Cover
Titel
Friendly Enemies. Britain and the GDR, 1949-1990


Autor(en)
Berger, Stefan; LaPorte, Norman
Erschienen
Oxford 2010: Berghahn Books
Anzahl Seiten
364 S.
Preis
£53.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marianne Howarth, School of Arts and Humanities, Nottingham Trent University

Zwanzig Jahre nach der Herstellung der deutschen Einheit und damit dem Untergang der DDR sowie dem Ende der Rolle Großbritanniens als einer der Vier Mächte mit Verantwortlichkeit für Berlin füllt diese Studie eine Lücke in der Literatur zum Thema der Beziehungen zwischen Großbritannien und der DDR. Bei Analysen der Beziehungen der DDR zu westeuropäischen Ländern ist es häufig der Fall, dass der Schwerpunkt sich auf die Anerkennungskampagne der 1960er- und frühen 1970er-Jahre richtet und dass dabei der Zeitraum bis 1989/90 außer acht gelassen wird. Eine besonders willkommene Eigenschaft dieses Werkes ist es, dass Berger und LaPorte einen detaillierten und exzellent geforschten Überblick über die Entwicklung der Beziehungen sowohl vor wie auch nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen im Jahre 1973 zu Stande gebracht haben.

Neun Jahre intensiver Arbeit in den wichtigsten staatlichen Archiven in Großbritannien und Deutschland, wie auch der Bearbeitung persönlicher, also unveröffentlichter, Archive und Dokumentensammlungen, und fast dreißig Interviews mit Zeitzeugen flossen in das Buch ein, das vier Hauptkapitel aufweist, die um eine Einleitung und ein abschließendes Kapitel ergänzt werden.

In der Einleitung werden die für das Verständnis der späteren Beziehungen zwischen Großbritannien und der DDR notwendigen Voraussetzungen kurz dargelegt: erstens der Kontext nach dem Zweiten Weltkrieg für die Beziehungen mit Deutschland als Ganzes und mit der Bundesrepublik als westlichem Partner, und dessen Bedeutung für Großbritanniens Haltung zur SBZ/DDR und für die DDR-Perzeption Großbritanniens; zweitens der institutionelle Rahmen, innerhalb dessen die beiden Staaten ihre Beziehungen zueinander gestaltet haben. Abschließend werden der gegenwärtige Stand der Forschung zu diesem Thema und die Struktur der folgenden Kapitel kurz beschrieben.

Im ersten Kapitel handelt es sich um den veränderten deutschlandpolitischen Kontext, mit dem sich die 1945 gewählte Labour-Regierung zurecht finden mußte, und der zu Beginn des Kalten Krieges die britische Politik dem geteilten Deutschland und der Sowjet-Union gegenüber bestimmte. In diesem Kapitel werden die Grundlagen für die Gestaltung der Beziehungen auf offizieller, institutioneller und persönlicher Ebene und deren Polarisierung im Ost-West-Gegensatz erklärt. Auf Regierungsebene sorgte die britische Rolle bei der Teilung Deutschlands und die britische Unterstützung für die neue Bundesrepublik für großes Unbehagen innerhalb der eigenen Reihen. Auch innerhalb der Gewerkschaftsbewegung entwickelten sich ganz unterschiedliche Haltungen, die durch den strengen Antikommunismus des Trades Union Congress (TUC) auf der einen Seite und den sowjetfreundlichen Standpunkt einzelner Gewerkschaften auf der anderen charakterisiert wurden. Freunde des neuen „anderen“ deutschen Staates gab es auch in der KPGB. Vor allem in den 1950er-Jahren versuchte die DDR, diese verschiedenen Gruppen durch Argumente zu gewinnen, die sich gegen die westdeutsche Wiederbewaffnung richteten. Obwohl es auch andere Interessenten und Gruppen gab, für die zum Beispiel die Handelsmöglichkeiten mit der DDR attraktiv waren, befanden sich diese in der Minderheit, und dieses Kapitel macht es sehr deutlich, dass die Geschichte der Beziehungen zwischen Großbritannien und der DDR vorwiegend als Geschichte der Beziehungen zwischen der britischen Linken und der DDR zu verstehen ist.

Das zweite Kapitel behandelt den Zeitraum 1955-1973, also von der Proklamierung der Zwei-Staaten-Theorie bis zur diplomatischen Anerkennung der DDR. Über die Entwicklungen auf Vier-Mächte- und deutschlandpolitischer Ebene und die verschiedenen Etappen der Anerkennungskampagne während dieser Zeit haben andere Autoren wie Henning Hoff1 schon ausführlich geschrieben. Berger und LaPorte bauen auf dieser Grundlage auf und ergänzen unser Wissen durch die sorgfältige Arbeit in den Archiven und die Interviews mit Zeitzeugen. Vor allem für das Gebiet der Gewerkschaftsbeziehungen wird viel neues Material gebracht. Interessant dabei ist aber die Tatsache, dass die meisten britischen Gewerkschaftler, die bereit waren, auf die Einladungen zu einem Besuch in einem FDGB-Ferienheim bzw. zu einem Studienaufenthalt in der DDR einzugehen, sozusagen DDR-Enthusiasten und daher außer Tritt mit dem offiziellen Kurs ihrer Dachorganisation, dem TUC, waren, die bis 1972 eine Politik der strikten Ablehnung der DDR verfolgte. Insofern blieb das Ziel der DDR, durch ein positives Image breite Teile der britischen öffentlichen Meinung zu erreichen und für die DDR zu gewinnen, ohne großen Erfolg.

Im dritten Kapitel wird über die Entwicklung der Beziehungen während der ersten Jahre des diplomatischen Verhältnisses geschrieben. Die Normalisierung der Beziehungen wurde anfänglich vom Klima der Entspannung weitgehend positiv beeinflußt, obwohl das Ausbleiben der erhofften Erhöhung des Handelsvolumens eine Enttäuschung für die britische Regierung bedeutete, und die Bestrebungen auf britischer Seite, den kulturellen Austausch zu erweitern, eine Herausforderung für die DDR waren. Berger und LaPorte beschäftigen sich aber weniger mit dem Verlauf der Beziehungen auf diplomatischer Ebene während dieser Zeit – ein Mangel in dieser sonst so umfangreichen Darlegung – sondern eher mit der Rolle der politischen Parteien, der Gewerkschaften, der protestantischen Kirche, der Freundschaftsgesellschaft, der Friedensbewegung und der britischen Medien im Kontext des neuen Ost-West-Verhältnisses. In der Schlußfolgerung zu diesem Kapitel werden die ersten Jahre der bilateralen Beziehungen als „gescheiterter Durchbruch“ charakterisiert, eine angebrachte Bezeichnung für eine Situation, wo im Grunde genommen die Zielsetzungen unterschiedlich und miteinander unvereinbar waren.

Das letzte Hauptkapitel umfaßt die Zeit von 1979 bis 1990; 1979 markiert die Wahl Margaret Thatchers zum Amt des britischen Prime Ministers, 1980 der Amtsantritt Ronald Reagans und die Rückkehr beider Regierungen zu einer anti-kommunistischen Offensive den Ausbruch eines zweiten Kalten Krieges. Die Strategie der DDR, in der britischen öffentlichen Meinung ein positives Bild zu verbreiten, änderte sich zwar nicht, aber sie versuchte, dieses Ziel durch andere Mittel zu erreichen. So schildern Berger und LaPorte zum Beispiel die Kontakte auf parlamentarischer Ebene über die Interparlamentarische Union, die während den 1980er-Jahren zu einer Reihe von gegenseitigen Besuchen führten. Gleichzeitig aber ließ die Unterstützung im britischen Parlament für die DDR allmählich nach, teilweise, weil die führenden Persönlichkeiten in der Britain-GDR Parliamentary Group selbst aus dem Parlament ausschieden, teilweise, weil die DDR wegen ihrer Ablehnung von Gorbachevs Reformpolitik zum Gegenstand der Kritik wurde. Die Britain-GDR Parliamentary Group, die 1965 gegründet worden war, um die Beziehungen mit der DDR zu fördern und die Anerkennungskampagne zu unterstützen, wurde 1986 aufgelöst. Außerhalb des Parlaments pflegte die DDR Kontakte zu Hochschullehrern, zu Kommunalpolitikern, zur britischen Friedensbewegung und zur protestantischen Kirche. Mit der offiziellen Freundschaftsgesellschaft, the Britain-GDR Society hatte die DDR wegen der eurokommunistischen Haltung ihres Vorstandes ein zunehmend schwieriges Verhältnis, so gewannen diese Kontakte an Bedeutung für die DDR. Auch versuchte sie, die Zahl der Städtepartnerschaften zu vergrößern und diese auf einer formellen vertraglichen Basis auszugestalten. Trotz einiger Fortschritte in diesem Bereich, zum Beispiel die Städtepartnerschaft zwischen Manchester und dem „sächsischen Manchester“ Karl-Marx-Stadt, war die DDR bei diesem Bestreben schließlich nicht besonders erfolgreich, hauptsächlich weil die britischen Städte mit Besuchen in beiderseitiger Richtung rechneten, Gegenleistungen der DDR jedoch ausblieben.

Berger und LaPorte schließen diese Kapitel mit einigen Bemerkungen über die mangelnde Bereitschaft dieser DDR-Freunde ab, das SED-Regime unkritisch zu unterstützen. Sie gingen davon aus, dass die politische Führung der DDR für das Scheitern ihres Staates verantwortlich war. Diese Einsicht verband sich mit einer tiefen Enttäuschung: „In the midst of the GDR’s collapse, fatalism and pessimisim mingled with sadness that the object of their endeavours was about to disappear...“ (S.290)

In ihrem Abschluß ziehen Berger und LaPorte aus der Geschichte der Beziehungen zwischen Großbritannien und der DDR einige Schlußfolgerungen für die deutsch-britischen Beziehungen im Kontext des Kalten Krieges. Hier argumentieren sie, dass trotz der offiziellen Unterstützung für die deutsche Wiedervereinigung es der britischen Regierung nicht schwer fiel, die Existenz von zwei deutschen Staaten nach 1945 zu akzeptieren und nach Möglichkeiten zu suchen, das Gleichgewicht im Kalten Krieg zu stabilisieren. Daher begrüßte sie die Neue Ostpolitik der 1970er-Jahre. Was die DDR betraf, war die britische Haltung durch Desinteresse charakterisiert. Trotz ihrer zahlreichen Versuche, ihr Image in Großbritannien zu verbessern, gelang dies der DDR nicht. Wie Berger und LaPorte bemerken, wurde die Aufmerksamkeit für die DDR im Laufe der Jahre auch deshalb immer kleiner, weil die antifaschistische Haltung der DDR auch weniger interessant war, und sie mit der Anerkennung ihrer Existenz der Entspannung in Europa nicht mehr im Wege stand. Als die DDR endgültig verschwand, gab es wenige in Großbritannien, die um das Verschwinden des „real existierenden Sozialismus“ trauerten.

Anmerkung:
1 Henning Hoff, Großbritannien und die DDR 1955-1973. Diplomatie auf Umwegen, München 2003.

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