M. M. Winkler (Hrsg.): The Fall of the Roman Empire

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Titel
The Fall of the Roman Empire. Film and History


Herausgeber
Winkler, Martin M.
Erschienen
Oxford 2009: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
XVII, 334 S., 24 Tafeln
Preis
£ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Lindner, Institut für Geschichte, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Nach Gladiator und Spartacus nimmt sich Martin Winkler mit The Fall of the Roman Empire eines weiteren Meilensteins des Antikfilms in Form eines Companions an. Die von Verlagsseite beschworene „triad of scholarly studies on Hollywood’s greatest films about Roman history“ (Klappentext) ist dabei noch um den 2007 erschienenen Band zu Troy zu ergänzen.1 Das vorliegende Werk vereint nach dem mittlerweile eingespielten Muster neun Aufsätze und einige längere Passagen aus antiken und modernen Quellen. Die Selbstzeugnisse des Regisseurs und die Auszüge aus dem Programmheft sind dabei irreführenderweise zwischen die Forschungstexte eingereiht, Passagen aus Edward Gibbon, Cassius Dio, der Historia Augusta und Herodian dagegen als Anhang nachgestellt. Der recht einheitliche Eindruck des Bandes beruht allerdings nicht nur auf dem weitgehend optimierten Schema, sondern auch auf der Tatsache, dass es sich über weite Strecken mehr um eine Monographie handelt: Gut die Hälfte der Seiten stammt aus der Feder von Martin Winkler – und dies beileibe nicht zum Nachteil des Endergebnisses.

Das launige Vorwort des Herausgebers ist mehr ein Appetithappen für die folgende Beschäftigung mit The Fall of the Roman Empire, für den Martin Winkler sichtbare Begeisterung entwickelt. Sein folgender Beitrag, die umfangreiche „Critical Appreciation of The Fall of the Roman Empire“, ist somit als eigentliche Einleitung zu verstehen: Kundig und präzise wird die Rolle des Produzenten Samuel Bronston herausgearbeitet, der mit dem Film zugleich den Höhepunkt seiner Arbeit und den finanziellen Ruin erlangte. In der Folge analysiert Martin Winkler die Schlusssequenz und die Bedeutung des berühmten Soundtracks von Dimitri Tiomkin. Die Betrachtung des finalen Kampfes – auch im Vergleich zu Gladiator – fällt allerdings gegenüber den folgenden Ausführungen zu Regisseur und früheren Schnittfassungen etwas ab. Interessant, aber recht kurz geraten sind die abschließenden Überlegungen zur Bedeutung Roms im amerikanischen Selbstverständnis.

Das exakte Gegenstück liefert Allen Ward mit „History, Ancient and Modern, in The Fall of the Roman Empire“. Über weite Strecken arbeitet der Text schlicht als Vergleich von antiken Autoren und Filminhalt. Am Ende steht eine unglückliche Vermengung aus ästhetischem und historischem Urteil, basierend auf einem zumindest diskutablen Realitätskonzept. Das Fazit, „some errors of fact […] could have been avoided to make an unusually serious and well-done Hollywood epic even better, both dramatically and historically“ (S. 88), erscheint auf dem Stand der modernen Rezeptionstheorie kaum fruchtbar; niemand käme auf die Idee, etwa die Thermopylen-Gemälde von Jacques-Louis David und Oskar Kokoschka mit einem solchen Verdikt zu belegen. Der Antikfilm setzt zwar auf Illusionswirkung und betont seine Authentizität gerne werbewirksam, im Prinzip unterscheidet er sich aber in nichts von anderen künstlerischen Geschichtsdarstellungen, die zum Gegenstand der Rezeptionsforschung werden. Interessant sind das Warum und das Wie der Ausgestaltung, nicht die Übereinstimmung mit einem damaligen oder aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Ob eine größere Nähe zu Herodian oder Cassius Dio den besseren Film ergeben hätte, ist eine Spekulation basierend auf individuellem Empfinden, hilft einer möglichst neutralen Kontextanalyse aber wenig weiter.

Der dritte Beitrag von Diskin Clay befasst sich mit dem „Philosophenkaiser“ Marc Aurel und der Einschätzung seiner Selbstbetrachtungen, die bedauerlicherweise nicht in den Quellenanhang aufgenommen wurden. Als Einführung in Entstehung, Inhalt und Bedeutung dieses bemerkenswerten Textes funktionieren Diskin Clays Darstellungen gut. Allerdings versäumt er die Chance, die sehr eigene Umsetzung als filmischen Monolog 2 vollwertig einzubeziehen und vor dem Hintergrund des Medienwechsels zu betrachten. In „Was Commodus Really That Bad?“ fokussiert sich Eleonora Cavallini auf die Einschätzungen der antiken Historiographie und der einschlägigen Forschung zu diesem höchst umstrittenen Kaiser. Sie ist zwar sichtbar bemüht, stets eine Verbindung zu The Fall of the Roman Empire und dessen Nachfolger Gladiator aufrecht zu erhalten, dies kann jedoch schon deswegen nur schwerlich gelingen, weil große Bereiche der Commodus-Tradition ausgeklammert werden, die das populäre Bild dieses Herrschers – und damit die Grundlage für die filmische Auseinandersetzung mit ihm – erst verständlich machen. Zudem wäre auch hier zu fragen, ob „historically unreliable“ (S. 116) nicht eine etwas fragwürdige Vorstellung von der Aufgabe eines Antikfilms voraussetzt.

Jan Drijvers gelingen im fünften Beitrag zu „East and West in The Fall of the Roman Empire“ einige gute Bemerkungen zur mehr oder minder expliziten Stereotypisierung beider Seiten, mit einem Schwerpunkt auf den „Ostbarbaren“. Da die meisten Studien dem vorliegenden Film große Sympathie entgegenbringen, ist seine Kritik hier ein durchaus willkommener Kontrapunkt. Allerdings gleitet die Argumentation immer wieder in eine eher positivistische Richtung ab, und Vergleiche wie mit 300 nach dem Comic von Frank Miller fallen etwas zu oberflächlich und schief aus.3 Die folgenden beiden Kapitel bestehen aus einer Selbstäußerung des Regisseurs Anthony Mann von 1964 und aus Textauszügen der Begleitmaterialien für das amerikanische und englische Publikum. Insbesondere letztere verdeutlichen auf wunderbare Weise die Strategien zur Authentifizierung des Gezeigten als zentrales Werbeinstrument des Antikfilms, was sich durch eine gute Reproduktion einiger Broschürenseiten noch hätte untermauern lassen.

Mit „Edward Gibbon and The Fall of the Roman Empire“ widmet sich abermals Martin Winkler einer der Meistererzählungen über die Geschichte der mittleren und späten Kaiserzeit und deren filmischer Aufnahme. Es sei dahingestellt, ob die Fixierung auf Anthony Mann den Produktionsrealitäten gerecht wird. Die Betrachtung der beiden Narrative fällt jedenfalls ebenso anregend wie qualitätvoll aus. Vom selben Autor kommt auch der bei weitem spannendste Beitrag des gesamten Bandes, „Fact, Fiction, and the Feeling of History“, eine Diskussion von Anspruch und Leistungsfähigkeit inszenierter Geschichte. Die deutlich literaturtheoretische Ausrichtung könnte von einer Ergänzung durch kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse sicher nur profitieren. Aber auch so liegt ein Text vor, der bei all seiner Verehrung für The Fall of the Roman Empire4 einen hohen Reflexionsgrad für die Botschaft des Films und die Gestaltungsmöglichkeiten von Geschichtsdeutungen aufweist.

Knapper und spekulativer geraten die Überlegungen von Ward Briggs zu „Peace and Power in The Fall of the Roman Empire“. Insbesondere der rasche Brückenschlag über Gladiator zur nationalsozialistischen Ästhetik im Gefolge von Leni Riefenstahl wirkt gerade aus Sicht eines deutschen Forschers diskussionswürdig. Dies schmälert jedoch den Wert des gewollt pointierten Essays zum modellhaften Charakter der Totalitarismus-Erzählung nicht. Wesentlich zurückhaltender verfährt Peter Rose in „The Politics of The Fall of the Roman Empire“, einer guten Kontextanalyse vor dem Hintergrund des Produktionszeitraumes und seiner politischen Rahmenbedingungen. Abstriche betreffen eher kleinere Punkte: Wie sinnvoll es beispielsweise ist, den christlichen Aspekt stärker hervorzuheben und dies vor allem mit der Wahl eines Schauspielers in einer Nebenrolle zu begründen, wäre zu klären.5 Im Vergleich zu Gladiator, dessen Hauptfigur zu Recht als „ikonographisch […] ethisch christianisiert“ 6 bezeichnet wurde, erscheint diese Dimension jedenfalls deutlich zurückgenommen. So gründlich Peter Rose ansonsten seine Interpretationen herausarbeitet, so bedauerlich knapp fallen seine abschließenden Sätze über eingebettete Geschlechterbilder und didaktische Verwendbarkeit des Films aus. Der Band schließt mit rund vierzig Seiten Quellenauszügen, wobei die antiken Autoren lediglich in englischer Übersetzung angegeben werden, und einer kurzen Zeitleiste der späten Adoptivkaiserzeit. Dazu treten eine Sammelbibliographie mit fast ausschließlich englischsprachiger Literatur und ein zuverlässiges Register. Der Bildanhang mit 26 guten, aber nur monochrom wiedergegebenen Aufnahmen ist mittig eingeheftet.

Der Gesamteindruck von „The Fall of the Roman Empire. Film and History“ gerät nicht einhellig positiv, woran die teilweise zu geringe Reflexionstiefe der Beiträge eine Mitschuld trifft. Einsteiger erhalten einen guten Überblick mit vielen Hintergrundinformationen und Quellenmaterial, der allerdings auch einige Lücken aufweist. So fehlen etwa weitere Ausführungen zum enormen Einfluss von The Fall of the Roman Empire auf spätere Produktionen wie die rumänischen Antikfilme der 1960er-Jahre oder die düstere TV-Serie Rome. Größtenteils ausgeklammert bleiben auch technik- und mediengeschichtliche Grundlagen sowie die alternativen Umsetzungen des Stoffes wie im fast zeitgleichen I Due Gladiatori. Experten erhalten einige gute Synthesen, aber über weite Strecken zu wenig Neues und theoretisch Fundiertes. Negativ fällt zudem das Fehlen eines einheitlichen Zitationssystems für die besprochenen Sequenzen auf. Wer die Grundlagen der vorgebrachten Thesen prüfen möchte, ist somit gezwungen, sich die Stellen auf Basis einer hoffentlich guten Filmkenntnis selbst herauszusuchen. Von diesen Abstrichen abgesehen bleibt am Ende allerdings ein Band, der einige der besten Texte zu einem der zentralen Antikfilme versammelt und sicher noch lange Einfluss auf die Forschungsdiskussion haben wird. Es bleibt zu wünschen, dass neben den typischen amerikanischen Blockbustern in Zukunft auch Klassiker wie Cabiria, Faraon oder Kampf um Rom vergleichbare Aufmerksamkeit erhalten.

Anmerkungen:
1 Martin Winkler (Hrsg.), Gladiator. Film and History, Malden 2004; ders. (Hrsg.), Troy. From Homer’s Iliad to Hollywood Epic, Malden 2007; ders., Spartacus. Film and History, Malden 2007.
2The Fall of the Roman Empire 58–62 (PAL-Version, EAN: 4042662340397); zur Zitierweise siehe Martin Lindner, Rom und seine Kaiser im Historienfilm, Frankfurt am Main 2007, S. 22–27.
3 Es soll hier keineswegs einem rassistischen Orientalenbild das Wort geredet werden, aber 300 bietet, im Comic noch stärker als in der Verfilmung, gerade durch extreme Überzeichnung doch deutliche Anreize zur Kritik von blindem Gehorsam, Gewaltästhetisierung und Entmenschlichung. In beiden Fällen wird die Erzählung auch nochmals gebrochen, da sie sich in der Rahmenhandlung als patriotische Legende und Propaganda durch den einzigen Überlebenden zu erkennen gibt. Drijvers hat Recht mit seiner Beobachtung einer schlichten Dichotomie in der Haupthandlung (S. 122), übersieht aber die zusätzlichen Deutungsebenen, die 300 und vergleichbare Umsetzungen so leistungsfähig machen – adaptionsoffen als patriotische Action oder als radikale Kulturkritik im populären Gewand.
4 Bezeichnend etwa das Urteil „The Fall of the Roman Empire remains the noblest Roman epic of them all – for this is Rome, a portrait of the spirit of its greatest age“ (S. 224, Hervorhebung im Original).
5 Finlay Currie als greiser Senator war vielmehr der Inbegriff eines „Nischenfüllers“, der gerne für autoritäre Nebenfiguren besetzt wurde, gleich ob christlich oder nicht. Ironischerweise beruht sein Ruf als Schauspieler wohl weniger auf den Rollen als Papst, Richter, Militär, Apostel oder Familienoberhaupt als auf der als rätselhafter Weggefährte Shunderson in der Tragikomödie People Will Talk, 1952 für einen Oscar nominiert.
6 Rainer Rother, Rückkehr des Sandalenfilms? Über Genre und Einzelstück, in: Merkur 55 (2001), S. 356–361, hier: S. 360.

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