Cover
Titel
SMAD-Handbuch. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945-1949


Herausgeber
Foitzik, Jan; Möller, Horst; Zarewskaja-Djakina, Tatjana W.; Tschubarjan, Alexandr O.
Erschienen
München 2009: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
IX, 822 S.
Preis
€ 99,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Thüsing, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V.

Unter dem Dach der Gemeinsamen Kommission zur Erforschung der neuesten Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen entstand zu Beginn des Jahrtausends das „Gemeinschaftsprogramm zum Studium, zur Auswertung und zur Reproduktion der Akten der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland“, an dem von deutscher Seite das Bundesarchiv und von russischer Seite die Föderale Archivagentur Russlands sowie das Staatsarchiv der Russischen Föderation beteiligt sind. Ein erstes Ergebnis dieser Kooperation war die 2005 erschienene Dokumentensammlung zur Kultur-, Wissenschafts- und Bildungspolitik der SMAD.1

Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) war nach ihrer Bildung im Juni 1945 bis zum Oktober 1949 oberstes Besatzungsorgan in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) mit regionalen Gliederungen in den fünf Ländern bzw. Provinzen. Ihre Nachfolgerin wurde nach Gründung der DDR die Sowjetische Kontrollkommission (SKK), die bis Mai 1953 bestand, um dann in die Hohe Kommission der UdSSR in Deutschland umgewandelt zu werden. Die SMAD überwachte alle Bereiche des politisch-gesellschaftlichen wie kulturellen Lebens. Sitzungen von Landes- und Kommunalparlamenten, von Fraktionen, von Parteien wie Massenorganisationen fanden zumeist in Anwesenheit sowjetischer Besatzungsoffiziere statt. Vor allem die deutschen Verwaltungen, aber auch einzelne deutsche Politiker, sahen sich einem rigiden Kontroll- und Berichtssystem ausgesetzt.

Bereits seit einer Reihe von Jahren war als zentrales Vorhaben des Gemeinschaftsprogramms das SMAD-Handbuch als „Hilfsmittel“ angekündigt worden, da „das Erscheinungsbild […] der SMAD […] selbst SMAD-Insidern Orientierungsschwierigkeiten“ bereitet (S. 1). Nun liegt mit dem opulenten Werk eine Ergänzung und Vertiefung des 1990 erstmals erschienenen SBZ-Handbuches vor, das bereits eine ausführliche Darstellung der SMAD enthielt.2 Zugleich ist es, bei allerdings wesentlich kleinteiligerer Gliederung, auch das lange vermisste Gegenstück zum OMGUS-Handbuch von 1994.3

Eine viergeteilte Einleitung (Technische Grundsätze; Struktur der SMAD; Rechtsquellen der SMAD; Funktionale Aspekte der Organisation und der Tätigkeit der SMAD) führt in den Aufbau und die Thematik des Buches ein. Die dem Handbuch-Charakter des Werkes geschuldete extreme Verdichtung der Darstellung lässt den gänzlich unvorbelasteten Leser nur bedingt einen Eindruck über die gesamte Tätigkeit der SMAD gewinnen; ein Mindestmaß an Vorkenntnissen ist hier deutlich von Vorteil. Der Text von Jan Foitzik zu den funktionalen Aspekten bildet in Umfang wie Art der Darstellung eine positive Ausnahme. Im nachfolgenden ersten Teil werden in acht Beiträgen die nicht zur SMAD gehörigen Besatzungsorgane (und damit streng genommen außerhalb der Thematik des Bandes stehenden), vor allem nachrichtendienstliche Einrichtungen, beschrieben. Dies ist sehr verdienstvoll, fehlen doch gerade zu diesem Bereich naturgemäß zumeist nähere Aufschlüsse, die helfen können, besatzungshoheitliches Handeln im Einzelfall nachvollziehbar zu machen. Im Übrigen wird zu Recht auf die Unterstellung dieser Strukturen unter den Oberbefehlshaber der Gruppe der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Deutschland hingewiesen, der aber in Personalunion auch Oberster Chef der SMAD war.

Im zweiten Teil, dem eigentlichen Hauptteil, ist die SMAD selbst Thema. Gegliedert nach dem Obersten Chef und dessen Stellvertretern für einzelne Sachgebiete werden die verschiedenen Abteilungen und Verwaltungen der Besatzungsbehörde knapp in ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer Organisationsstruktur und ihrer personellen Stärke (soweit möglich einschließlich Stellenplänen) dargestellt, wobei die eigentliche Tätigkeit sehr kurz kommt. Angaben zu Quellen und Literatur runden die einzelnen Beiträge ab. Die sechs Landesgliederungen der SMAD werden etwas ausführlicher abgehandelt, doch stehen auch hier Organisation und Struktur im Vordergrund. Möglicherweise hätte bei aller notwendigen Straffung des Textes die Berücksichtigung deutscher Sekundärliteratur die Darstellung bereichern können.

Der dritte Teil beinhaltet annähernd eintausend Kurzbiographien des sowjetischen Führungspersonals auf Zonen- wie auf Länderebene. Am Vergleich zu einigen Biogrammen des SBZ-Handbuches wird gerade hier der Erkenntnisgewinn deutlich, den die Auswertung sowjetischer SMAD-Unterlagen ermöglicht. Der vierte Teil enthält zehn Dokumente zu Geschichte und Struktur der SMAD. Die besonderen quellenkritischen Probleme dieser Texte werden bereits in der Einleitung diskutiert (S. 6-8). Dafür vermisst man eine Erläuterung für die Auswahl gerade dieser Quellen – die verlagsseitige Information, sie seien „zentral“ und informierten schematisch über die Gesamtorganisation, ist dann doch eine arg dünne Begründung.

Der Band wird beschlossen von dem üblichen Anhang mit Abkürzungs- und Archivverzeichnis, Auswahlbibliographie, dem Verzeichnis der Autoren und Übersetzer sowie einem Namensregister. Besonders Erwähnung verdient das deutsch-russische Glossar, das die Namen der verschiedenen Struktureinheiten sowie zentrale Begrifflichkeiten des Verwaltungshandelns zweisprachig wiedergibt. Der des Russischen mächtige Forscher erhält so die Möglichkeit, ihm suspekt erscheinende deutsche Begrifflichkeiten am russischen Original abzugleichen, und damit zweifellos ein wichtiges Instrument für die Quellenkritik.

Mit dem SMAD-Handbuch ist den Herausgebern und Autoren – acht russische und zwei deutsche Beiträger – ein maßgebliches Hilfsmittel für Forschungen zur sowjetischen Besatzung in Deutschland gelungen. Es handelt sich gerade aufgrund seiner äußerst kleinteiligen Gliederung gerade der Organisationsartikel, die einem einheitlichen, in der Einleitung (S. 3) erläuterten Schema folgen, um ein sehr gut nutzbares Nachschlagewerk, dessen Wert durch die große Zahl an Biogrammen noch gesteigert wird. Ein erster allgemeiner Einstieg in die Geschichte der sowjetischen Besatzungsherrschaft in Deutschland kann und will es nicht sein. Kleinere Ungenauigkeiten – der Sitz der SMA Sachsen lag in der Bautzner Straße, nicht in einer (inexistenten) Bauzinstraße; einzelne Personennamen (Mironenko) tauchen in verschiedenen Schreibweisen auf – sind angesichts der Fülle von Informationen vernachlässigenswert, könnten im Übrigen bei einer evtl. Neuauflage korrigiert werden. Der Verzicht auf die wissenschaftliche Transliteration russischer Namen und Begriffe zugunsten der Transkription nach dem Duden-System wird nachvollziehbar begründet (S. 12). Als Gesamteindruck ist festzuhalten, dass ein sehr gut handhabbares Kompendium entstanden ist, das mit seinem Wert für den einschlägig forschenden Wissenschaftler auch den hohen Preis rechtfertigt. Zugleich illustriert das SMAD-Handbuch den Nutzen der immer wieder propagierten, aber viel zu selten praktizierten internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit.

Anmerkungen:
1 Horst Möller / Alexandr O. Tschubarjan (Hrsg.), Die Politik der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD): Kultur, Wissenschaft und Bildung 1945-1949. Ziele, Methoden, Ergebnisse. Dokumente aus russischen Archiven. In Zusammenarbeit mit Wladimir P. Koslow, Sergei W. Mironenko und Hartmut Weber. Verantwortliche Bearbeiter: Jan Foitzik und Natalja P. Timofejewa, München 2005.
2 Martin Broszat / Hermann Weber (Hrsg.), SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949, München 1990.
3 Christoph Weisz (Hrsg.), OMGUS-Handbuch. Die amerikanische Militärregierung in Deutschland 1945-1949, München 1994.

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