C. Eilers (Hrsg.): Diplomats and Diplomacy in the Roman World

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Titel
Diplomats and Diplomacy in the Roman World.


Herausgeber
Eilers, Claude
Reihe
Mnemosyne-Supplementum 304
Erschienen
Anzahl Seiten
XII, 254 S.
Preis
€ 99,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Kritzinger, Institut für Altertumswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Claude Eilers stellt im vorliegenden Band zur römischen Diplomatie neun Beiträge vor, die im Zuge der sechsten E.-Togo-Salmon-Tagung im Jahr 2005 entstanden sind. In seiner Einleitung hebt er vorweg eine zentrale Schwierigkeit hervor: „Indeed, the modern understanding of diplomacy tends to assume that it is primarily a means for conducting relations between sovereign states. This is not an assumption shared with the ancient world“ (S. 1). Auch funktionierte nach Eilers die römische „Diplomatie“ im Gegensatz zur modernen keineswegs vermittels fester Institutionen. Diesem flexiblen Verständnis von Diplomatie hätten jedoch feste Rituale und eine über den gesamten Untersuchungszeitraum unveränderte Terminologie entgegengestanden (S. 13). Das Ziel der Studien sei es, bestimmte Aspekte der inter- aber auch innerstaatlichen Kommunikation im Imperium Romanum zu untersuchen.

Sheila L. Ager („Roman Perspectives on Greek Diplomacy“, S. 15–43) setzt sich mit der Frage auseinander, „[…] how the Romans perceived and responded to suggestions that their own conflicts be subjected to compromise solutions“ (S. 25). Nach Ager lassen sich vom zurückgewiesenen Vermittlungsversuch der Rhodier im dritten Makedonischen Krieg allgemeine Eigentümlichkeiten Roms herleiten. Die Ursache dieser Eigenart glaubt Ager wiederum durch die religiös fundierte Gewissheit der Römer, stets einen iustum piumque bellum zu führen, erklären zu müssen (S. 40). Ager muss aber feststellen, dass sich zum einen nur wenige Gewissheiten über das römische Verständnis des ius fetiale und des iustum bellum gewinnen lassen (S. 17f.); zum anderen beobachtet sie ähnliche Glaubensvorstellungen auch bei anderen Völkern, sodass sie nicht umhin kommt, zuzugestehen, dass das Verhalten der Römer sich nicht grundsätzlich von jenem griechischer Könige unterschied (S. 40–41 u. 43). Diese Ergebnisse vermögen die 28 Seiten langen Ausführungen keineswegs zu rechtfertigen.

Alexander Yakobson („Public Opinion, Foreign Policy and ‚Just War‘ in the Late Republic“, S. 45–72) untersucht in drei Schritten, ob bzw. inwieweit die „Public Opinion“ in Rom Einfluss auf die Außenpolitik nehmen konnte, welche Rolle ihr in der Außenpolitik zukam und welche Bedeutung dem bellum iustum tatsächlich in Rom zugestanden wurde. Dabei gelangt Yakobson am Ende zu folgender Erkenntnis: „The Roman voting populace listened to debates on foreign policy and could sometimes play an important part in the decisions“ (S. 72). Zugleich sei der spät-republikanische „Mob“ weit eher als die senatorische Elite gewillt gewesen, popularen Individuen militärische Gewalt zu übertragen.

Im Beitrag Filippo Battistonis („Rome, Kinship and Diplomacy“, S. 73–98) folgen einer umfangreichen Einleitung, die sich vor allem dem Begriff syngeneia widmet, zwei „Case Studies“: Ziel der ersten Fallstudie sei es, enge Verbindungen Roms zu anderen Gemeinwesen zu untersuchen. Battistoni erörtert konkret das Verhältnis Roms zu Lampsacus, das er folgendermaßen zu deuten sucht: „The question of why Rome and Lampsacus were relatives is easy to answer: it depended on shared Trojan descent“ (S. 85). Battistoni schließt die erste Fallstudie mit der wenig überraschenden Erkenntnis, dass sich Rom in politischen Angelegenheiten nicht über ein bestimmtes Maß beeinflussen ließ (S. 92). In der zweiten Fallstudie postuliert Battistoni den Haeduern aufgrund ihrer guten Beziehung zu Rom eine Trojanische Abkunft (S. 93).1 Rom hätte mittels der Berufung auf Trojanische Wurzeln versucht, gegenüber den griechischen Staaten ein eigenständiges Profil zu entfalten. Folglich könne es nicht überraschen, dass „[…] we do not know any kinship with mainland Greeks“ (S. 96). Battistoni vermengt in seinen Überlegungen literarische Fiktionen mit historisch belastbaren Quellen, sodass seine Ausführungen an vielen Stellen wie rein theoretische Übungen wirken und insgesamt kaum zu überzeugen vermögen.

Die Überlegungen von James B. Rives („Diplomacy and Identity among Jews and Christians“, S. 99–126) nehmen ihren Ausgangspunkt am Schreiben des Athenagoras Presbeia peri Christianon an den Kaiser, dessen Einzigartigkeit er betont (S. 100). Hieraus leitet Rives grundsätzlich für christlich Apologien ab, diese seien als diplomatische Schreiben anzusehen (S. 100f.). Er betont die Sonderstellung der christlichen Glaubensgemeinschaft, die „diplomatische“ Kontakte zum Kaiser unterhielt, obwohl „Christians were not recognized as a distinct people or a formally established group“ (S. 102). Diesbezüglich seien die Christen lediglich mit den Vereinigungen der Athleten oder den Juden vergleichbar. Am Ende seiner Ausführungen gelangt Rives zur Einsicht, dass die Apologien einen wichtigen Beitrag zur späteren Entwicklung des Christentums beitrugen, obwohl sie von den Kaisern unerwidert geblieben seien. Vor diesen Überlegungen stellt sich freilich die Frage, ob man christliche Apologien tatsächlich wie diplomatische Schreiben behandeln darf.

Jean-Louis Ferrary („After the Embassy to Rome: Publication and Implementation“, S. 127–142) beschäftigt sich mit der praktischen Überlegung, wie die Entscheidungen des Senates den betroffenen Parteien bekannt gemacht wurden. Ferrary macht wahrscheinlich, dass Gesandtschaften auch diese Aufgabe übertragen werden konnte. Damit habe der Senat jedoch das Risiko in Kauf genommen, dass seine Entschlüsse unrespektiert blieben, wofür Ferrary denn auch Beispiele anzuführen weiß. Mit der Einrichtung der Provinzen im Osten habe sich dieses System nur unmerklich verändert – Ferrary spricht von einer „evolution rather than a radical change“ (S. 134). So hätten auch die Statthalter ihre Entschlüsse auf diese Weise bekannt gemacht (S. 136f.). In anderen Fällen seien die Gesandtschaften vom Senat bewusst genutzt worden, um Entscheidungen an den offiziellen Vertretern Roms vorbei bekannt zu machen (S. 141f.).

In der Einleitung zu seinem Beitrag „Diplomacy in Italy in the Second Century BC“ (S. 143–170) bietet Martin Jehne erstmalig in diesem Band Überlegungen zur Begriffsbedeutung von „Diplomacy“ (S. 147f.). Er entwirft ein negatives Bild der Kommunikation zwischen Rom und seinen Bundesgenossen im 2. Jahrhundert v.Chr. Die Bundesgenossen hätten aufgrund der vielen Hindernisse, denen sich eine Gesandtschaft nach Rom ausgesetzt sah, häufig gänzlich auf Kommunikation verzichtet. Rom steuerte nach dem Dafürhalten Jehnes nicht zuletzt aufgrund dieser schwerwiegenden Probleme in die manifeste Krise des ausgehenden 2. Jahrhunderts v.Chr., denn „[…] even a superpower runs risks, whenever its diplomacy is not truly diplomatic“ (S. 169).

T. Corey Brennan („Embassies Gone Wrong: Roman Diplomacy in the Constantinian Excerpta De Legationibus“, S. 171–191) setzt Jehnes Einschätzungen in allgemeinerer Weise fort. In einer umfangreichen Einleitung streicht Brennan die Bedeutung seiner Hauptquelle (der Excerpta de legationibus) heraus, die von vielen missglückten Gesandtschaften zu berichten wisse (S. 179f.). Brennan ist folglich bemüht, für dieses stete „Versagen“ der Diplomatie eine Erklärung zu finden. Dabei betont er zunächst die grundsätzlich unterschiedlichen Ausrichtungen verschiedener Quellengattungen: Würden Inschriften nahezu ausschließlich erfolgreiche Gesandtschaften dokumentieren, sei eine Lehrschrift zur Diplomatie geradezu genötigt, gescheiterte Missionen zu thematisieren (S. 190). Trotzdem hätten diese gescheiterten Bemühungen nicht zu einem Rückgang von diplomatischen Beziehungen geführt, sondern zu „even more diplomacy“ (S. 191).

Gleich zu Beginn seines Beitrags „Diplomacy as Part of the Administrative Process in the Roman Empire“ (S. 193–207) betont Werner Eck, dass heute die Begriffe Diplomatie und Administration zwei grundverschiedene Sachverhalte bezeichnen, dass sich diese Differenzierung jedoch nicht auf die römische Welt übertragen ließe (S. 193f.). Eck weist darauf hin, dass die Quellen äußerlichen, formalen Aspekten von Gesandtschaften einen besonders breiten Raum zugeständen (S. 195). Allerdings fänden sich die meisten konkreten Gesandtschaften entweder im Kontext von presbeiai an den Kaiser oder in Inschriften mit einem cursus honorum erwähnt. Dagegen seien Gesandtschaften vor Statthalter kaum dokumentiert (S. 196f.). Zudem seien aus dem Osten eine auffallend größere Anzahl von Inschriften erhalten, was Eck zum einen damit erklärt, dass im Westen „Embassies were a munus […] not an honos“ (S. 201). Zum anderen seien Inschriften im Westen häufiger in Bronze ausgeführt als im Osten, weshalb sie einer Wiederbenutzung weit stärker als Steininschriften im Osten ausgesetzt gewesen seien (S. 198f.).

Ausgehend von einer Ehreninschrift für T. Aurelius Calpurnianus Apollonides (AE 1996, 1359) untersucht Rudolf Haensch („Not Official, but Permanent: Roman Presence in Allied States – The Examples of Chersonesus Taurica, the Bosporan Kingdom and Sumatar Harabesi“, S. 209–225) das diplomatische Verhältnis Roms zu verbündeten Staaten. Haensch macht entgegen der bisherigen Deutungen glaubhaft, dass Apollonides, obschon Finanzprokurator in Moesia inferior, als Unterhändler mit einem militärischen Kommando im Konflikt zwischen Chersonesus und seinen Nachbarn agierte und vor diesem Hintergrund in der Ehreninschrift unter anderem als proxenios bezeichnet werde. Letztlich gelangt Haensch zur Überzeugung, dass es die zentrale Funktion der kaiserlichen Repräsentanten an verbündeten Höfen war, „[…] to supervise the financial contributions of the allied kings to the (or a) fiscus Caesaris“ (S. 225).

Es ist Eilers zweifellos gelungen, in dem vorliegenden Band interessante Beiträge zur Diplomatie im Imperium Romanum vorzulegen. Besonders die Studien Ferrarys, Jehnes, Brennans, Ecks und Haenschs weisen neue Aspekte zur Thematik auf. Es soll an dieser Stelle jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass nicht alle Beiträge dieses Niveau erreichen, was aber in der Natur eines Kolloquiumbandes liegt. Die Formalia der Beiträge und das Abkürzungsverzeichnis wurden benutzerfreundlich vereinheitlicht.2 Denkwürdig ist dagegen die Tatsache, dass sich die versammelten Beiträge offensichtlich gegenseitig nicht zur Kenntnis nehmen, selbst wenn sich thematische bzw. inhaltliche Überschneidungen oder Widersprüche ergeben.3 Der Index ist ob seines geringen Umfangs (S. 249–254) nur sporadisch hilfreich. Auch die drei Karten (S. 227–229) am Ende des Werkes wirken verloren und erweisen sich als wenig dienlich.

Insgesamt hinterlässt das Werk jedoch einen positiven Eindruck, der in besonderer Weise aus der Qualität der meisten Beiträge und der hervorragenden Redaktionsarbeit resultiert.4

Anmerkungen:
1 Mit Verweis auf Camille Jullian, Histoire de la Gaule, Bd. 3, Paris 1909, S. 28, Anm. 1–2 (wo sich aber kein Beweis für trojanische Wurzeln der Haeduer finden lässt).
2 Vereinzelte Unaufmerksamkeiten – wie beispielsweise eine unaufgelöste Abkürzung auf S. 180, Anm. 31 – sind kaum der Rede wert.
3 Überschneidungen, nicht selten sogar Widersprüche, ergeben sich besonders bei folgenden Beiträgen: Ager S. 40f. und Yakobson S. 61–72; Brennan S. 179 und Eck S. 196 u. 204; Brennan S. 191 und Ager S. 36–38; Ferarry S. 128–131 und Brennan S. 187–190.
4 Die nachfolgend angeführten Ausnahmen sollen und können die hervorragende redaktionelle Betreuung nicht schmälern: S. 171 (Brennan), Anm. 1: RE Suppl. XII 1950 statt 1970; S. 89 (Battistoni) bei Anm. 53: anstelle eines Punktes findet sich ein Komma; S. 91, Anm. 59: Frohlich anstelle von Fröhlich. Eine Besonderheit in Rives’ Beitrag – nämlich die konsequente Integration eines Großteils des Fußnotenapparates in den Text – fiel dem Rezensenten unter formalem Gesichtspunkt störend auf.

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