Titel
Black Beauty. Aesthetics, Stylization, Politics


Autor(en)
Tate, Shirley Anne
Erschienen
Farnham 2009: Ashgate
Anzahl Seiten
188 S.
Preis
€ 69,59
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Philipp Dorestal, Historisches Seminar, Universität Erfurt

Rassismus funktionierte historisch nicht nur über die Entwertung kultureller Errungenschaften von Schwarzen und „People of Color“, sondern enthielt als zentrales Element immer auch die Abwertung schwarzer Körper. Insofern waren antirassistische Kämpfe – besonders in den USA der 1960er-Jahre im Zuge der Bürgerrechtsbewegung – gleichzeitig Kämpfe um die Revalorisierung ästhetischer Konzepte und Begriffe. Der Mitte der 1960er-Jahre im Zuge der sogenannten Black-Power-Bewegung aufkommende Slogan „Black is beautiful“ markierte die selbstbewusste Neubestimmung von Schwarzsein, das vormals in der US-amerikanischen Gesellschaft mit einer langen rassistischen Tradition der Abwertung von African Americans als „hässlich“ in die nationale Schönheitskultur eingeschrieben wurde. Insbesondere die Auseinandersetzungen um afroamerikanisches Haar sind dafür ein Beispiel. In den 1960er-Jahren gab es bei African Americans eine gebräuchliche Unterteilung der Haare in „bad hair“ als krauses und „good hair“ als glattes Haar. Dies zeigt, dass Schwarzsein negativ konnotiert wurde und diese Zuschreibung so stark in den damaligen gesellschaftlichen Diskursen verankert war, dass auch African Americans selbst diese Bezeichnungen gebrauchten und damit rassistische Vorstellungen von Schönheit internalisierten. Denn diese Unterteilung signalisierte: Je glatter das Haar, desto besser, weil es so weißem, als glatt imaginiertem Haar stärker glich und somit näher an den weißen Schönheitsstandard heranreichte.1 Die Hegemonie dieses weißen Schönheitsstandards wurde erst mit dem Aufkommen der Bürgerrechtsbewegung und der Black-Power-Bewegung gebrochen. Beide bezogen sich nun vermehrt positiv auf das eigene Schwarzsein und ließen Weißsein höchstens als negativen Bezugspunkt zu.

Während es jedoch bereits einige historische Untersuchungen über schwarze Schönheitskonzepte in den 1960er- und 1970er-Jahren gibt, die sich insbesondere mit schwarzem Hairstyling auseinandersetzen2, analysiert Shirley Anne Tate in ihrem Buch „Black Beauty: Aesthetics, Stylization, Politics“ zeitgenössische schwarze Schönheitskonzeptionen. Dabei greift sie auf Interviews zurück, die sie mit jungen schwarzen Frauen vor allem aus der Karibik und aus Großbritannien geführt hat.

Die Autorin legt in der Einleitung ihren theoretischen Zugang auf den Komplex „schwarze Schönheit“ dar. In ihrer Konzeptionalisierung bezieht sich Tate hauptsächlich auf die Performativitätstheorie von Judith Butler, zieht darüber hinaus jedoch auch postkoloniale Theoretiker wie Homi Bhabha heran. In Anlehnung an Butlers These, dass Geschlecht performativ hergestellt wird, da es beständig inszeniert und wiederholt werden muss, begreift Tate Schwarzsein ebenso als performativ. Ein Mensch sei dementsprechend nicht einfach schwarz und bleibe dies für immer, sondern genau dieses Schwarzsein (ebenso wie Weißsein) müsse erst performativ inszeniert und reiteriert werden, um gesellschaftlich anerkannt zu werden. Zur Illustration zieht Tate die verschiedenen Schönheitspraktiken heran, die dazu dienen, den Körper zu stylen. Sie spricht deshalb auch von „stylization“. Beispielsweise gibt es unterschiedliche Arten, das Haar zu frisieren, wie Corn Rows, Afro etc. Schönheit ist deshalb, so Tate in Anlehnung an Butler, nicht etwas, was man hat, sondern was man tut. Sie spricht deshalb auch von „doing beauty“.

Im ersten Kapitel hinterfragt Tate die weit verbreitete Annahme, dass Schönheit „von Innen“ käme. Dafür analysiert die Autorin die klassische Philosophiegeschichte in Bezug auf Ästhetik. Einen großen Raum nimmt hier Kants „Kritik der Urteilskraft“ ein, in der dieser die Kriterien von Schönheit reflektiert hatte. Obwohl Kant zunächst einen neutralen, auf objektiven Kriterien beruhenden Schönheitsstandard entwickelte, zeigt sich bei genauerer Analyse, dass Kant rassistische und eurozentrische Vorstellungen hegte, die seine Erwägungen implizit strukturierten. Die Autorin unterzieht Kants Überlegungen nicht nur einer kritischen, durch postkoloniale Theorie geschulten Analyse, sondern belegt ihre Ausführungen auch mithilfe des von ihr gewonnenen ethnografischen Materials. Was Tate aus den analysierten Interviewpassagen immer wieder herausdestilliert, ist, dass der Gehalt dessen, was als schön gilt, niemals unabänderlich und stabil ist, sondern permanent neu ausgehandelt wird. Die Rede von der „inneren Schönheit“ liest Tate als eine Form der sozial konstruierten und sanktionierten Art, mit dem Stigma einer als defizitär konstruierten Schönheit umzugehen, die dem schwarzen Körper oftmals noch zugeschrieben wird, während es gleichzeitig auch eine Kritik an einer oberflächlichen, am äußeren Erscheinungsbild orientierten Konzeption von Schönheit ist. Tate unterstreicht dabei den hybriden Charakter von Schönheit.

Während in der Literatur zu schwarzer Schönheit die Vorstellung immer noch weit verbreitet ist, dass geglättetes Haar den Wunsch ausdrücke, „weiß“ zu sein, so zeigt Tate, dass diese Interpretation die wesentliche Bedeutung verfehle, die dieser Hairstyle für viele Frauen habe. Vielmehr wird aus Tates Interviews deutlich, dass der weiße Schönheitsstandard für schwarze Frauen schon lange nicht mehr der alleinige oder hegemoniale Referenzrahmen ist, sondern vielmehr der Wunsch im Vordergrund steht, einen neuen Style auszuprobieren. Dies ist auch Tates zentrale These: Die unterschiedlichen Schönheitspraktiken, ob es sich nun um Frisuren, Hautbleichung oder etwas anderes handelt, seien nicht verschiedene Arten des Versuches, „weiß“ zu werden und damit Ausdruck einer Entfremdung vom Schwarzsein. Es gehe vielmehr darum, etwas Neues zu inszenieren. Die Autorin argumentiert weiter, dass Hairstyles wie auch andere Formen von Schönheitspraktiken performative Akte seien, die niemals bloße Imitation, sondern durch ihre Wiederholung immer schon eine Verschiebung und Veränderung seien. Das bedeutet konkret, dass etwa geglättetes Haar bei African Americans keine bloße Reproduktion weißen Haares ist, sondern eine eigene Form der Stilisierung des schwarzen Körpers. Sicherlich kann der Wunsch, weißes Haar zu imitieren, dabei vorhanden sein. Tate betont demgegenüber jedoch, dass die Motivationen für bestimmte Schönheitspraktiken keinesfalls einheitlich, sondern äußerst disparat seien.

Ein anderer Aspekt der Schönheitskultur, der in einem weiteren Kapitel des Buches behandelt wird, ist die Bedeutung der verschiedenen Hautschattierungen bei schwarzen Frauen. Tate beschreibt die sogenannte „Pigmentokratie“ früherer schwarzer Sklavenhaltergesellschaften, die in Kolonie und Metropole gleichermaßen existierte. Der Grad „weißen Blutes“ diente zur sozialen Distinktion der Gesellschaft. Mit hellerer Haut wurden von den weißen Sklavenhaltern oftmals bestimmte Privilegien gewährt. Die schwarze Bevölkerung wurde so entlang von Hautfarbe zu stratifizieren versucht, um ein einheitliches schwarzes Bewusstsein zu verhindern. Denn ein solches Gemeinschaftsgefühl hätte durch die Gefahr eines Zusammenschlusses und gemeinsamen Kampfes aller Schwarzen über alle Hautschattierungen hinaus für die Aufrechterhaltung der Sklaverei gefährlich werden können. Auch diese wertende Zuordnung der Hautfarbe – in diesem Fall mit der Konnotation von weiß als positiv – wurde teilweise von den Sklavinnen und Sklaven internalisiert.

Für das 20. Jahrhundert stellt Tate jedoch weitgehende Veränderungen dieser „Pigmentokratie“ fest, die sich je nach Kontext unterscheiden. Das Beispiel Jamaika belegt, dass dort eine braune Hautpigmentierung und darüber hinaus Braunsein nach der Unabhängigkeit 1962 zu einer Kategorie der Respektabilität wurde. Anhand der Miss-Jamaica-Schönheitswettbewerbe zeichnet die Autorin nach, wie Schwarzsein nach der „Black is Beautiful“-Ära in den 1970er-Jahren auf Jamaika als Ort der Austragung von nationaler Identitätspolitik fungierte. Die jeweilige Miss Jamaica diente dabei als Gradmesser dafür, inwieweit das jahrhundertealte Stigma, das an schwarze Haut geknüpft war, getilgt werden konnte. Deshalb zeigen die Diskussionen um den Schönheitswettbewerb exemplarisch, wie nationale Identität und Fragen von Hautfarbe mit transnationalen afrikanischen Diasporen verknüpft sind. „Braun werden“ und als braun „durchgehen“ beziehen sich in Jamaika nicht nur auf Phänotypen, denn nach der Unabhängigkeit in Jamaika wurde „Braunsein“ mit dem Laufe der Jahre als Zeichen von Respektabilität angesehen. „Braun werden“ konnte man somit durch einen gesellschaftlich anerkannten Lebensstil.

An Tates Arbeit überzeugen insbesondere der transnationale Referenzrahmen und die theoretische Ausarbeitung. Die Autorin beschränkt sich nicht nur auf afroamerikanische Konzeptionen von schwarzer Schönheit, sondern bezieht Beispiele aus der Karibik und Europa mit ein. Tate verkompliziert und differenziert darüber hinaus das Bild von schwarzen Schönheitspolitiken, indem sie mit dem theoretischen Zugriff auf Performativität zeigen kann, dass schwarze Stilisierungen des Körpers nicht (nur) und nicht immer der Imitation eines hegemonialen weißen Schönheitsstandards diene, sondern die Veränderungen des schwarzen Körpers oftmals einer eigenen Logik gehorchen, die stark je nach Kontext variieren.

Kritisch anmerken ließe sich, dass Tates Interpretation der Interviews an einigen Stellen etwas übertrieben wirkt, wenn etwa bestimmte Sprechpausen in der Transkription der Gespräche markiert und tiefenpsychologisch gedeutet werden. Aufschlussreich wäre es zudem gewesen, wenn die Autorin den Zusammenhang von schwarzer Schönheit und Konstruktionen von Männlichkeit untersucht hätte. Dies hätte Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Vergleich mit ihren Ergebnissen ergeben können, die sie bei ihrer Untersuchung schwarzer weiblicher Schönheit erlangt hatte. Dennoch bleibt als Fazit, dass Tates Studie ein innovativer und definitiv lesenswerter Beitrag zu einer Neukonzeptionalisierung von Entwürfen schwarzer Schönheit ist.

Anmerkungen:
1 Vgl. Kobena Mercer, Black hair/Style Politics, in: ders., Welcome to the Jungle. New Positions in Black Cultural Studies, New York 1994, S. 97-128.
2 Vgl. etwa: Maxine Craig, ‘Ain’t I a Beauty Queen?’ Black Women, Beauty, and the Politics of Race, Oxford 2002; Robin Kelley, Nap Time. Historicizing the Afro, in: Fashion Theory. The Journal of Dress, Body and Culture, (1997), Jg. 1, Heft 4, S. 339-351.

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