D. Dzino: Illyricum in Roman Politics, 229 BC-AD 68

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Titel
Illyricum in Roman Politics, 229 BC - AD 68.


Autor(en)
Dzino, Danijel
Erschienen
Cambridge u.a. 2010: Cambridge University Press
Anzahl Seiten
XVII, 242 S.
Preis
£ 55,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Daubner, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Das Illyricum – vereinfacht gesagt die östliche Adriaküste – stellte immer eine besondere Herausforderung für die Historiker der römischen Expansion dar. Erstmals überschritten hier die Römer die „natürlichen Grenzen Italiens“ 1, was unter der Voraussetzung, die römische Eroberung Italiens als nationale Einigung zu sehen, erklärungsbedürftig ist. So wurde denn auch sehr viel über die Beziehungen Roms zur gegenüberliegenden Adriaseite geforscht – nicht etwa wenig, wie Dzino, allerdings bezogen auf die englischsprachige Literatur, annimmt (S. 6). Der Beginn des Ersten Illyrischen Krieges im Jahre 229 v.Chr. ist für jeden modernen Forscher wohl ein wichtigerer Entscheidungspunkt, als er es für die Römer selbst jemals war, da von der Beurteilung der Antriebskräfte dieses Krieges die jeweilige Position zur Frage abhängt, ob der Senat in Rom eine aggressive oder eine defensive Politik verfolgte und umgekehrt. Auch späterhin bleibt die Region immens wichtig; so zeigt sich etwa hier, was für ein schlechter Feldherr Augustus und was für ein fähiger dagegen sein ungeliebter Nachfolger Tiberius war.

Die Dissertation von Danijel Dzino beabsichtigt nun, die römische Politik gegenüber dem Illyricum bis etwa zur Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts zu untersuchen oder vielmehr darzustellen. Das gelingt, soviel sei vorab resümiert, aufgrund der methodischen Herangehensweise nur sehr bedingt. Einer zweigeteilten Einleitung, deren erster Teil (S. 1–17) einen Quellen- und Literaturüberblick bietet, während im zweiten (S. 18–43) versucht wird, die Vorgeschichte der Region sowie die methodische Herangehensweise zu erläutern, folgen sieben streng chronologisch ablaufende darstellende Kapitel (S. 44–176) und eine knappe Schlussfolgerung (S. 177–184). Eine umfangreiche Bibliographie und ein brauchbares Orts- und Personenregister beschließen den Band.

Der entscheidende Mangel des Werks besteht darin, dass es nicht aus den Quellen, sondern aus der gewiss umfassend herangezogenen Forschungsliteratur erarbeitet ist. Sogar mit den literarischen Quellen, die im Umfang recht übersichtlich sind, scheint der direkte Kontakt vermieden worden zu sein; jedenfalls deutet nichts auf unmittelbare Anschauung von Appian oder Cassius Dio. Auch wirken die in der Einleitung unternommenen Versuche, die verschiedenen Quellenarten zu charakterisieren, eher unbeholfen: „The most significant problem (post)modern scholars face is the necessity for a re-evaluation of the existing evidence, driven by an increased awareness that preserved primary [sic!] sources must be read in particular ways [...] we can say that primary sources reflect the views, stereotypes, discourses and morality of their authors and their audience“ (S. 9). So gewarnt möchte man dann doch lieber zu Sekundärliteratur greifen, statt sich in Quellenkritik zu üben. Späterhin wird auch vor der unreflektierten Verwendung von numismatischen, epigraphischen und archäologischen Materialien gewarnt, da sich dabei weitere Schwierigkeiten auftäten (S. 12f.). So werden denn auch in der Folge diese Quellengattungen beiseite gelassen und nur ab und an beiläufig erwähnt.2

Umso progressiver soll nun die Hauptthese klingen: Nach der rituellen Erwähnung einiger Moden, die Dzino mitzumachen gedenkt (Sozialkonstruktivismus, Diskursanalyse, Emotionsforschung, Netzwerktheorie), benennt er sein Ziel, das darin besteht zu zeigen, dass das Illyricum kein Kantsches Seiendes sei, sondern ein Produkt des römischen politischen Diskurses. Dabei scheint ihm tatsächlich nicht klar zu sein, dass der römische Begriff Illyricum nicht anders als verwaltungstechnisch zu verstehen ist. Illyricum war den Römern bis in Appians Zeit der hinsichtlich seiner Größe von den Erfolgen der Eroberungspolitik abhängige Amtsbezirk des römischen Magistraten an der Ostküste des adriatischen Meeres und in ihrem Hinterland. Bei Sueton (Tib. 16) reicht es aufgrund der Eroberungen des Tiberius bereits bis nach Thrakien, und noch nach der Teilung in die Provinzen Pannonia und Dalmatia konnte Dolabella im Jahre 30 als Kommandeur in maritima parte Illyrici bezeichnet werden (Vell. 2,125,5). Nun wird auf diese These zwar ständig rekurriert, jedoch besteht der Hauptteil des Buches aus einer teilweise nützlichen Zusammenfassung des Forschungsstandes zu den einzelnen Etappen der römisch-illyrischen Beziehungen. Für keines der vielen Forschungsprobleme findet sich eine eigenständige Lösung, so dass sich eine detaillierte Kritik erübrigt: Für den römischen Imperialismus macht Dzino emotionale Gründe verantwortlich, also Angst und Ehrabschneidung, keineswegs Macht- und Profitstreben; der immer noch „Pannonischer Aufstand“ genannte gewaltige Krieg, der von 6–10 n.Chr. dauerte und von zehn römischen Legionen unter dem Kommando des späteren Kaisers Tiberius nur mühsam gewonnen werden konnte, war für Dzino ein Aufstand frustrierter Globalisierungsverlierer: „They were entering the Mediterranean world too fast“ (S. 143).

Ärgerliche Fehler finden sich zuhauf, etwa BC statt AD (S. 3), Arthemidorus (S. 11), Wallbank statt Walbank (passim). Und wer ist der S. 12 erwähnte Rufius Fest? Die Übersetzung von symmachia mit „commonwealth“ ist unüblich, und die Führung von Angriffskriegen mit „to pacify“ zu bezeichnen (ein einziges Mal allerdings doch in Anführungszeichen: S. 177) diskussionswürdig.

Der Band scheint die willkommene Schließung einer Forschungslücke zu sein. Er kann durchaus zur Annäherung an das Thema benutzt werden, auch als Nachschlagewerk für Fakten und Bibliographisches, jedoch werden keine Probleme gelöst und keine Wege gezeigt, auf denen weitergegangen werden könnte, um sich einem der zentralen Konfliktherde der republikanischen und der augusteischen Zeit zu nähern.

Anmerkungen:
1 Theodor Mommsen, Römische Geschichte, Buch 3, Kapitel 3 (Bd. 1, 5. Aufl., Berlin 1868, 538–558).
2 Vgl. etwa S. 169: „There is an interesting inscription from Issa mentioning Drusus the Younger and the governor Dolabella dedicating a campus for military exercise in AD 20.“

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