R. Kirwan: Empowerment and Representation at the University

Cover
Titel
Empowerment and Representation at the University in Early Modern Germany. Helmstedt and Würzburg, 1576-1634


Autor(en)
Kirwan, Richard
Reihe
Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 46
Erschienen
Wiesbaden 2009: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
364 S.
Preis
€ 98,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Steffen Hölscher, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte, Georg-August-Universität Göttingen

Die frühneuzeitliche Universitätshistoriographie hat sich spätestens seit den 1970er-Jahren erfolgreich von einer gelegentlichen und vor allem jubiläumsorientierten Betätigung Einzelner zu einem eigenständigen Forschungsfeld emanzipieren können. Wichtige Arbeiten Notker Hammersteins, Laetitia Boehms, Peter Moraws oder Peter Baumgarts eröffneten seinerzeit neue Blicke auf die Geschichte der Hochschulen und legten so das Fundament für eine Universitätsgeschichtsschreibung modernen Zuschnitts.1 Gleichsam als kulturwissenschaftliche Fortsetzung der älteren Arbeiten Peter Baumgarts zu den Universitäten Helmstedt und Würzburg liegt nun mit Richard Kirwans Dubliner Dissertation Empowerment and Representation erstmals eine systematische Betrachtung verschiedener Repräsentationspraktiken zweier unter dem Eindruck der Konfessionalisierung im Alten Reich gegründeter Universitäten vor. Dass sich die 1576 bzw. 1582 inaugurierten Hochschulen Helmstedt und Würzburg dank ähnlicher Gründungsvoraussetzungen für eine vergleichende Gegenüberstellung hinsichtlich ihrer Selbstdarstellung und ihres Autonomiegrades eignen, gilt bereits als Ertrag der älteren Forschung.2

Beginnend mit einer chronologischen Einführung in den vor allem deutschsprachigen Forschungsstand gliedert Kirwan sein Unterfangen, die historiographische Lücke einer „in-depth and systematic analysis of the image-fashioning process and its development at new universities of the early modern period“ (S. 26) schließen zu wollen, in fünf größere Teilbereiche auf. Dabei sind es die Praktiken universitärer und territorialherrschaftlicher Repräsentation und die darum gruppierten Aushandlungsprozesse, die der Verfasser im Sinne des New Historicism Stephen Greenblatts in den Mittelpunkt seiner vergleichenden Analyse stellt. So werden die Inaugurationsfeiern beider Universitäten, die Darstellung akademischer Übergangsriten, die Entwicklung professoraler Vergemeinschaftung in Form von Hochzeiten, die symbolische Bedeutung von Universitätsbauten und deren Einweihungsfeierlichkeiten sowie die Verschränkung akademischer und herrschaftlicher Selbstdarstellung innerhalb eines gut sechzig Jahre umfassenden Zeitraumes miteinander kontrastiert und in den Kontext der Selbstbestimmungsbestrebungen frühneuzeitlicher Universitäten gestellt. Während es vor allem zahlreiche zeitgenössische Drucke dem Verfasser erlauben, einen intensiven Blick auf die protestantische Universität Helmstedt von der Gründung durch Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel 1576 bis zum Tod seines Enkels Herzog Friedrich Ulrich 1634 zu werfen, ist der Betrachtungszeitraum hinsichtlich der Universität Würzburg auf die Anfangsjahre unter dem Universitätsstifter Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn 1582 bis 1617 beschränkt.

Seine Kernthese bringt der Verfasser im ersten thematischen Kapitel deutlich auf den Punkt, indem er am Beispiel der beiden sehr unterschiedlich dokumentierten Inaugurationsfeierlichkeiten in Helmstedt und Würzburg die Interdependenzen und Aushandlungsprozesse zwischen obrigkeitlicher und universitärer Repräsentation offenlegt. So sei für die Landesherren des Alten Reiches zwar die Gründung einer eigenen Universität schon unter dem Einfluss des Humanismus im späten 15. Jahrhundert und der dadurch bedingten weltlicheren Ausrichtung der akademischen Curricula von Bedeutung gewesen, weil sie einen entscheidenden Beitrag zur Festigung territorialer Herrschaft durch die Ausbildung dazu benötigter Juristen, Mediziner und Theologen geleistet habe. Nach der Reformation und dem Augsburger Religionsfrieden habe sich jedoch die Rolle der Universitäten auch zu der von Agenten der Konfessionalisierung gewandelt. Dies habe sie zu einem bedeutenden Instrument der Landesherren im Bemühen um konfessionelle Orthodoxie und Homogenität im eigenen Territorium und darüber hinaus werden lassen. Der festliche Inaugurationsakt erfuhr mithin seit dem späten 16. Jahrhundert einen Funktionswandel über die Darstellung landesherrlicher Machtverhältnisse hinaus. Gerade an protestantischen Universitäten betonte er auch die Legitimation der akademischen Institutionen und Gruppen durch den Landesherrn deutlicher, als dies in vorreformatorischer Zeit notwendig und üblich gewesen war. Im Gegensatz zu den Würzburger Verantwortlichen war man sich im protestantischen Helmstedt dieses Umstandes durchaus bewusst: Während kein veröffentlichter Bericht von den Inaugurationsfeierlichkeiten in Würzburg vorliegt, dokumentierte man in Helmstedt mit der sorgfältig geplanten Herausgabe einer gedruckten Historica Narratio drei Jahre nach den Inaugurationsfeierlichkeiten nicht nur, dass man sich der Notwendigkeit einer ausführlichen Darstellung des Verhältnisses zwischen stiftendem Landesherrn und durch ihn eingesetzter akademischer Korporation bewusst war, sondern dass diese Veröffentlichung auch die Grundlage eines erfolgreichen empowerment darstellte. Gleichzeitig versuchten beide Seiten auf diese Weise, sich die Deutungshoheit über die inneren und äußeren Machtverhältnisse der welfischen Landesuniversität zu sichern.

Wie Kirwan an seinen weiteren Themenkomplexen zeigen kann, gehörte es zum spezifischen Repräsentationsprogramm beider Neugründungen, nicht nur einzelne Gesichtspunkte ihrer öffentlichen Darstellung je nach Anlass hervorzuheben, sondern verschiedene Repräsentationspraktiken immer wieder miteinander zu kombinieren. Im einsetzenden universitären Wettbewerb um Studierende, Lehrende und konfessionelle Deutungshoheit musste dabei dem reputation-fashioning ein herausgehobener Stellenwert beigemessen werden, denn „the success of a new university was dependent on its capacity to compete for recognition in various prestige economies“ (S. 85). Dass eine erfolgreiche Teilnahme an diesem Wettbewerb auch im Interesse des Universitätsgründers war, der so eine Rückwirkung auf sein eigenes Prestige erwarten konnte, liegt auf der Hand. Um diesen Prestigezuwachs dauerhaft konservieren zu können, beteiligte sich der Landesherr durch Förderung ‚seiner‘ Universität und die kontinuierliche mediale Repräsentation dieses Mäzenatentums letztlich auch an der akademischen Selbstdarstellung. Für die beiden betrachteten Universitäten stellt Kirwan fest, dass Herzog Julius und der Würzburger Fürstbischof „maximised the representational return from the university by engaging in an intense and persistent sponsorship of the institution“ (S. 276). Ein solches Wechselspiel zwischen akademischen und landesherrschaftlichen Selbstdarstellungsinteressen erweist sich als handfestes Instrument frühneuzeitlichen Hochschulmarketings.

Dieser von Kirwan konstatierte stillschweigende „patronage contract“ (S. 272) zwischen Fürst und Universität diente beiden Seiten: „Its existence reveals an inter-dependence where the support of the university was required by the prince to legitimate the representation of his power and where in turn the patronage of the ruler was needed by the university to ensure its success.“ (S. 278) Dass sich dieser Patronagevertrag trotz institutioneller Ähnlichkeiten an beiden betrachteten Universitäten unterschiedlich entwickelte, stellt einen Hauptertrag von Kirwans Arbeit dar. Zeugnisse akademischer Gemeinschaft und eines akademischen Selbstbewusstseins finden sich für die katholische Universität Würzburg weitaus seltener, als dies für Helmstedt der Fall ist. Diese Tatsache schreibt der Autor nicht nur der Quellenlage zu, sondern macht deren Ursprung unter anderem auch an der Tatsache fest, dass eine „subservient unwillingness on the part of the professors to ‚compete‘ with the Prince-Bishop for representational advantage from these events“ (S. 279) vorgeherrscht habe. In Helmstedt hingegen ermöglichte die Balance zwischen den Repräsentationsinteressen beider Seiten die Entwicklung einer selbstbewussten akademischen Gemeinschaft.

Detailreich und mit einer Vielzahl von gedruckten Quellen untermauert stellt Empowerment and Representation einen nahezu vollständigen Katalog universitärer Selbstdarstellung im Kontext obrigkeitlicher Repräsentationsinteressen für zwei Universitätsgründungen des konfessionellen Zeitalters dar. Besonders Kirwans Beobachtungen zur öffentlichen Darstellung Helmstedts als Familienuniversität sowie zur Universitätsarchitektur als Repräsentationsmedium werfen Licht in Bereiche, die von der Forschung bislang wenig beachtet wurden. Ein umfangreicher Abbildungsteil rundet das insgesamt solide Bild ab. Leider jedoch setzt Kirwans Wahl des methodischen Rahmens seinem Vorhaben Grenzen. Ein nähere Betrachtung von – auch bei den von ihm beschriebenen Aushandlungsprozessen mit Sicherheit nachweisbaren – Konflikten zwischen Landesherren und Institutionen oder Universitäten und ihrem urbanen Umfeld, wie dies beispielsweise in den Arbeiten von Thomas Weller oder Marian Füssel der Fall ist3, hätte den Ertrag seiner Analyse noch steigern können. Dennoch liefert Empowerment and Representation einen wertvollen Beitrag zur Geschichte von Repräsentationspraktiken an vormodernen Universitäten, zur Ausbildung eines akademischen Selbstverständnisses und somit zur weiteren Entwicklung einer kulturwissenschaftlichen Universitätsgeschichtsschreibung.

Anmerkungen:
1 Z.B.: Notker Hammerstein, Humanismus und Universitäten, in: Ulrich Muhlack / Gerrit Walther (Hrsg.), Res publica litteraria. Ausgewählte Aufsätze zur frühneuzeitlichen Bildungs-, Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, Berlin 2000, S. 72-86 [zuerst 1981]; Laetitia Boehm, Der ‚actus publicus‘ im akademischen Leben. Historische Streiflichter zum Selbstverständnis und zur gesellschaftlichen Kommunikation der Universitäten, in: Gert Melville u.a. (Hrsg.), Geschichtsdenken, Bildungsgeschichte, Wissenschaftsorganisation. Ausgewählte Aufsätze von Laetitia Boehm anlässlich ihres 65. Geburtstages, Berlin 1996, S. 675-693 [zuerst 1972]; Peter Moraw, Aspekte und Dimensionen älterer deutscher Universitätsgeschichte, in: ders., Gesammelte Beiträge zur deutschen und europäischen Universitätsgeschichte. Strukturen, Personen, Entwicklungen, Leiden 2008, S. 3-54 [zuerst 1982]; Peter Baumgart, Universitätsautonomie und landesherrliche Gewalt im späten 16. Jahrhundert: Das Beispiel Helmstedt, in: ders., Universitäten im konfessionellen Zeitalter. Gesammelte Beiträge, Münster 2006, S. 203-237 [zuerst 1974].
2 Vgl. Peter Baumgart, Universitätsgründungen im konfessionellen Zeitalter: Würzburg und Helmstedt, in: ders., Universitäten im konfessionellen Zeitalter, S. 61-83 [zuerst 1976].
3 Thomas Weller, Theatrum Praecedentiae. Zeremonieller Rang und gesellschaftliche Ordnung in der frühneuzeitlichen Stadt: Leipzig 1500-1800, Darmstadt 2006; Marian Füssel, Gelehrtenkultur als symbolische Praxis. Rang, Ritual und Konflikt an der Universität der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2006.

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