S. M. R. Darbandi u.a. (Hrsg.): Ancient Greece and Ancient Iran

Cover
Titel
Ancient Greece and Ancient Iran. Cross-Cultural Encounters. 1st International Conference (Athens, 11-13 November 2006)


Herausgeber
Darbandi, Seyed Mohammad Reza; Zournatzi, Antigoni
Anzahl Seiten
XXIX, 377 S.
Preis
€ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Mehl, Institut für Altertumswissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Dieser Band ist eine Besonderheit: Wann hätten sich jemals Griechen und Perser ohne den Befehl eines machtvollen Herrschers, wie es Alexander der Große gewesen war, friedlich zusammengefunden? Die Tagung in Athen 2006, deren Vorträge der vorliegende Band wiedergibt, verdankt sich unter anderem dem Bestreben der UNESCO, Kulturen nicht voneinander abzuheben, sondern „Faktoren, die Zivilisationen miteinander verbinden, zu unterstützen und zu entwickeln“ (Ekaterini Tzitzikosta, S. IX).1 Dementsprechend betont eines der Grußworte von persischer Seite „die lange anhaltende Beziehung zwischen Iran und Griechenland“, indem es diese bereits mit den „gemeinsamen indo-europäischen Wurzeln“ beider beginnen lässt (Seyed Taha Hashemi Toghraljerdi, S. XI); und ein anderes hebt nicht nur die Religiosität beider Völker, also die christliche bzw. islamische Verwurzelung der Griechen bzw. Perser seit vielen Jahrhunderten, sondern auch die noch weiter zurückgreifend von der Antike bis heute zu verstehende „östliche Identität“ der Griechen als verbindende Momente zwischen beiden Völkern hervor (Seyed Mohammad Reza Darbandi, S. XVIII).2 Dass an Tagung und Band auch US-Amerikaner beteiligt sind, wie das UNESCO-Grußwort knapp und kommentarlos vermerkt, und darüber hinaus Angehörige weitere Nationalitäten, weitet zumal in der anhaltenden politischen ‚Großwetterlage‘ das politisch motivierte Anliegen, Träger unterschiedlicher Kulturen zusammen zu bringen, beträchtlich aus; es lässt sich indes mit den als Gemeinsamkeiten von Griechen und Persern vorgetragenen spezifischen Momenten nicht begründen. Weiter sieht die Wirklichkeit zwischen heutigen Griechen und Persern bescheidener aus: Vier Bürgern der Islamischen Republik Iran als Mitautoren (und einem als Mitherausgeber) des Bandes stehen fast dreimal so viele Griechen gegenüber. Dass drei dieser vier iranischen Autoren derselben Einrichtung, dem Iranischen Zentrum für Archäologische Forschung, angehören, wird man so deuten wollen, dass man in Iran außerhalb der genannten Institution kaum oder gar nicht mit wissenschaftlicher Kompetenz für die antiken Griechen einschließlich ihrer Spuren im Iran rechnen darf. Dies bedeutet freilich nicht, dass das Zustandekommen der Tagung und des Bandes nicht zu begrüßen ist.

Die vierundzwanzig Beiträge sehr unterschiedlicher Länge reichen zeitlich etwa von der Annexion Lydiens durch Kyros über den Hellenismus bis in die christliche Spätantike bzw. sasanidische Zeit sowie in der Verfolgung antiker Literatur und insbesondere Philosophie in ihren späteren Überlieferungen und Bearbeitungen sogar bis in die ‚klassische‘ muslimisch-persische Literatur hinein. Soweit geographische und topographische Gegebenheiten eine Rolle spielen, umfassen die Beiträge Griechenland mitsamt der Ägäis, den Schwarzmeerraum, die Insel Zypern, Kleinasien und Iran. Die Gegenstände bzw. Zugriffe sind religions-, literatur-, philosophie- und mentalitätsgeschichtlich, epigraphisch und allgemein bzw. politisch historisch oder gelten der materiellen Kultur und der darstellenden Kunst und sind insofern archäologisch. Der letzteren Gruppe ist nahezu die Hälfte aller Beiträge zuzuordnen. Den meisten Autoren geht es darum, gegenseitiges Nehmen und Geben zwischen Griechen und Persern herauszuarbeiten, dies auch und gerade in der mehrere Generationen umfassenden Zeit militärisch-machtpolitischer Konfrontationen zwischen beiden vom 6. bis ins 4. Jahrhundert v.Chr. – auch wenn dies nicht völlig neu ist.3 Einen von dieser Ausrichtung abweichenden, aber gerade darin besondere Einsichten vermittelnden Ansatz hat Margaret Cool Root gewählt, indem sie einen imaginären Griechen des 5. Jahrhunderts die Bilderwelt von Persepolis mit seinen griechischen Augen und Werten verwundert betrachten und dabei – vermeintliche – „unmanly virtues“ entdecken lässt (Reading Persepolis in Greek – Part Two: Marriage Metaphors and Unmanly Virtues, S. 195–221).

Freilich stellen sich klaren Resultaten der hier erstrebten Art vor allem im archäologisch-kunsthistorischen Bereich die dort üblichen Unschärfen entgegen, etwa die Schwierigkeit und allzu oft sogar Unmöglichkeit, Hersteller und Käufer bzw. Rezipienten von Produkten der Kunst und des Kunsthandwerks zu benennen und sie national – was auch immer das im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. bedeuten kann und mag – und kulturell einzuordnen, die oft verschlungenen Wege und Stationen eines Gegenstandes zwischen Produzent und Endabnehmer bzw. Verwender nachzuvollziehen sowie die Mit- oder Einwirkung Dritter und schließlich ein denkbares Hin-und-her von Einwirkungen innerhalb eines längeren Zeitraumes nicht nur kalkulieren, sondern auch erkennen und beschreiben zu können. Auf derartige Probleme weist etwa der Beitrag von Antigoni Zournatzi hin (Cultural Interconnections in the Achaemenid West: A Few Reflections on the Testimony of the Cypriot Archaeological Record, S. 239–255). Zugleich arbeitet Zournatzi für einen Teil der von ihr herangezogenen Gegenstände ein höheres Maß an Interpretationssicherheit heraus – nämlich für den Fall, dass in einem Territorium, das dem Achaimenidenkönig Tribut geleistet hat, kunsthandwerkliche Gegenstände gefunden worden sind, die in gleicher Gestaltung auch in den Gaben- bzw. Tributprozessionen in Persepolis abgebildet sind.

In einem besonderen Verhältnis zueinander stehen die beiden unmittelbar aufeinander folgenden Beiträge von Christopher Tuplin (The Seleucids and their Achaemenid Predecessors: A Persian Inheritance?, S. 109–136) und Gerassimos G. Aperghis (Managing an Empire – Teacher and Pupil, S. 137–147): Beide behandeln vom gleichen gemischten Quellenbestand aus denselben Gegenstand, ob und inwieweit die Seleukiden ihr Reich nach achaimenidischem Vorbild organisiert, regiert und verwaltet haben. Sie kommen, erkennbar bereits in ihren Überschriften, zu deutlich divergierenden Ergebnissen: Aperghis gelangt in seiner eher kurzen und pauschalen Vorstellung diverser Bereiche des Reichs-„Managements“ zu dem Resultat, dass „die seleukidischen Königen viele Verwaltungspraktiken von den Achaimeniden übernommen und teilweise neuen Bedingungen angepasst haben“ (S. 145). In seiner aus anderen Veröffentlichungen wie den „Achaemenid Studies“ (1996) längst bekannten nüchtern-kritischen Denkweise lehnt Tuplin in einem ausführlichen, an herangezogener Literatur überreichen und an Quellen und damit an Indizien unterschiedlichster Aussagekraft und -richtung geradezu überbordenden Beitrag einen Schluss wie den von Aperghis gezogenen zwar nicht rundum ab, ist ihm gegenüber aber recht skeptisch und weist schließlich auf die vielschichtige Regierungssituation der Seleukiden in ihrem buntscheckigen Reich hin, die eine eindeutige und generelle Ausrichtung auf achaimenidische Reichspolitik und erst recht deren demonstratives Hervorkehren nicht habe angeraten sein lassen können (S. 123).

Insgesamt ist es in diesem Band gelungen, sowohl der hier eingangs zitierten Intention der UNESCO gerecht zu werden als auch sinnvoll Geschichte zu betreiben.

Anmerkungen:
1 Die Tagung nennt sich „1st International Conference Ancient Greece and Ancient Iran“. Allerdings hatte in Teheran vom 16. bis 18. August 2003 bereits eine „First International Conference on the Ancient Cultural Relations between Iran and West Asia“ stattgefunden, deren Vorträge allerdings nicht oder noch nicht publiziert sind. Vgl. die Literaturangabe „Zournatzi, A. 2003A“ S. 255.
2 Das oben bereits zitierte Grußwort von Seyed Taha Hashemi Toghraljerdi spitzt S. XII das, was es als religiöse Verbundenheit zwischen heutigen Persern und Griechen versteht, auf die „schiitische“ Form des Islam und „östliches (und insbesondere orthodoxes) Christen[tum]“ zu.
3 So hatte vor rund 35 Jahren Chester G. Starr mit seinem zweiteiligen Aufsatz „Greeks and Persians in the Fourth Century B.C.“ „a study in cultural contacts before Alexander“ erarbeitet und dies auch vom angenommenen persisch-achaimenidischen Standpunkt aus getan (in: Iranica Antiqua 11, 1975, S. 39–99 u. 12, 1977, S. 49–115 mit Tafeln I–XIV – der zweite Teil mit eigener Überschrift: „The Meeting of Two Cultures“). Bei seiner Arbeit war Starr unter anderem von David Stronach, einem der Autoren des hier rezensierten Bandes (The Building Program of Cyrus the Great at Pasargadae and the Date of the Fall of Sardis, S. 149–173), beraten worden. Im hier rezensierten Sammelband ist, obwohl sich dies mehrfach angeboten hätte, Starrs Aufsatz, und zwar nur dessen erster Teil, lediglich im Beitrag von Pavlos Triantafyllidis (Achaemenid Influences on Rhodian Minor Arts and Crafts, S. 355–366) herangezogen (S. 362, Anm. 93 u. S. 363).

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