J. Petersohn: Kaisertum und Rom in spätsalischer und staufischer Zeit

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Titel
Kaisertum und Rom in spätsalischer und staufischer Zeit. Romidee und Rompolitik von Heinrich V. bis Friedrich II.


Autor(en)
Petersohn, Jürgen
Reihe
Monumenta Germaniae Historica. Schriften 62
Erschienen
Anzahl Seiten
LVI, 424, 8 S.
Preis
€ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Romedio Schmitz-Esser, Mittelalterliche Geschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München

Schon lange fehlte ein konzises, rundum zuverlässiges Werk zum Verhältnis zwischen Römern, Papst und Kaiser im 12. Jahrhundert. Dieses für die Geschichte der Stadt Rom mit der Entstehung der Kommune so entscheidende Jahrhundert lag zwar von jeher im Zentrum der Forschung, doch wurde bisher kaum die diffizile Wechselwirkung von kaiserlichem, päpstlichem und städtischem Rombild mit dem konkreten Handeln der Akteure nachgezeichnet. Dies gelingt nun Jürgen Petersohn, der mit dem vorliegenden Werk eine eingehende Untersuchung des komplexen Verhältnisses zwischen Kaisertum und Römern vorlegt, wobei er die unterschiedlichsten Ebenen übersichtlich und doch ohne Schärfeverlust nebeneinander stellt.

Solch ein Werk konnte nur einem Historiker gelingen, der sich bereits seit Jahrzehnten mit der Materie eingehend auseinandergesetzt hat, und so greift Petersohn auch umfangreich auf seine eigenen Studien zurück,1 die er in einem großen Faden von den späten Saliern bis zum Ende der Stauferzeit zusammenknüpft. Dabei tritt zunächst die passive und wenig kenntnisreiche Haltung Heinrichs III. und Heinrichs IV. gegenüber Rom hervor, der Petersohn einen radikalen Wechsel unter Heinrich V. entgegenstellt, welcher innerhalb seiner stadtrömischen Partner bereits klarer differenzierte. Der Herrscherwechsel und die instabilen Verhältnisse innerhalb Roms, die gerade die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts kennzeichneten, ließen eine konsequente Weiterführung dieser Ansätze unter Lothar III. allerdings nicht zu. Immerhin erlaubt der Brief der Römer an Lothar von 1130, den Petersohn selbst einst ins Licht der Forschung rückte,2 einen Blick auf das sich gerade jetzt rasch wandelnde Selbstverständnis der Stadtbevölkerung. Viel ausführlicher als die bisherige Forschung geht Petersohn in einem eigenen Abschnitt dem Rombegriff bei Paulus Diaconus nach, warnt aber zugleich vor dessen Lesung als Aufruf zur Romerneuerung.

Die folgenden Kapitel von der renovatio senatus über Konrad III. bis zum Ende der Herrschaft Friedrichs I. Barbarossa stellen das eigentliche Herz des Buches dar, das gerade der langen Regierungszeit Friedrichs besondere Aufmerksamkeit widmet. Differenziert zeichnet Petersohn darin die Entstehung des Senats, seine wiederholte Kontaktaufnahme mit den beiden Staufern sowie die einschneidenden Veränderungen mit der Kaiserkrönung Barbarossas 1155 nach. Hat man bisher auf Basis der Römerbriefe an König Konrad III. stärker den Bruch der beiden Seiten betont, da Konrad jede Mitwirkung der Römer bei der Erhebung zum Kaiser ablehnte, unterstreicht Petersohn Konrads Anerkennung der Römer als Ansprechpartner vor Ort, womit er ja zugleich die Bildung der kommunalen Selbstverwaltung sanktionierte. Für Konrad waren damit die Römer wie die Bürger der Städte Ober- und Mittelitaliens „Reichsuntertanen“. Aus dieser Sicht wird der Konstanzer Vertrag mit dem Verbot direkter Kontaktaufnahme zu den Römern zur Aufgabe kaiserlicher Positionen.

Eine besondere Stärke der Studie stellt die eingehende Untersuchung des römischen Adels und seiner Stellung in internen und äußeren Angelegenheiten der Stadt im 12. Jahrhundert dar. Insbesondere für die Zeit Friedrichs I. erweitert sich so das komplexe Wechselspiel zwischen Kommune, Kaiser und Papst um die Positionen der verschieden ausgerichteten adeligen Familien. Ein besonderes Anliegen Petersohns ist die Verknüpfung der römischen Verhältnisse mit dem größeren Rahmen der politischen Ereignisgeschichte. So gelang es Barbarossa Ende der 1150er-Jahre, den Papst in Rom durch Verhandlungen mit der Kommune unter Druck zu setzen, woraufhin sich dieser an die oberitalienischen Städte wandte, was zu den bekannten Frontstellungen der folgenden Jahrzehnte führte. Entsprechend zeichnet Petersohn auch die Ereignisse rund um die schismatische Papstwahl von 1159 aus römischem Blickwinkel nach. Dabei macht er deutlich, dass die Erhebung Viktors IV. nur ein indirektes Ergebnis der kaiserlichen Politik im Kirchenstaat gewesen ist, nicht aber auch aktiv von Barbarossa geplant worden war. Erst mit dem Tod Viktors IV. kam es in Rom zum Umschwung zugunsten der alexandrinischen Partei. Mit dem militärischen Sieg von 1167 und dem trotz der Katastrophe des kaiserlichen Heeres tragfähigen Vertrag mit den Römern begann eine starke kaiserliche Dominanz in und um Rom, die erst mit den Verträgen von Anagni und Venedig 1176/77 endete. Die eigenständige Position der Römer wird besonders deutlich, als der zuvor prokaiserliche römische Adel und der Senat sich nun umgekehrt der vom Kaiser betriebenen Restitution von Herrschaftsrechten an Papst Alexander III. entgegenstellten. Erst im letzten Jahrzehnt von Barbarossas Regierungszeit kam es erneut zu einem kaiserlichen Umdenken, bei dem man gegen die päpstliche Position an die alten Parteigänger anknüpfte, zu denen jedoch neuerdings auch die Familie Frangipane zählte, die sich eine Stärkung ihrer Positionen im Kirchenstaat erhoffte und damit ein Beispiel für die rasanten Parteiwechsel und zahllosen Eigeninteressen im römischen Machtgefüge gibt. Bei einem resümierenden Blick auf das Verhältnis Friedrichs I. zu Rom konstatiert Petersohn das Zurücktreten seiner „Romidee“ in der zweiten Hälfte von Barbarossas Herrschaftszeit, der nun in Bezug auf die angestrebte reale Machtausübung in Rom abgeklärter agierte; dies sei aber „kein Wechsel des Ziels, sondern des Stils“ (S. 332). Friedrich sei es stets darum gegangen, „die Inkongruenz zwischen Bezeichnung und Sache auszugleichen, den Namen wieder mit den ihm gebührenden Inhalt zu füllen“ (S. 329); der Papst sei in diesem Konzept quasi zum Reichsbischof degradiert worden. Heinrich VI. schneidet in dieser Sicht Petersohns weniger glanzvoll ab; während seiner Regierung habe er mit Rom keine solch hochtrabenden Ziele wie sein Vater verfolgt. Freilich ließe sich ja gerade hierin auch der Lernprozess Heinrichs betonen, der ja bereits unter Friedrich I. Erfahrungen in Rom sammelte, die eine zu enge Wechselwirkung mit der doch relativ unbedeutenden Stadt gerade vor seinem vergrößerten Aktionsradius in Italien besser zu vermeiden gelehrt haben mögen. Ein Ausblick auf Friedrich II. schließt den Band ab; dabei betont Petersohn, dass für diesen Rom nur kurzzeitig – nämlich Ende der 1230er-Jahre (Aufstellung des Mailänder Carroccio auf dem Kapitol) – im Brennpunkt seiner Politik stand.

Petersohns Studie ist klar formuliert, und freilich ließe die manchmal fragile Quellenbasis mitunter auch andere Sichtweisen zu. Es entsteht mit dieser Untersuchung aber ein ausgezeichneter Leitfaden zum Verhältnis zwischen Papst, Kaiser und Römern, der der Forschung bislang fehlte. Die künftige Forschung ist dazu aufgerufen, hier weiterzudenken und Petersohns Ergebnisse zu hinterfragen, etwa bei Rückschlüssen aus dem Brief Eugens III. an Wibald von Stablo über eine Verschwörung in Rom von 1152, den man doch wohl weniger als Tatsachenbericht (S. 137f.) sehen kann, sondern dessen Situativität zu betonen wäre, diente er doch offensichtlich der indirekten Aufforderung zu Friedrichs Romzug. Damit verböten sich aber Rückschlüsse auf die Situation in Rom selbst, die sich ansonsten auch tatsächlich in den Quellen nicht greifen lassen. Zudem ließe sich grundsätzlicher fragen, ob die konkrete Romherrschaft überhaupt eine so zentrale Rolle für die Kaiser spielte;3 Petersohn zufolge handelt es sich hierbei ja gerade für Friedrich I. um ein handlungsleitendes Motiv seiner Politik (etwa S. 34, 216f.).

Doch dies sind nur Überlegungen für weitere Ansätze der Forschung zum Thema. Petersohns Studie stellt mit ihrer klaren, überlegt abgewogenen und überaus kenntnisreichen Darstellung einen wesentlichen Referenzpunkt der Forschungen zu Rom und zum Verhältnis von Kaiser und Papst zur ewigen Stadt im 12. Jahrhundert dar. Sie schließt damit nachhaltig eine bislang bestehende Lücke der rombezogenen Forschung.

Anmerkungen:
1 Jürgen Petersohn, Kaiserliche Skriniare in Rom bis zum Jahre 1200, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 75 (1995), S. 1–31 und Ders., Capitolium conscendimus. Kaiser Heinrich V. und Rom, Stuttgart 2009. Vgl. auch Anm. 2.
2 Ders., Der Brief der Römer an König Lothar III. vom Jahre 1130. Überlieferung – Text – Absenderschaft, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 50 (1994), S. 461–507.
3 So zuletzt prononciert Jochen Johrendt, Barbarossa, das Kaisertum und Rom, in: Burkhardt, Stefan u.a. (Hrsg.), Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert. Konzepte – Netzwerke – politische Praxis, Regensburg 2010, S. 75–107.

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