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Titel
Der Stände oberster Herr. Königtum und Landstände im süddeutschen Raum zur Zeit Maximilians I.


Autor(en)
Metz, Axel
Reihe
Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen 174
Erschienen
Stuttgart 2009: Kohlhammer Verlag
Anzahl Seiten
XLII, 398 S.
Preis
€ 35,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anne-Katrin Kunde, Institut für Mittelalterforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

Die vorliegende Studie geht auf eine für den Druck geringfügig überarbeitete Freiburger Dissertation aus dem Wintersemester 2006/07 zurück. Der Verfasser möchte mit dieser Arbeit zum einen die von ihm aufgeworfenen Fragen beantworten, „inwiefern das Reichsoberhaupt [Kaiser und König] eine Zusammenarbeit mit den landständischen Gruppen praktizierte, welche Formen diese konkret annahm und ob sie eine Herrschaftsoption des Königtums um 1500 darstellte“ (S. 4), wozu als Untersuchungsgebiet die Länder Württemberg, Bayern sowie Tirol und die Vorlande (Vorderösterreich) gewählt wurden. Zum anderen ist es ihm ein Anliegen, zu „der seit den 1970er Jahren wiederholt geforderten, aber gleichwohl noch nicht endgültig gelungenen Überwindung der traditionell strikten Trennung von Reichs- und Territorialgeschichte“ (S. 10) beizutragen. Zu diesem Zweck führt er den Leser im Abschnitt A: Einleitung (S. 1–31), die in „Heranführung“, „Forschungsvorhaben“, „Forschungsüberblick“1, ungedruckte und gedruckte „Quellenlage“2 sowie „König-Fürsten-Räte-Stände: Rahmenbedingungen des Handelns“ gegliedert ist, umfassend und äußerst strukturiert in sein Thema und dessen Begrifflichkeit ein.

In der „Allgemeinen Darstellung“ des Abschnitts B widmet er sich konkret und detailliert den Beziehungen zwischen Herrscher und den jeweiligen Landständen. Hierbei setzt die Betrachtung der vorderösterreichischen Zustände mit dem Jahr 1486 ein, der Wahl Erzherzogs Maximilian zum römisch-deutschen König, und endet mit dem Regierungsverzicht Erzherzog Sigmunds von Tirol im Jahr 1490 (S. 33–100), was im Gegensatz zu den Ausführungen zu den württembergischen und bayerischen Verhältnissen die Regierungszeit Kaiser Friedrichs III. einschließt. Der Untersuchungszeitraum für Württemberg und Bayern beläuft sich im Wesentlichen auf die Jahre 1503–1514/15 (S. 101–188 bzw. 189–240), also der alleinigen Regierungszeit Maximilians I. Jedem dieser Abschnitte sind eine Charakterisierung des Landes und wesentliche historische Eckdaten bis zum Beginn des eigentlichen Untersuchungszeitraumes vorgeschaltet. Daran schließt sich jeweils eine ausführliche, auf breiter Quellenbasis aufbauende Darstellung der politischen Entwicklung und des Agierens wie auch damit verbundener Instrumentarien von Herrscher, Landesherr, Räten und Ständen an. Eine als Vergleich bezeichnete kurze Zusammenfassung bildet das Ende dieses Großabschnittes.

Auf Grundlage dieses gesammelten, umfangreichen Vergleichsmaterials nimmt der Autor im folgenden Abschnitt C „(b)esondere Aspekte des königlichen Handelns gegenüber den Landständen“ zusammenfassend „unter systematisch-analytischen Gesichtspunkten“ (S. 247) in den Blick. Hierbei werden zum ersten Argumentationsstrategien für kaiserlich-königliche Interventionen in innerterritoriale Belange und damit verbundene Rechtfertigungen hinterfragt, die jeweils flexibel und situationsabhängig mit den Begriffen allgemeine Oberhoheit, Lehnshoheit, Schutz- und Schirmfunktionen, oberste Gerichtherrschaft bzw. oberster Friedenswahrer aber auch mit Verwandtschaftsbeziehungen (vor allem Tirol und die Vorlande) in Verbindung gebracht werden konnten. Gleichfalls werden in diesem Zusammenhang Vereinbarungen König Maximilians mit unmittelbar Beteiligten oder Dritten, die mit einer „besonderen Kompetenz“ (S. 263) ausgestattet waren, gemeint sind Vereinbarungen mit Landständen, Fürsten oder anderen Personen, bzw. „fruntschafts-Verhältnisse“ als Gründe für ein Eingreifen in landesherrliche Kompetenzen erörtert (S. 247–272). Zum zweiten ordnet der Autor systematisch in ihrer Wirksamkeit aufsteigend die „Formen des Kontakts zwischen dem Königtum3 und den Landständen“ mittels schriftlicher bzw. mündlicher Mitteilungen, Gesandter und persönlichem Zusammentreffen (S. 273–293) und resümiert, dass es hinsichtlich des zu wählenden Mediums keine Ideallösung gab, sondern diese auf die konkrete Situation abgestimmt werden musste, „die der König durch die richtige oder falsche Entscheidung immerhin zu beeinflussen vermochte“ (S. 293). Der dritte Teil dieses Abschnitts ist den „Gunsterweisen als Instrument königlicher Politik gegenüber den Landständen“ zur Loyalitätssicherung gewidmet (S. 295–324), derer sich die Herrscher in unterschiedlichsten Formen bedienen konnten bzw. mussten und die von Privilegienbestätigungen über Standeserhöhungen, Belehnungen, Verpfändungen, Dienstbestallungen, unmittelbare finanzielle Zuwendung, Beeinflussung von Gerichtsverfahren oder andere nicht direkt fassbare ergetzlichkeit (S. 318) reichten. Bei deren Vergabe ist das „erhebliche Übergewicht der Tiroler und vorderösterreichischen Landstände als Empfänger“ zu verzeichnen, was der Autor hinsichtlich stärker zurücktretender Belege in Württemberg und schließlich gar in Bayern mit der abnehmenden Königsnähe dieser Territorien und der Kombination von reichsoberhauptlichen mit erwartbaren landesherrlichen Ressourcen für das erstgenannte Territorium erklärt. Das letzte Kapitel des Abschnittes C behandelt die nach Ländern und einzelnen Personen geordneten Ansprechpartner König Maximilians unter den Landständen (S. 325–374) und schließt mit einer Typologie, in der die Dominanz einer relativ kleinen „adligen Spitzengruppe“ unter denselben betont wird, deren Mitglieder „als erste Wahl“ für den Herrscher zudem nicht selten Reichsunmittelbarkeit besaßen oder vom Autor als homines regis charakterisiert werden. Sie waren daher prinzipiell königlichem Einfluss besonders zugänglich (S. 370), aber es konnte durch das Ausscheiden einer dieser stark fokussierenden Personen auch eine möglicherweise nicht wieder zu schließende Lücke entstehen. Ansprechpartner „zweiter und dritter Wahl“ waren diesen entgegen eher Landsassen bzw. Bürger, die jedoch eine stärkere Bindung an das jeweilige Territorium besaßen, deren Nähe zum Herrscher und deren Durchsetzungsfähigkeit auf den entsprechenden Versammlungen aufgrund ihres niederen sozialen Status aber als geringer einzustufen ist. Die Konsequenz aus dieser Konstellation zieht der Autor dahingehend, dass dem Reichsoberhaupt dann die Durchsetzung seiner Interessen am besten gelingen konnte, wenn er alle drei Gruppen heranzog, was wiederum am häufigsten in Tirol und den Vorlanden der Fall war.

Mit dem letzten Kapitel D „Schlußbetrachtung“ (S. 275–386) werden die Erkenntnisse besonders des vorangegangen Kapitels abermals zusammengefasst.

Der ambitionierte Versuch, auf Grundlage dreier Untersuchungsgebiete das Interagieren von Reichsoberhaupt und landständischen Gruppen zu untersuchen, basiert auf einer überaus breiten Quellengrundlage, in deren Schaffung der eigentliche Wert der Arbeit liegt. Zugleich verwundert in diesem Zusammenhang etwas, dass für die Beschreibung der vorderösterreichischen Zustände die in der Allgemeinen Urkundenreihe des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien in nicht geringem Umfang überlieferten Dokumente nicht eingesehen wurden, auch wenn diese zu Teilen – aber nur zu Teilen – im Druck oder in Form älterer Regesten bekannt sind. Dennoch wird zukünftig jeder, der sich mit landesgeschichtlichen Fragen in diesem Bereich beschäftigt, dankbar auf die geleistete detaillierte Schilderung der einzelnen Abläufe zurückgreifen. Die sorgfältige Faktenpräsentation des ersten Teils, auf die in der Auswertung wiederum zurückgegriffen wird, hat stellenweise zwar eine Redundanz zur Folge, die die Lesbarkeit des Buches etwas mühsam werden lässt und sich an manchen Stellen hätte vermeiden lassen können. Dies hätte vermutlich auch einige Eigentümlichkeiten im Layout abgestellt, aber das vom Autor geäußerte Anliegen, zur Überwindung von „Reichs- und Territorialgeschichte“ beitragen zu wollen, kann auf diesem Wege durchaus als gelungen bezeichnet werden. Wenn auch die zusammengetragenen Ergebnisse den Leser nicht wirklich überraschen, so leisten sie doch einen wichtigen weiteren Baustein zur Durchdringung spätmittelalterlicher Verfassungsgeschichte auf Reichs- und territorialer Ebene.

Anmerkungen:
1 In dem vorangeschalteten Literaturverzeichnis vermisst man leider jüngere österreichische Arbeiten wie Manfred Hollegger, Maximilian I. Herrscher und Mensch einer Zeitenwende, Stuttgart 2005; Heinrich Koller, Kaiser Friedrich III., Darmstadt 2005 oder Alois Niederstätter, Das Jahrhundert der Mitte. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Wien 1996, bei denen es sich zwar um Überblickswerke handeln mag, die aber die vom Autor aufgeworfenen Fragen für Tirol und die Vorlande durchaus kenntnisreich behandeln.
2 Hinsichtlich des Rückgriffs auf die von Joseph Chmel bearbeiteten Regesta chronologico-diplomatica Friderici III. Romanorum Imperatoris (Regis IV.), Wien 1838–1840, ist zu ergänzen, dass auch für die späte Regierungszeit Kaiser Friedrichs III. auf die fortlaufend publizierten und online gestellten Regesten dieses Kaisers zurückgegriffen werden kann, ja sollte, da dieses Unternehmen die Regesten nach einzelnen Archiven und nicht chronologisch bietet, somit die späte Zeit durchaus schon bearbeitet ist und neuere Regesten vorliegen (siehe etwa S. 48 zu Regensburg oder S. 73 A. 190).
3 Hier besser Reichoberhaupt, da auch die entsprechende Herrschaftszeit Kaiser Friedrich III. einbezogen wird.

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