S. McGill u.a. (Hrsg.): From the Tetrarchs to the Theodosians

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Titel
From the Tetrarchs to the Theodosians. Later Roman History and Culture 284-450 CE


Herausgeber
McGill, Scott; Sogno, Cristiana; Watts, Edward
Reihe
Yale Classical Studies 34
Erschienen
Anzahl Seiten
VIII, 321 S.
Preis
£ 55,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Die kultur- und sozialgeschichtliche Kontinuität und Entwicklung über mehr als 150 Jahre von der tetrarchischen Zeit bis zu den Kaisern der theodosianischen Dynastie ist das Thema eines Sammelbandes, der dem renommierten Spätantikeforscher John Matthews zum 70. Geburtstag gewidmet ist. Die Forschungsschwerpunkte des Jubilars zur römischen Aristokratie, zu Ammianus Marcellinus, zum Codex Theodosianus und zur spätrömischen Sozial- und Kulturgeschichte finden sich in 13 Beiträgen von Kollegen und Schülern wieder, die allesamt inhaltlich und methodisch in engem Bezug zu Matthews’ Studien stehen, einem Zusammenhang, den sie immer wieder inhaltlich dokumentieren. Darüber hinaus ergänzen die Aufsätze einander zum Teil vorteilhaft, was deren nicht überall von vornherein ersichtliche thematische Geschlossenheit unterstreicht. Die Beiträge sind nämlich zu drei Themenkreisen gruppiert: In fünf Aufsätzen geht es zunächst um sozialgeschichtliche Tatbestände, die das Beharrungsvermögen der römischen Gesellschaft gegenüber dem durch den Aufstieg des Christentums und andere politische Entwicklungen gegebenen Veränderungspotential belegen, wie es beispielsweise am römischen Patronagedenken und an bestimmten Gesetzesinitiativen gezeigt werden kann. Im zweiten Abschnitt untersuchen vier Beiträge an Beispielen aus der biographischen Literatur der Spätantike Inhalte, die zwischen Traditionsverbundenheit und Neuerung oszillieren, und ordnen sie in spätrömische literarische und vor allem kulturelle Entwicklungen ein. Der dritte Teil sucht in ebenfalls vier Studien von verschiedenen Seiten die politischen, kulturellen und religiösen Herausforderungen und die mit ihnen verbundenen – in ihren Konsequenzen keineswegs von Anfang an überschaubaren – Entwicklungen zu erfassen, denen sich Kaiser Theodosius I. stellen musste.

Die Beiträge des ersten Themenblocks greifen teilweise weit aus, um Besonderheiten der spätantiken Gesellschaft aus der Verwurzelung in traditionellem Denken zu erklären. Dazu gehören David Potters Überlegungen zum Gedanken der Einheit des Römischen Reiches, die bis zum Beginn der spätrepublikanischen Bürgerkriegszeit auch gegenüber Unterworfenen vom ethischen Prinzip der fides getragen worden sei, das schließlich der Gedanke des – in Gesetzen verankerten – imperium abgelöst habe. Dieses staatstragende Prinzip hingegen sei ab dem späten 3. Jahrhundert n.Chr. von bürokratischer Verwaltung überformt und in den Hintergrund gedrängt worden. Die Administration aber habe personell und strukturell die Regionalisierung des Römischen Reiches begünstigt und auf diese Weise den Grundlagen alten Einheitsdenkens allen Beteuerungen zum Trotz entgegengearbeitet, so dass sich in der Folge im Westen regionale Einheiten unter den Bedingungen der Völkerwanderung verselbständigen konnten und zur Auflösung des (West-)Römischen Reiches beitrugen.

Weniger folgenreich machten sich Veränderungen im römischen Patronagedenken bemerkbar. Peter Garnsey stellt in seinem Überblick über diesen Kernbestandteil römischer Sozialbeziehungen – fluktuierend und instabil gesehen in der römischen Republik, stabil unter dem Prinzipat 1 – an verschiedenen Beispielen heraus, wie Patronagebeziehungen unterhalb der Ebene des Monarchen im Lichte neuer Entwicklungen in der Spätantike mit Beziehungen und Geld auf die Administration, ihre Zusammensetzung und Einstellung einwirkten. Die Anpassungsfähigkeit einer alten Institution an neue Erfordernisse lässt sich als einem Spezialfall wirksamer Patronage auch der Anbahnung von Heiratsverbindungen unter Vermittlung einflussreicher Persönlichkeiten entnehmen, wie Cristiana Sogno an der routiniert geschäftsmäßigen Attitüde des Symmachus aufweist, mit der dieser Eheschließungen utilitaristisch für die Bildung und die Festigung aristokratischer Allianzen einsetzt. Die beiden letzten Beiträge des ersten Teils gelten unterschiedlichen Facetten der Gesetzgebung Konstantins des Großen: Jill Harris erläutert am Beispiel der Gesetzgebung zu testamentarischen Verfügungen – auch zugunsten der Kirche –, wie sich diese in die juristische Tradition Roms einfügt. Serena Connolly stellt am speziellen Beispiel einer Veteranenanhörung vor, wie deren Ergebnisse sich in Gesetzgebung niederschlagen. Hier spielt die zeremonielle Ausgestaltung der Anhörung ebenso hinein wie die Regionalisierung des Reiches, beides unterschiedliche, auch in anderen Beiträgen dieses Bandes angesprochene Aspekte des spätrömischen Herrschaftssystems.

Der Zugang zu den Beobachtungen des politischen und sozialen Wandels ändert sich mit dem zweiten Teil. In diesem Themenblock richtet sich der Blick auf biographische Aspekte in Werken einiger spätantiker Literaten, um aus ihren Inhalten Anhaltspunkte für Veränderungen im Gefüge von Verpflichtungen gegenüber der Tradition bei gleichzeitiger Öffnung gegenüber neuen kulturellen Tendenzen zu gewinnen. So untersucht Edward Watts vergleichend die Thematik biographischer Darstellung in Jamblichs Vita Pythagorica, Athanasius’ Vita s. Antonii und Augustins Confessiones, die er als Werbung für eine „philosophische“ Lebensform deutet. Er beobachtet dabei im Laufe des 4. Jahrhunderts die Übertragung der herkömmlichen rhetorischen Technik heidnischer Philosophenbiographie auf christliche Texte und konstatiert einen Wandel von herkömmlichen philosophischen Werten zu christlichen Gegenentwürfen: eine kulturelle Kontinuität im Spiegel einander widersprechender Lebensentwürfe.2 Ein interessantes Beispiel hierfür bietet Josiah Osgood mit dem Eucharisticus des Paulinus von Pella, der in Anbetracht der Katastrophen, die Gallien im 5. Jahrhundert heimsuchten, der klassischen Bildung, die er durchlaufen hat, damit letztlich zugleich dem Römischen Reich, den Boden entzogen sieht und statt dessen sein Heil in Gott sucht und insofern also augustinischem Gedankengut nahesteht. Scott McGill stellt Überlegungen zu Funktion und Publikum der Lebensbeschreibung Vergils aus der Feder des Phocas an, der das von Donatus bereitgestellte Material mit weiteren Wundergeschichten anreichert. Den Abschluss dieses Teils bildet Susanna Elm mit Beobachtungen zu den beiden antijulianischen Reden Gregors von Nazianz, als deren Ziel sie die Verbreitung des bislang nicht zu Wort gekommenen christlichen Urteils über den Apostaten Julian und damit die Gewinnung der Deutungshoheit über diesen Kaiser sieht.3

Der letzte Themenkomplex ist Theodosius I. und den Herausforderungen des zu Ende gehenden 4. Jahrhunderts gewidmet. Peter Heather erarbeitet aus Reden des Themistius (or. 15–16) die publizistische Unterstützung des heidnischen Philosophen für eine wegen militärischen Misserfolgs notwendige Umorientierung der römischen Gotenpolitik in den Jahren 380/81 und die im Aufstand Alarichs schließlich deutlich werdenden Versäumnisse der römischen Verwaltung angesichts ihrer partikularen Interessen, die schließlich zum Ende des Weströmischen Reiches führten. Neill McLynn veranschaulicht an dem Verhältnis des Theodosius zu dem nur kurzzeitig als Bischof von Konstantinopel amtierenden Gregor von Nazianz die geschickte Vorgehensweise des Kaisers, sich angesichts der Festlegung auf das nizänische Christentum bei allen Glaubensrichtungen Respekt zu verschaffen. Diese Beobachtungen werden von Brian Croke in allgemeine Tendenzen im Verhältnis zwischen Kaiser und Residenzstadt eingebettet; er beschreibt die von Theodosius mit Hilfe geeigneter politischer Maßnahmen in den 380er-Jahren initiierte Etablierung Konstantinopels als permanente Hauptstadt. Abschließend widmet sich Mark Vessey der Bedeutung der christlichen Chronik als neuer Gattung, die mit Hieronymus an die Stelle einer römischen Geschichtsschreibung wie der Res gestae Ammians tritt, deren Rechtfertigungsgrundlagen angesichts sichtbaren Scheiterns römischer Politik an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert schwinden und durch transzendente Heilsperspektiven ersetzt werden, obwohl sich beide Werke aus demselben überkommenen Repertoire bedienen.

Eben dies wird am letzten Beitrag wie durchweg in den anderen Aufsätzen deutlich: Es handelt sich um luzide Interpretationen, die einem Transformationsgedanken verpflichtet sind, der dem auch unter dem offensichtlichen Eindruck des Neuen vorhandenen, ja oft unterschwellig dominierenden Althergebrachten ebenso gerecht zu werden weiß wie den unübersehbaren Veränderungen, die die spätrömische Zeit mit sich brachte. Dies erweisen Felder wie spätantike Politik und ihre Bedingungen, die Aristokratie, die Kultur, Gesetzgebung und Literatur dieser Zeit und die hierzu an beobachteten Widersprüchen getroffenen Einschätzungen. Bewertungen dieser Art beruhen oftmals auf Stellungnahmen zu Modifikationen auf der Grundlage von Tradition. Diese zu erkennen, hinsichtlich ihrer Bedeutung und Folgen einzuordnen und vor allem ihre inneren Zusammenhänge zu sehen tragen die 13 Aufsätze dieses Sammelbandes über Fragen der spätantiken römischen Geschichte und Kultur auf je unterschiedliche und dennoch durch gemeinsame methodische und inhaltliche Grundüberzeugungen verbundene Weise allenthalben bei.

Anmerkungen:
1 In Anlehnung an Peter Brunt, The Fall of the Roman Republic, Oxford 1988.
2 Unter anderem Blickwinkel generell auch Thema bei Peter Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung, Tübingen 2007.
3 Vgl. hierzu jetzt auch Jan Stenger, Hellenische Identität in der Spätantike, Berlin u.a. 2009, S. 280f.

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