta war bislang so etwas wie ein weißer Fleck auf der Karte der Verbreitung des Mithraskultes im Römischen Reich.1 Diese Lücke möchte Claudia Sagona mit ihrem hier vorzustellenden Buch füllen, in dem sie nach maltesischen Belegen für den Mithraskult sucht. Immerhin war der kaiserzeitliche Mysterienkult im gesamten Römischen Reich verbreitet, und wegen der strategischen Lage Maltas wurde die Insel wohl häufig von Schiffen aller Art angelaufen. Daher liegt es nahe, den Kult auch in Malta zu vermuten; gezielt danach gesucht wurde aber bisher nicht.

In ihrer kurzen Einleitung legt die Autorin zunächst die Grundlinien des römischen Mithraskultes dar und versucht zugleich, die Forschungslage zusammenzufassen. Dies ist ihr nur partiell geglückt, es spielt für ihr eigentliches Ziel aber auch keine große Rolle. Mit Roger Beck (und anderen) hält sie die Kommagene für den Entstehungsort der Mithrasmysterien, die dann über die ‚üblichen Kommunikationswege‘, also hauptsächlich durch römische Soldaten, nach Rom und von dort nach Malta gelangt seien.2

Da keine epigraphischen Belege für die Verehrung von Mithras in Malta gefunden wurden, sucht die Verfasserin zunächst ikonographische Hinweise. Einige Darstellungen kann sie mit größerer Sicherheit mit Mithras in Zusammenhang bringen, etwa ein Relief aus Mdina, das die Initiation eines jungen Mannes in den Kult zeigt, wie der Vergleich mit einer Wandmalerei aus einem Mithräum in Santa Maria Capua Vetere in Kampanien verdeutlicht.3 Ebenso sind die drei Reiterfigurinen aus Rabat, die eine phrygische Mütze tragen, als Mithrasdarstellungen zu verstehen. Sie sind allerdings in Gräbern gefunden worden und können somit kaum als eindeutiger Beleg für die Kultausübung bzw. das Vorhandensein eines Mithräums herhalten. Das weitverbreitete ikonographische Element in Mithräen, die Stiertötung, kommt nicht vor.

Aufs Ganze besehen ist die Ausbeute an sicher zuordenbaren Stücken ziemlich gering; Sagona trägt vielmehr einiges Material zusammen, dessen Zuordnung zum Mithraskult im Einzelnen unsicher oder sogar fragwürdig ist. Das betrifft etwa Tonfiguren von Rindern oder Hähnen, die für sich genommen keine Aussage bezüglich des Mithraskults erlauben, auch wenn diese Tiere andernorts auf eindeutig diesem Kult zuzurechnenden Darstellungen abgebildet sind. Gleiches gilt für das Fragment einer liegenden Meeres- oder Flussgottheit. Zwar zeigt ein Mithrasrelief aus Ruse in Bulgarien4 eine solche Figur, wesentlich häufiger aber erscheinen Darstellungen dieser Art in anderen Kontexten. Vielleicht sollte man an dieser Stelle betonen, dass Malta eine Insel bzw. Inselgruppe im Mittelmeer ist, und dass sich hierin viel eher ein Anknüpfungspunkt für die Deutung anbietet. Völlig hypothetisch ist der Versuch, einzelne Palmzweige als möglichen Beleg für die Existenz eines Mithraskultes am jeweiligen Ort zu werten, was die Verfasserin aber offenbar für ein eindeutiges Merkmal hält (z.B. S. 34). Überhaupt wirken die meisten Bildmotive als Indizien sehr weit hergeholt und überinterpretiert. Hier war wohl auch der Wunsch Vater des Gedankens. Erschwerend tritt als Manko die oft nicht besonders gute Qualität der Abbildungen hinzu. Vielfach werden keine Fotos reproduziert, sondern nur von der Verfasserin selbst angefertigte Umzeichnungen geboten, die in den meisten Fällen leider nicht von zeichnerischem Talent zeugen. Aber auch auf den tatsächlich abgedruckten Fotos ist nicht immer das zu erkennen, was Sagona auf den Monumenten zu sehen glaubt.

In einem zweiten Schritt versucht die Autorin, architektonische Hinweise für mögliche Kultstätten zu finden. Mithräen waren typischerweise höhlenartig unter der Erde angelegt. Auf Malta gibt es nicht wenige unterirdische Räume aus römischer Zeit, deren Deutung offen oder zumindest fraglich ist. Unter diesen macht Sagona sage und schreibe 30 potentielle Mithräen aus, 14 in ländlichem und 16 in städtischem Kontext. Allerdings bleibt es bei den meisten Räumen unsicher, ob man darin Mithräen oder nicht doch eher christliche Katakomben erblicken soll. Die von der Autorin herangezogenen ikonographischen Indizien – wie die erwähnten einzelnen Palmwedel – reichen als Argument wohl kaum aus. Die Gestaltung der subterranen Anlagen liefert nur wenig Anhaltspunkte; ob etwa die Existenz von Sitzbänken als Argument zur Bestimmung der Räume als Mithräen ausreicht, kann man durchaus in Zweifel ziehen.

Alles in allem hinterlässt der Band einen zwiespältigen Eindruck. Der nicht unbedingt üppige Umfang von 58 Text- und 48 Abbildungsseiten wirft die Frage auf, ob ein Aufsatz in einer archäologischen Zeitschrift nicht die geeignetere Publikationsform gewesen wäre. Der Autorin ist zwar zugute zu halten, dass sie ihre Schlussfolgerungen relativ vorsichtig formuliert. So fällt auch ihr Fazit sehr zurückhaltend aus: Als einzige sichere Erkenntnis hält sie fest, dass der Gott Mithras seinen Weg nach Malta gefunden hat (S. 57). Alles Weitere bleibt jedoch hypothetisch. Dass also der Mithraskult auf Malta eine größere Verbreitung fand, ist zwar möglich, aber aus der derzeitigen Überlieferungslage nur bedingt abzuleiten. Die wenigen vergleichsweise haltbaren Belege deuten eher auf eine weitgehend private Verehrung denn auf zahlreiche Kultgemeinden hin. Dies würde zur üblichen und nicht ganz grundlos erhobenen Deutung passen, nach der insbesondere die Soldaten die Ausbreitung des Kultes getragen hätten. Malta dürfte nach der Eroberung durch die Römer 218 v.Chr. nämlich kaum einen Soldaten mehr gesehen haben. Am Ende ihrer Studie formuliert die Verfasserin schließlich noch die Hoffnung, auch andernorts könne durch analoge Untersuchungen bislang nicht dem Mithraskult zugeordnetes Material entdeckt werden. Dass die von Claudia Sagona vorgestellte und eingesetzte Methodik in der Form dafür ausreicht, wagt der Rezensent angesichts der genannten Probleme indes zu bezweifeln.

Anmerkungen:
1 Maarten J. Vermaseren, Corpus Inscriptionum et Monumentorum Religionis Mithriacae (= CIMRM), 2 Bde., Den Haag 1956–1960 verzeichnet etwa kein einziges Zeugnis für den Mithraskult in Malta.
2 Roger Beck, The Mysteries of Mithras: A New Account of Their Genesis, in: Journal of Roman Studies 88 (1998), S. 115–128. Eine Entstehung in der Stadt Rom ist im Übrigen keine These von Manfred Clauss allein (Mithras. Kult und Mysterien, München 1990), wie Sagona meint (S. 1, Anm. 4), sondern wurde schon vorher von Reinhold Merkelbach vertreten, dessen Mithrasbuch (Mithras, Königstein 1984; 2. Aufl., Weinheim 1994, mehrfach nachgedruckt) der Verfasserin offensichtlich unbekannt ist; vgl. auch schon Maarten J. Vermaseren, Mithras in der Römerzeit, in: ders. (Hrsg.), Die orientalischen Religionen im Römerreich, Leiden 1981, S. 96–120.
3 Maarten J. Vermaseren, Mithriaca I. The Mithraeum at S. Maria Capua Vetere, Leiden 1971, Taf. XXII.
4 CIMRM II 2272 (mit Abb. 632).

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