A. Al-Din Arafat: The Mubarak Leadership and Future of Democracy

Titel
The Mubarak Leadership and Future of Democracy in Egypt.


Autor(en)
Al-Din Arafat, Alaa
Erschienen
New York 2009: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
€ 56,11
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Irene Weipert, Institut für Politikwissenschaft, Universität Frankfurt am Main

Eine schnelle Demokratisierung der Staaten im Nahen Osten erwartet heutzutage wohl niemand mehr. Vielmehr ist die Frage in den Mittelpunkt gerückt, wie sich autoritäre Regime trotz zum Teil hohen externen Drucks und innerer Krisen an der Macht halten können. Somit versucht die Regimeforschung zunächst die internen Strukturen und Abläufe in autoritären Regimen besser zu verstehen, um daraus langfristige Perspektiven für die Demokratisierung im Nahen Osten abzuleiten. Dies greift Alaa al-Din Arafat, Assistenzprofessor an der Hail Universität in Saudi-Arabien in The Mubarak Leadership and Future of Democracy in Egypt auf.

Arafats Grundannahme zum autoritären Regime ist, dass der jeweilige Herrscher sämtliche Akteure und Institutionen allein zum Zweck des Machterhalts manipuliert. Davon seien die Regierungspartei, das Parlament, die Wahlen, das Mehrparteiensystem sowie zeitweise kooptierte einflussreiche Gruppen betroffen. Dieses Vorgehen zeichnet Arafat in der Einleitung zunächst für die Präsidentschaft Gamal Abdel Nassers nach, um es dann in Kapitel 1 für die Regierungszeit von Anwar as-Sadat und Husni Mubarak aufzuzeigen. In Kapitel 2 untersucht Arafat die klientelistischen Beziehungen innerhalb der Regierungspartei „National Democratic Party“ (NDP) seit as-Sadat. Zwar habe in dieser Zeit ein Elitenwandel stattgefunden, dieser sei jedoch ohne Auswirkungen auf die politische Richtung der NDP geblieben. Im folgenden dritten Kapitel analysiert Arafat die Machtkämpfe innerhalb der NDP zwischen der lokalen, regionalen und nationalen Ebene. Das Kapitel 4 widmet sich den aufstrebenden Wirtschaftseliten, die in politischen Institutionen immer sichtbarer werden. Aus Sicht des Autors werden die Wirtschaftseliten von der Herrschaftselite zur Machtsicherung genutzt, ohne über tatsächlichen politischen Einfluss zu verfügen. Ab Kapitel 5 wendet sich Arafat wieder der Frage der Demokratisierung zu und thematisiert den Reformdruck von außen. Kapitel 6 zeigt die politischen Liberalisierungsinitiativen, mit denen die Herrschaftselite auf den Druck reagiert hat, ohne den Machterhalt als oberstes Ziel aufzugeben. In Kapitel 7 sieht Arafat Zeichen für eine mögliche Wende in Ägypten im schlechten Abschneiden der NDP bei den Parlamentswahlen 2005. Kapitel 8 diskutiert mögliche Faktoren von Demokratisierung in Ägypten. Im Anschluss daran verfolgt Arafat in Kapitel 9 Reformbewegungen wie Kifaya und oppositionelle Netzwerke und greift die Rolle externer Akteure noch einmal auf. Kapitel 10 hinterfragt die Rolle, die die Muslimbruderschaft in einem Demokratisierungsprozess spielen könnte. Im Nachwort diskutiert Arafat schließlich die mögliche Nachfolge Husni Mubaraks durch seinen Sohn Gamal.

Für Arafat ist Machterhalt das oberste Ziel des Herrschers, auf das sämtliche Institutionen ausgerichtet sind. So sei die Regierungspartei nur eine Kaderpartei ohne soziale Basis und diene als Gegengewicht zur Opposition. Aufgrund der fehlenden Anbindung an die Wählerschaft sei die Parteiführung bei Bedarf durch den Präsidenten ohne Probleme austauschbar. Ideologie und politische Inhalte spielten dabei keine Rolle, da allein Patronagenetzwerke diese Parteien auszeichneten (S. 14). Auch das Mehrparteiensystem diene nur dem Machterhalt, da es dafür sorge, dass sich die Oppositionsparteien gegenseitig schwächten (S. 16). Manipulierte Wahlen sicherten eine Zweidrittelmehrheit für die NDP im Parlament, was dieses letztlich auf das „Durchwinken“ der von der Exekutive gewünschten Gesetze beschränke. Allenfalls fungierten die Abgeordneten als Ventil für die Forderungen der Bevölkerung, auf die aber nicht weiter eingegangen werden müsse (S. 2). Bestimmte Gruppen wie die Muslimbrüder oder Wirtschaftseliten dienten ebenfalls nur als Gegengewicht zur Opposition.

Ein Wandel zur Demokratie müsse mehrere Punkte beinhalten: an erster Stelle nennt Arafat hier das Ende der Regierungszeit Husni Mubaraks und die Verhinderung seines Sohns Gamal als nächster Präsident. Weiterhin müsse das Bündnis aus Herrscher- und Wirtschaftselite aufgebrochen werden, weshalb die Opposition sich auf ökonomische Themen konzentrieren sollte. Korruption sollte zudem bekämpft sowie Parteien und die Zivilgesellschaft gestärkt werden. Eine pacted transition durch eine Allianz aus Reformern der Regierungspartei, moderaten Islamisten und Oppositionsparteien sei, so Arafat, der Weg Ägyptens zur Demokratie (S. 138-47).

Der Ansatz Arafats, zunächst das bestehende autoritäre Regime zu verstehen, um daraus einen möglichen Systemwechsel abzuleiten, ist im Grunde interessant. Auch der Detailreichtum und die sichtbare Kenntnis des ägyptischen who is who sind durchaus positiv. Doch schafft es Arafat kaum, die Beobachtungen zum autoritären Regime und seine Überlegungen zur Systemtransformation zu verknüpfen. Die theoretischen Ausführungen zur pacted transition beschränken sich auf wenige Zeilen (S. 147) und werden in der empirischen Analyse kaum aufgegriffen. Ebenso lesen sich die Stellen zur Demokratisierung wie eine Wunschliste, die mit dem Status quo wenig zu tun haben und damit dem Anspruch, Aussagen zum Regimewandel aus einer besseren Analyse des bestehenden Systems zu generieren, nicht gerecht werden.

Die mangelnde Verknüpfung von Theorie und Empirie zeigt sich erstens in der Annahme, dass der Präsident die absolute Kontrolle über Institutionen und Akteure habe. Dies passt nicht zu Arafats Beobachtung des kontinuierlich starken Einflusses bestimmter Familien, den er von Nasser (S. 5) bis heute (S. 73-75) sieht. Deren Macht bei Wahlen und ihren Einfluss auf das Parlament erwähnt Arafat, ohne auf die Folgen für das politische System einzugehen.

Zweitens zeigt sich dies bei den innerelitären Machtkämpfen zwischen alter Führungsriege und der sogenannten neuen Garde um den Sohn des Präsidenten, die Arafat als zyklischen Elitenwechsel interpretiert, der alle elf Jahre erfolge. Dabei habe der erste Zyklus von 1991 bis 2002 stattgefunden (S. 21). Wie er diese gewagte These vor Ablauf eines möglichen zweiten Zyklus, also vor dem Jahr 2013, aufstellen kann, bleibt für den Leser ein Rätsel. Zudem fehlt auch hier die Verbindung zur Theorie. Denn es wäre durchaus spannend gewesen zu erfahren, ob die aufgezeigten Flügelkämpfe zu einer Abspaltung moderater Reformer führen und damit zu einer pacted transition beitragen könnten.

Drittens fehlt die empirische Basis für die Annahme völlig kontrollierter Akteure am Beispiel von Wirtschaftseliten. Arafat stellt zwar Versuche der Einflussnahme auf Öffentlichkeit und Regierungsapparat fest, letztlich hätten die Unternehmer aber doch nur konsultative und legitimierende Funktion für das Regime. Ob diese Einschätzung der Wirtschaftseliten aus der Perspektive des Jahres 2010 noch richtig ist, erscheint zweifelhaft, wenn man zum Beispiel die Wirtschaftseliten im Parlament betrachtet. Seit den 2000er-Jahren dort stark vertreten, sieht Arafat keinerlei politische Einflussnahme der Wirtschaftseliten im Parlament. Dabei dient ihm als Grundlage ein Beobachtungszeitraum von einer(!) Sitzungsperiode, noch dazu aus den Jahren 1996 und 1997, in denen die Wirtschaftseliten noch nicht die Macht von heute hatten. Das weitere parlamentarische Geschehen meint Arafat für die Legislaturperiode 2000-2005 mit zwei beobachteten Projekten zu überblicken. Für die Legislaturperiode 2005-2010 reichen ihm einige Zeitungsartikel über in Skandale verwickelte Parlamentarier, um die politische Einflussnahme von Wirtschaftseliten im Parlament auszuschließen (S. 76-85).

Auch die Überlegungen zur Muslimbruderschaft erscheinen wenig stimmig. So plädiert Arafat für eine Legalisierung der Bruderschaft: “Once in parliament, political Islamists would have to subject their views to public debate and assessment.” (S. 180) Der Tatsache, dass die Bruderschaft in den 1980er- und 2000er-Jahren im Parlament vertreten war, schenkt er keinerlei Beachtung. Generell sollte für Arafat die Muslimbruderschaft eine Partei ohne religiösen Bezug gründen und damit an einer liberalen Opposition teilnehmen, denn: „if the only opposition forces in Egypt are the Islamists, the regime will support the status quo.“ (S. 183) Dies steht jedoch der ursprünglichen Ausgangsthese des Buchs entgegen, nämlich dass ein autoritäres Regime immer den Status quo, also die eigene Herrschaft erhalten will.

Insgesamt kann das Buch Lesern mit wenigen Vorkenntnissen über Ägypten durchaus einen Überblick über Akteure und Institutionen verschaffen. Zudem ist der historische Rückblick auf der Suche nach Kontinuitäten über die Präsidentschaft Mubaraks hinaus eine interessante Perspektive, die weiter verfolgt werden sollte. Der Mehrwert für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem ägyptischen Regime ist jedoch aufgrund fehlender analytischer Tiefe und Stringenz als gering einzuschätzen.

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