H. Weber: Das Versprechen mobiler Freiheit

Cover
Titel
Das Versprechen mobiler Freiheit. Zur Kultur- und Technikgeschichte von Kofferradio, Walkman und Handy


Autor(en)
Weber, Heike
Reihe
ScienceStudies
Anzahl Seiten
366 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Cornelia Fabian, Institut für Industriearchäologie, Wissenschafts- und Technikgeschichte, Technische Universität Bergakademie Freiberg

Moderne Kommunikations- und Unterhaltungsmedien, deren Etablierung am Markt vielfach als „mobile Revolution“ wahrgenommen wurde, bestimmen heute unseren Alltag. Ihre Verwendung ist namengebend für ganze Generationen geworden. Und doch fehlte bisher eine Studie, welche die Aneignungs- und Durchsetzungsgeschichte unterschiedlicher Portables zueinander in Bezug setzt und die aus deren Nutzung resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen dokumentiert. Diesem Projekt hat sich Heike Weber mit ihrer Dissertation an der Technischen Universität München angenommen, deren verkürzte Fassung nun im transcript Verlag vorliegt. Am Beispiel von Kofferradio, Walkman und Handy zeichnet sie die Kultur- und Technikgeschichte von Portables in Deutschland von den 1950er-Jahren bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nach.

Zwei Ziele hat sie dabei im Blick: Auf empirischer Ebene soll die Entwicklung des mobilen Technikkonsums beschrieben werden; auf theoretisch-methodischer Ebene die Entwicklung technischer Konsumgüter als eine Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen „Nutzerkonstruktionen“ gefasst werden. Dazu nutzt Heike Weber den von ihr in Zusammenarbeit mit Gwen Bingle entwickelten Ansatz der user de-signs, worunter in diesem Zusammenhang „dynamische, über die Zeit hinweg wandelbare Nutzerkonstruktionen“ (S. 65) verstanden werden. Im Unterschied zum bisher in soziologischen und historischen Studien zur Technikentwicklung genutzten Ansatz des mutural shapings von Technik und Gesellschaft werden nicht die am technischen Entwicklungsprozess beteiligten Akteure in den Mittelpunkt der Analyse stellt, sondern eben die verschiedenen, mit einer Technik verknüpften user de-signs, beispielsweise der Industrie und der Nutzer.

Heike Weber kann nachweisen, dass in der Geschichte der Portables steigende Mobilitätsmöglichkeiten mit dem Wunsch nach einer ständigen Verfügbarkeit von Technik zusammentrafen. Dies habe zu einer neuartigen Mobilitäts- und Konsumkultur geführt, die durch neue Formen der Bewegung und Beweglichkeit, sich wandelnde soziale Umgangsformen und einer veränderten Vorstellung von Raum und Zeit, Körper und Identität gekennzeichnet sei. Die Portables wurden, so Heike Weber, zum Symbol für Freiheit und Identität. Doch verdeutlich sie, dass die neuen Techniken nicht nur zur Mobilität, sondern gleichzeitig zu einer verstärkten Immobilität beigetragen haben, indem sie vielfach dazu genutzt wurden, „den Herausforderungen der Ortsverlagerung zu entgehen und sie mit gewohnter Routine“ (S. 329) zu ersetzen. Dies sei möglich, da durch die Nutzung von Kofferradio, Walkman und Handy eine Abkopplung des einzelnen Menschen von seiner direkten Umgebung zugunsten ferner Medieninhalte oder Personen stattgefunden hätte. Der direkten Umgebung wurde dabei nur noch die Rolle einer Hintergrundkulisse zugestanden.

Die nicht selten mit starker gesellschaftlicher Kritik einhergehenden und zum Teil seitens der Produzenten nicht intendierten Formen der Techniknutzung durch die Konsumenten führte dazu, dass der reale Nutzer zumindest oberflächlich mehr in die Technikentwicklung eingebunden wurde. Markt-, Trend- und Zukunftsforschung gewannen immer stärkere Bedeutung für die Technikentwicklung. Doch konnte der Nutzer den Prozess nicht durchdringen. Während das Design zunehmend von den vorherrschenden Nutzerbildern und -kulturen bestimmt wurde, hatte der Konsument kaum Einfluss auf das „Innenleben“ der Technik, also auf die Technik an sich. Aufgrund solcher Differenzen, argumentiert Heike Weber, sei es präzisier, wenn von mutural shaping von user de-singns anstatt allgemein von mutural shaping von Technik und Gesellschaft oder von einer Ko-Produktion der Nutzer gesprochen werde. Die Möglichkeit, diese Feinheiten zu unterscheiden, sei der Vorteil ihres Ansatzes.

Alles in allem bietet das Buch eine interessante Herangehensweise und einen tiefgehenden Einblick in die Kultur- und Technikgeschichte mobiler Konsumtechnik. Insbesondere die Synthese der Detailstudien zum Kofferradio, Walkman und Handy zu übergreifenden Aussagen tragen zu einem verbesserten Verständnis der Entstehungs- und Entwicklungsprozesse moderner Konsumtechnik bei und machten das Buch sehr lesenswert. Erschwert wird die Lektüre leider durch eine relativ kleine Schriftgröße und ein gewöhnungsbedüftiges Format des Buches.

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