D. Schönpflug: Luise von Preußen

Titel
Luise von Preußen - Königin der Herzen. Eine Biographie


Autor(en)
Schönpflug, Daniel
Erschienen
München 2010: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
286 S.
Preis
19,95 €
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ewald Frie, Historisches Seminar - Abteilung für Neuere Geschichte, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Titel und Umschlag lassen Schlimmes befürchten. Triefäugig blickt Luise aus dem Gemälde von Joseph Grassi auf den Leser herunter. Über die „Königin der Herzen“ werde „hinreißend erzählt“, wird versprochen. „Während Napoleons Armeen die Throne in Europa zum Wanken brachten, gelang es Luise von Preußen, […] die Untertanen für die Monarchie zu begeistern.“ Immerhin – parfümiert ist das Buch nicht.

Daniel Schönpflug ist listig. Er lockt die Freunde des Goldenen Blatts, auf die die Buchinszenierung abzuzielen scheint, über die bunte Brücke der boomenden Repräsentations-, Symbol- und Hofgeschichte in die graue Welt der Geschichtswissenschaft. Und er gibt sich einige Mühe, ihnen dort das Leben angenehm zu machen. Das Buch beginnt mit dem Trauerzug der Königin Luise von ihrem mecklenburgischen Sterbeort Hohenzieritz nach Berlin. „Trockene Hitze brütete über reifen Feldern.“ (S. 7) Doch dann lässt er im Moment der Beisetzung die Lebensgeschichte passieren und schlägt sein Thema an: Das „Theater der Macht“, in dem Luise mit „Energie, Hingabe und Brillanz“ (S. 10) eine Hauptrolle spielte. Dieses Theater aber ist nicht das des Goldenen Blatts. „Luise ist keine von uns! […] Die zweihundert Jahre, die seit Luises Tod vergangen sind, müssen […] ernst genommen werden. Es gilt, die höfische Welt um 1800 zu verstehen wie ein Ethnologe“ (S. 18).

Schönpflug beschreibt daher dicht die Inszenierungen von Macht. Die Hochzeit 1793 und ein Rundblick über das Berlin dieser Zeit nehmen mehr Raum in Anspruch als die Jahre zwischen Jena und Auerstedt und dem Tod in Hohenzieritz. Die letzten Lebensjahre treten in dem Buch auch deswegen nicht prominent hervor, weil das Theater der Macht, wie Schönpflug zeigt, zwischen 1805 und 1807 für Preußen geschlossen wurde. Luise verlor ihre Paraderolle und suchte sich eine neue: sie mutierte zur Realpolitikerin. Ihr Erfolg hier bleibt umstritten und Schönpflug ist nicht geneigt, aufzuhübschen. „Nie reichte ihre reale politische Rolle an ihre symbolische Bedeutung heran. Vielleicht fiele dieses Fazit anders aus, wenn Luise älter geworden wäre. Sie hatte letztlich nur vier Jahre Zeit, um das Wesen der Realpolitik zu verstehen.“ (S. 256)

Das Buch ist im Wesentlichen aus gedruckten Quellen und der neueren Literatur gearbeitet. Seine Stärke ist die Darstellung der Inszenierung von Macht im Rahmen des schnell sich wandelnden Zusammenspiels von Hof, Verwaltung, Armee und noch ständisch abgeschichteter Öffentlichkeit um 1800. Nicht umsonst spielen die Kapitelüberschriften mit der Theatermetapher. „Provinzbühnen“ heißt das Kapitel über die Jugend, „In den Kulissen der Macht“ das Kapitel über die Kronprinzessinnenzeit. Erneut fällt die Zeit 1806 bis 1810 heraus: „An den Grenzen des Königreichs“ ist dieser Abschnitt betitelt, bevor dann im letzten Kapitel „der Vorhang fällt“ (S. 244).

Schönpflug korrigiert einige Luisen-Legenden. Sie sei zwar „fern der großen europäischen Höfe aufgewachsen“ (S. 58). Dennoch aber bleibe sie „ein Kind aus den vornehmsten Kreisen des Reiches“ (S. 58). Von einer bürgertumsnahen Herkunft und Erziehung könne keine Rede sein. Nach ihrer Heirat sei sie keineswegs „eine junge Rebellin [gewesen], die sich an Tradition und Zeremoniell rieb“ (S. 108). „Hinter ihrem Verhalten eine bewusste Strategie zu vermuten, wäre sicher falsch.“ (S. 109) Ob Schönpflug allerdings die Dramatik ihres Lebens ganz erfasst, indem er es in die höfische Welt um 1800 zurückholt? Die Beziehung zu Zar Alexander ist quellenmäßig nicht eindeutig zu qualifizieren. Ob aber 1807 „der Königsposten […] in einer Erbmonarchie nicht zur Disposition stand“ (S. 236), erscheint mir ungewiss, angesichts der quellenmäßig nachweisbaren Pläne im Umfeld des Hofes, Friedrich Wilhelm zugunsten seines Bruders zur Abdankung zu zwingen. Die Bedrohung des preußischen Königshauses kam nach 1806 nicht mehr nur von außen. Im Rollenwechsel Luises 1805/06 steckt wohl mehr Gefahrensinn als Schönpflug wahrnimmt.

Schönpflug schreibt leicht und präzise zugleich. Das Buch ist ein angenehmer Begleiter auf einer längeren Zugfahrt. Es wird die Preußenforschung nicht revolutionieren, ihr vielleicht aber neue Interessenten eintragen, die bereit sind, die „Königin der Herzen“ nur als Ausgangspunkt ihrer Neugier zu betrachten. Die wahren Härten der preußischen Geschichte können danach kommen.

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