A. Zuiderhoek: The Politics of Munificence in the Roman Empire

Cover
Titel
The Politics of Munificence in the Roman Empire. Citizens, Elites, and Benefactors in Asia Minor


Autor(en)
Zuiderhoek, Arjan
Reihe
Greek Culture in the Roman World
Erschienen
Anzahl Seiten
XVI, 186 S.
Preis
£ 55,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Muriel Moser, Faculty of Classics, University of Cambridge

In seinem Erstlingswerk „The politics of munificence in the Roman Empire“ versucht Arjan Zuiderhoek nichts weniger, als das Phänomen des Euergetismus neu zu erklären. Dies, so hofft der Autor, gelänge, indem man den sprunghaften Anstieg der Euergesie um das Jahr 100 n.Chr. in den Städten der östlichen römischen Provinzen, allen voran den kleinasiatischen, begründen könne. Nach detaillierter Auswertung seiner Hauptquellen, einer Sammlung von etwa 500 Stiftungsinschriften aus dem Kleinasien der Hohen Kaiserzeit, kommt der Autor zu dem Schluss, dass der Euergetismus ein machtpolitisches Instrument war: Er erlaubte den zunehmend oligarchisch regierenden munizipalen Eliten, ihre Stellung gegenüber den Bürgern und der elitären Konkurrenz zu legitimieren.

Zuiderhoek konstatiert, dass die Veynesche sozial-psychologische Erklärung des städtischen Euergetismus zu kurz greift und dem vorhandenen Quellenmaterial nur unzureichend gerecht wird. Im Gegensatz zu Veyne1 vertritt Zuiderhoek die Ansicht, dass die munizipalen Eliten sehr wohl ihre Stellung als politische Elite ihrer Städte legitimieren mussten; ihre Position an der Spitze der Bürgerschaft war nicht selbstverständlich. Die Euergesie war demnach nicht, wie von Veyne postuliert, nur ein Werkzeug der persönlichen Satisfaktion bzw. ein Mittel, die schon bestehenden und akzeptierten sozialen (und folglich politischen) Unterschiede zu erhalten bzw. zu vergrößern. Vielmehr, so Zuiderhoek, war sie vonnöten, um die politischen Verhältnisse erst zu legitimieren.

Zuallererst müsste der Anstieg des städtischen Euergetismus damit aber mit einer Veränderung der politischen Begebenheiten in den Städten Kleinasiens einhergehen, die ein erhöhtes Legitimationsbedürfnis der munizipalen Elite schuf. Dies, so der Autor, sei ab dem späten 1. bis zum frühen 3. Jahrhundert der Fall gewesen. So hat die Aufnahme der östlichen Städte in das Römische Reich zu einer noch nie dagewesenen Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen der munizipalen Eliten geführt. Die politische Macht innerhalb der Städte befand sich zunehmend in der Hand der oligarchischen boule. Unter ihren Mitgliedern kristallisierten sich eine interne Hierarchie sowie eine „Corporate Identity“ heraus, so dass die boule in ihrem Charakter sich mehr und mehr dem oligarchischeren Modell des römischen ordo anglich. Gesellschaftliche Differenzen und die damit verbundenen finanziellen Unterschiede wurden zudem markanter.

Diese soziale und politische Hierarchisierung, die politische Partizipation der normalen Bürger weitgehend ausschloss, brachte aber das traditionelle Polisideal gefährlich ins Schwanken, welches die gleiche soziale Stellung sowie die gleichen politischen Rechte aller Bürger postulierte. Nach dieser Ideologie waren eine Vorrangstellung innerhalb der Bürgergesellschaft und eine politische Führungsposition gegenüber den „normal guten“ Bürgern nur damit zu legitimieren, dass sich ihr Träger als „überdurchschnittlich guter“ Bürger erwiesen hatte und ihm damit seine Sonderposition zu Recht zustand. Dass trotz des zunehmenden Auseinanderklaffens von Theorie und Realität die kleinasiatischen Poleis nicht dauerhaft unter sozialen Unruhen (die in Veynes Analyse weitgehend unerwähnt bleiben) litten, dafür, so der Autor, sorgte der städtische Euergetismus. Dieser erlaubte es den Eliten, sich als außergewöhnlich gute Bürger zu zeigen, indem sie Gebäude(teile), Feste oder öffentliche Mähler stifteten, die es ihren Mitbürgern ermöglichten, einen „bürgerlichen“ Lebensstil zu führen und als Bürger deutlich aus anderen sozialen Gruppen in der Stadt herausgehoben zu sein.

Jedoch war es mit der Stiftung alleine nicht getan: Erst mit der Annahme und Anerkennung der Stiftung durch die Bürgerschaft, so argumentiert Zuiderhoek überzeugend mit Verweis auf das Legitimitätsmodell Beethams2, war der neuerliche Legitimierungsversuch des Geehrten und indirekt auch seiner gesellschaftlichen Schicht geglückt. Mit anderen Worten war der Deal zur Legitimierung eines Akteurs der politischen und sozialen Elite also erst dann erfolgreich abgeschlossen, wenn der jeweilige Stifter von der Bürgerschaft öffentliche Ehren, meist eine Statue mit der dazugehörigen Ehreninschrift, verliehen bekam, die ihn ausdrücklich als „besonders guten“ Bürger bestätigten. Eine solche Annahme konnte aber auch unterbleiben und war daher nicht immer selbstverständlich, sondern Ausdruck einer freien Willensentscheidung der Bürgerschaft.

Ein weiterer Aspekt, den Zuiderhoek im Gegensatz zu Veyne in seine Überlegungen einbezieht, ist die Tatsache, dass die Zusammensetzung der Stadteliten nicht statisch war, sondern einer enormen demographischen Volatilität unterlag. Diese machte in Wirklichkeit die Weitergabe des elitären Status an nachfolgende Generationen äußerst schwierig und selten. Viele neue Familien konnten somit in diese Schicht aufsteigen, doch dieser soziale Aufstieg musste gerechtfertigt werden – gegenüber den Bürger und vor allem gegenüber (erfolglosen) Konkurrenten. So erstaunt es nicht, dass neue Eliten besonders oft als Stifter zu finden sind – zu erkennen vor allem an ihren vagen Ahnenlisten.

Die Auswertung der epigraphischen Daten der kleinasischen Stiftungsurkunden im fünften Kapitel verdeutlicht Zuiderhoeks Thesen und zeigt, dass die Euergesie bis auf wenige Ausnahmen dem Ausbau der zivilen Infrastruktur diente. Besonders interessant ist hier die in den Stiftungen deutlich belegte Renaissance der Gymnasialkultur: Die durch Stifter eingerichteten Feste und Spiele konzentrierten sich auf agonale Veranstaltungen, und Öl nimmt unter den bereitgestellten Gütern eine Führungsposition ein. Dass der Euergetismus aber auch hierarchisierend wirkte, zeigt sich daran, dass die Verteilung dieser Güter sowie die soziale Stratifikation der Teilnehmer an den gestifteten Festen stark hierarchisch geprägt waren. Anstatt sie zu kaschieren, verdeutlichten die Stiftungen damit die bestehenden Unterschiede zwischen den Bürgern eher; wesentlich war jedoch, dass Nichtbürger von allen euergetischen Zuwendungen ausgeschlossen waren. Insgesamt untermauerten die Stiftungen dadurch folglich den sozialen Zusammenhalt der Bürger. Sie betonten, dass alle, unabhängig vom individuellen Reichtum oder der sozialen Position, in gleichem Maße Bürger waren und damit – im Gegensatz zu allen Nichtbürgern – gleichermaßen am bürgerlichen Leben in Theatern, Bädern und Stoen teilnehmen konnten, nicht zuletzt auf Grund der durch Euergeten bereitgestellten Gaben.

Den Beweis dafür, dass der ökonomische Aspekt der Stiftungen nicht der Grund ihrer Existenz war, führt Zuiderhoek bereits in seinem zweiten und dritten Kapitel an, die mit einer Reihe von Tabellen und numerischen Analysen gespickt sind. Doch ein ökonomischer Effekt der Zuwendungen war auch nicht nötig, wie der Blick auf die finanzielle Situation der Städte zeigt. Sie konnten unter anderem durch Pachten und Zölle für ihr Auskommen sorgen. Der Beitrag durch die Euergeten war somit weitgehend nur das Sahnehäubchen auf dem Kuchen, das sporadisch für einen gewissen Luxus in den Städten sorgte. Die Auswertung der Inschriften unterstreicht zudem, dass die Stiftungen, auch wenn sie dem Kollektiv der Bürger zugutekamen, nicht utilitaristischer Natur waren, sie sollten also nicht für die Lebensgrundlage der Stadtbevölkerung sorgen. Die euergetischen Zuwendungen, die im Durchschnitt relativ klein waren, galten auch nur sehr vereinzelt der Armenhilfe, so dass der Euergetismus nicht als Vorläufer der christlichen Nächstenliebe gesehen werden sollte.

Zuiderhoek hat mit seiner Monographie ein kompaktes und quellennahes Werk vorgelegt, das ein wichtiges Element der gesellschaftlichen und politischen Struktur des Römischen Reiches in einem neuen Licht zeigt. Der Kern der Euergese sei demnach die Tatsache, dass sie die erfolgreiche Legitimation des herrschenden politischen Systems ermöglichte. Dies zeigt der Anstieg euergetischer Akte in einer Zeit, in der die oligarchischen Züge sowie die eklatanten Reichtumsunterschiede zwischen Eliten und Stadtbevölkerung von Tag zu Tag wuchsen. Abgesehen vor der etwas flüchtig vorgestellten Erklärung für die Abnahme des städtischen Euergetismus in der traditionellen Form in der Spätantike, die unbefriedigend bleibt und nicht ganz überzeugt, kann Zuiderhoeks Erstlingswerk dem Althistoriker uneingeschränkt empfohlen werden.

Anmerkungen:
1 Paul Veyne, Le pain et le cirque: sociologie historique d’un pluralisme politique, Paris 1976.
2 David Beetham, The legitimacy of power, Basingstoke 1991.

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