A. Klopsch: Geschichte der Juristischen Fakultät der Universität Berlin

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Titel
Die Geschichte der Juristischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin im Umbruch von Weimar.


Autor(en)
Klopsch, Angela
Reihe
Berliner Juristische Universitätsschriften Grundlagen des Rechts 44
Anzahl Seiten
363 S.
Preis
€ 44,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Felz, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Zehn Jahre nach einer umfangreichen Dissertation 1 über die Juristische Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin „im Umbruch von 1933“ erschien 2009 die Untersuchung von Angela Klopsch über dieselbe Fakultät „im Umbruch von Weimar“. Mit dieser unglücklich formulierten verräumlichten Zeitangabe wird aber wider Erwarten nicht der Zeitraum von 1918 bis 1933 abgesteckt, sondern die Fakultätsentwicklung vom „Abend des Ersten Weltkrieges“ bis ins Jahr 1923 nachgezeichnet. Oder wie es an anderer Stelle prägnanter heißt: Es gehe „um den Umbruch von 1918“ (S. 23). Dies wäre sicherlich auch die passende Formulierung für den Titel gewesen.

Angela Klopsch will eine „Fakultätsgeschichte“ schreiben und – in Anlehnung an Peter Moraw – jeweils chronologisch aufgebaut eine institutionelle, personelle, fachwissenschaftliche und „mitweltbezogene“ Analyse liefern, wobei sie sich erstaunlicher Weise auf Martin Heidegger beruft. Die Arbeit ist eingeteilt in drei inhaltliche Großkapitel: Nach der „Einleitung“ folgt ein „Geschichtlicher Überblick“ und schließlich der Hauptteil, betitelt „Die Weimarer Republik“.

Der historische „Überblick“ reicht zurück bis zur Universitätsgründung im Jahr 1810. Hier reiht Angela Klopsch bauliche neben „gesellschafts- und sozialpolitischen Veränderungen“, zum Beispiel das Frauenstudium, universitäre Festakte und Tagungen der Hochschullehrer aneinander. Eine systematische Gliederung ist hier nicht zu erkennen. Auch das Literaturverzeichnis ist lückenhaft. Die „umstrittene“ (Klopsch) Frage nach der sozialen Herkunft der Studenten im Kaiserreich (S. 36) kann zweifelsfrei mit dem „Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte“ oder der ebenfalls nicht aufgeführten Gesellschaftsgeschichte Hans-Ulrich Wehlers beantwortet werden.

Einen besonders großen Raum nehmen „Die Deutschen Reden in schwerer Zeit“ ein. Klopsch versucht aber keine quellenkritische Kontextualisierung dieser Kriegsreden. Seitenlang werden direkte Zitate oder Paraphrasierungen der Ansprachen des Berliner Kirchen- und Strafrechtlers Wilhelm Kahl ausgebreitet. Statt einer Interpretation folgen neun Attribute zur Beschreibung der Persönlichkeit Kahls durch Zeitgenossen.

Schwerwiegender ist aber ihre Annahme, dass „der deutsche Professor der Zeit nach 1871 unpolitisch [war] und konservativ“ (S. 47). Klopsch übernimmt damit unkritisch das Selbstverständnis der „deutschen Mandarine“, welche die Wissenschaft zwar als (partei-)politisch neutral sahen, aber von der Wirkungs- und Gestaltungskraft ihrer Ideen umso fester überzeugt waren.2 Folgerichtig sind in dieser Arbeit nur die Parlamentarier (Franz von Liszt oder eben Wilhelm Kahl) die politisch aktiven Professoren. Dieses Verständnis wird aber den Wechselverhältnissen von Wissenschaft und Politik sowie dem Selbstverständnis der Wissenschaftler als sozialer Elite nicht gerecht.3 Gesellschaftlichem Einfluss, der in Vereinigungen und Zirkeln ausgeübt wurde, geht Klopsch nur am Rande nach („Mittwochabend-Kreis“, „Freie Vaterländische Vereinigung“ oder die Zusammenschlüsse der Hochschullehrer in der Weimarer Republik). Dieser Einfluss war aber beträchtlich und wurde auch von einem spezifischen Politikverständnis getragen: Der auf das nationale Wohl bedachte Verein wurde gegenüber den gruppenegoistischen Parteien bevorzugt.4

Im dritten Hauptteil über „Die Weimarer Republik“ nutzt Klopsch ihr vierfaches Analyseraster und untersucht die Berliner Juristenfakultät institutionell, personell, fachwissenschaftlich sowie „mitweltbezogen“. Eingeleitet durch eine gelungene sozialgeschichtliche Beschreibung von „Revolution und Nachkriegsalltag (1918-1923)“ erfährt der Leser prägnant und konzis den Inhalt der rechtlichen Beziehungen innerhalb der Körperschaft sowie den organisatorischen Aufbau der Universität und ihrer Organe.

Nach dieser institutionellen Analyse folgt zweitens die personelle. Wer hier vielleicht eine Exemplifizierung von Fritz Ringers These des „Niedergangs der deutschen Mandarine“ 5, also die Frage nach der Mitverantwortung der Hochschullehrerschaft für „1933“, erwartet hätte, sieht sich aber enttäuscht. Auch dieses Buch findet sich übrigens nicht im Literaturverzeichnis. Allgemeinen Betrachtungen über den Status als Ordinarius oder Privatdozent folgen nur Biogramme der ordentlichen Professoren. Besonders interessant lesen sich dabei die Abschnitte über „ungeliebte Kollegen“, also die Schwierigkeiten bei den Berufungen von Walther Schücking, Hugo Preuß und Walter Kaskel.

Ganze 60 Seiten widmet die Untersuchung der Studentenschaft. Hier finden sich gelungene sozialgeschichtliche Beschreibungen und klug ausgewählte alltagsgeschichtliche Einblicke. Ungenau wiederum ist ein Exkurs zum „Verfassungsstreit der Studentenschaft“. In der Nachkriegszeit hatten die deutschsprachigen Studenten die Möglichkeit, sich in der „Deutschen Studentenschaft“ zusammenzuschließen. In Österreich und im Sudetenland wurde die Mitgliedschaft über das antisemitische Prinzip der „Volksbürgerschaft“ geregelt, im Deutschen Reich galt das Staatsbürgerprinzip. Kultusminister Carl Heinrich Becker drohte 1927 der Studentenschaft sogar, ihr den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu entziehen. Daraufhin hätten die reichsdeutschen Studenten eingelenkt. Die „österreichische akademische Welt“, so Angela Klopsch, wäre unter Klagen, dann aber freiwillig ihren Kommilitonen gefolgt. Dass das demokratische Selbstverwaltungskonzept scheiterte und es in Wien erst eines Urteils des Österreichischen Verfassungsgerichthofes bedurfte, findet sich bei Klopsch leider nicht.6

Auch der dritte Abschnitt der Analyse bleibt kursorisch und referiert schwerpunktmäßig die Reden der Professoren und Abgeordneten Jacob Rießer und Wilhelm Kahl in der Nationalversammlung. Die abschließende „mitweltbezogene Analyse“ beschreibt die finanzielle Ausstattung und baulichen Veränderungen, das preußische Kultusministerium sowie Reformbestrebungen bezüglich des juristischen Studiums. Die Gründung von Standesvertretungen wird registriert, die Etablierung des Berliner „Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht“ im Jahr 1925 ist der Autorin entgangen.

In ihrem „Ausblick bis zum Jahre 1926“ kommt Klopsch resümierend zu der Feststellung, dass die „Frage, wie sich die Juristische Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität im Umbruch von Weimar verhalten hat, ob sie hinter den Ideen des neuen Staates stand“ (S. 312) nur schwer generell beantwortet werden könne. Der Grund dafür sei, dass die Fakultät, als „überaus komplexes Gebilde […] im Untersuchungszeitraum so selten als geschlossene Einheit aufgetreten“ sei, so „dass man sich vor irgendeiner Art der Verallgemeinerung tunlichst hüten sollte“ (S. 312f.). Wenige Seiten danach nimmt der Leser aber verwundert zur Kenntnis, dass die Verfasserin vielmehr „einer Auffassung mit Ernst Rudolf Huber“ sei und „die verbreitete, grundsätzliche Aussage der Republikfeindlichkeit von Universitätslehrern der Weimarer Zeit […] sich für die Berliner Rechtslehrer und für die Juristische Fakultät der Reichshauptstadt im behandelten Zeitraum“ nicht bestätigt habe (S. 326). Für dieses Fazit, das konträr zur bisherigen Forschung steht 7, ist aber die Beweislage in dieser Dissertation zu dünn, so dass die Überprüfung dieser These wohl einer weiteren Arbeit überlassen bleiben muss.8

Anmerkungen:
1 Anna Maria Gräfin von Lösch, Der nackte Geist. Die Juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1933, Tübingen 1999.
2 Dieter Langewiesche, Die „Humboldtsche Universität“ als nationaler Mythos. Zum Selbstbild der deutschen Universitäten in ihren Rektoratsreden im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, in: Historische Zeitschrift (2010) 110, S. 53-91.
3 Mitchell Ash, Wissenschaft und Politik als Ressourcen für einander, in: Rüdiger vom Bruch / Brigitte Kaderas (Hrsg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 32-51 und ders., Wissenschaftswandlungen und politische Umbrüche im 20. Jahrhundert – was hatten sie miteinander zu tun?, in: Rüdiger vom Bruch / Uta Gerhard / Aleksandra Pawliczek (Hrsg.), Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2006, S. 19-38.
4 Kevin Repp, Reformers, Critics and the Paths of German Modernity. Anti-politics and the Search for Alternatives, 1890 – 1914, Cambridge 2000.
5 Fritz K. Ringer, Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890-1933, Stuttgart 1983 (englisch 1969).
6 Brigitte Lichtenberg-Fenz, „Deutsche Abstammung und Muttersprache“. Österreichische Hochschulpolitik in der Ersten Republik, Wien/Salzburg 1990.
7 Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1914-1949, Band IV, München 2003, hier S. 470ff.
8 Vgl. auch Jonathan Harwood, The Rise of the Party-Political Professor? Changing Self-understanding among German Academics 1890-1933, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung. Band 1/1, Göttingen 2000, S. 21-45.

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