Titel
Abraham in Arms. War and Gender in Colonial New England


Autor(en)
Little, Ann M.
Reihe
Early American Studies
Erschienen
Anzahl Seiten
272 S.
Preis
€ 17,22
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Lenz, Historisches Seminar, Universität Heidelberg

Krieg, so argumentiert Ann M. Little in ihrem Buch Abraham in Arms: War and Gender in Colonial New England, war sowohl in den kolonialen Gesellschaften Neuenglands und Neufrankreichs als auch bei ihren indianischen Nachbarn von höchster Bedeutung für Geschlechterrollen und sexuelle Identitäten. Männer wurden definiert und definierten sich selbst über ihre Fähigkeit und Bereitschaft, Soldaten zu sein und im Krieg zu kämpfen – unter Native Americans ebenso wie unter Europäern. Mut war ein wichtiges Attribut von Männlichkeit und Feigheit wurde als weibliches Gebaren verspottet. Unterschiedliche Wahrnehmungen von Gender waren dabei, so Little, zwar nicht Auslöser der kriegerischen Auseinandersetzungen, spielten aber in den Diskursen darüber eine zentrale Rolle: „Gender and family differences were […] central to the language and ideology of conquest and were the key principles upon which theories of difference were constructed in the colonial northeastern borderlands [...]“ (S. 5). Trotz aller Betonung solcher Unterschiede in den zeitgenössischen Dokumenten seien die Strategien, über die Geschlechterrollen der jeweils gegnerischen Parteien zu sprechen, aber von einer „essential sameness“ (S. 7) geprägt gewesen: „Indian, French, and English men agreed that to be ruled by other men was to be reduced in status – to that of a woman perhaps, or a child, a servant or slave, or even a dog“ (S. 7). Kriege, die um die Vorherrschaft in Neuengland geführt wurden und von Diskursen über Geschlechterrollen durchdrungen waren, waren so für die Gesellschaften Nordostamerikas von erheblicher Bedeutung. Diesen Wechselwirkungen geht Little in ihrem spannenden Buch in sieben Kapiteln auf den Grund. Dass sie dies trotz des breiten Anspruches weitestgehend auf neuenglischen Quellen aufbaut – auch für die Positionen der Franzosen und der Native Americans –, ist schlicht dem Mangel an Schriftgut von diesen Seiten geschuldet und plausibel erklärt.

Seit den ersten Siedlungsbemühungen sorgten die unterschiedlichen Geschlechtervorstellungen für Unverständnis zwischen Europäern und Indianern. Letztere verstanden nicht, dass die englischen Männer mit Stolz auf den Feldern arbeiteten und somit nach indianischen Vorstellungen Frauenarbeiten verrichteten; den Engländern, im Gegenzug, blieb unbegreiflich, dass die Native Americans Frauen die schwere Feldarbeit überließen und selbst bei Jagd und Fischerei „aristokratischem“ Müßiggängertum frönten.

Diese Missverständnisse zeigten sich auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Englische Vorstellungen von ordentlicher Kriegsführung – massierter Aufmarsch auf dem Schlachtfeld, mit Fahnen und Trommeln – erschien den Native Americans als unmännlich: Trauten sich englische Männer etwa nicht, das individuelle Gefecht zu suchen? Kannten sie Mut nur in Massen? Und warum ließen sie Gefallene und Verwundete auf dem Schlachtfeld zurück, ohne alles zu ihrer Rettung zu unternehmen? Wiederum war die englische Sichtweise das exakte Gegenteil: Wie konnten Indianer mutige Krieger sein, wenn sie nie einen offenen Kampf akzeptierten, sondern nur aus der Deckung und dem Versteck heraus zu agieren schienen (S. 50f.)?

Die Kriegsziele unterschieden sich ebenso deutlich. Auf englischer Seite war die vollständige Vernichtung des Gegners das auch religiös legitimierte Wunschergebnis eines Krieges: Gott führte gewissermaßen das Schwert der englischen Krieger, in seinem Auftrag und mit seiner Billigung töteten die Kolonisten unterschiedslos Männer, Frauen und Kinder; eine Unterscheidung zwischen Kombattanten und Unbeteiligten gab es nicht (S. 46f.). Zwar waren auch in der indianischen Kriegsführung Tote zu erwarten, aber die Ausmaße des Todes in Kriegen mit Europäern schockierte sie immer wieder (S. 48). In den Gesellschaften der Native Americans war ein Sieg stärker symbolisch definiert. Gefangene wurden gemacht und einzelne Gefallene geplündert, aber viele Tote waren nicht einkalkuliert. Vielmehr wurden einzelne Gefangene rituellen Hinrichtungen unterzogen, in denen diese ihren Wert als Krieger und als Männer unter Beweis stellen konnten. Durch stoisches Ertragen der zugefügten Qualen wurde die Männlichkeit der Opfer getestet: Den Respekt der Folterer erlangten dabei die, die nicht nur die Schmerzen sich nicht anmerken ließen, sondern womöglich auch bis zum Tode ihre Peiniger noch verspotteten. Die Engländer, die diese Rituale ablehnten und teilweise bei ihren Verbündeten dagegen protestierten, erweckten bei den Indianern damit wieder Zweifel an ihrer Beschaffenheit als Männer und Krieger: Ein „echter Mann“ hatte an dieser Stelle weder Schmerz noch Gefühlsregung zu zeigen.

Schlussendlich dienten die Gender-Stereotypen, in denen die jeweiligen Gegner portraitiert wurden, vor allem auch der Legitimierung des Krieges. Zunehmend wurde den indianischen Kriegern von Engländern nicht nur ihre männliche Identität abgesprochen, sondern auch ihre Qualitäten als Menschen: „By de-gendering Indian men, Indian men were not just feminized but dehumanized – no longer assumed to be men, but animals, or perhaps even a new, racially identifiable species“ (S. 53). Auf diese Art wurde deutlich, dass Krieg gegen die Indianer nicht an klassischen Maßstäben von Recht und Gesetz zu messen war: „Native men are not rational political actors, and the English are not bound to respect them as such“ (S. 53).

In ihrem zweiten Kapitel untersucht Little die Rolle, die Kleidung für Europäer und Native Americans bei der Formulierung ihrer Identitäten spielte. In all den unterschiedlichen Gesellschaften des kolonialen Nordostens wurden nicht nur geschlechtliche, sondern auch ethnische Rollen über Kleidung definiert und dargestellt, insbesondere über die Differenz zwischen beiden. Indianische Gewänder bestanden dabei weitgehend aus Leder, gewobene Stoffe waren dort nur aus dem Handel mit Europäern verfügbar. Störend wirkte für englische Augen die Tatsache, dass ihnen das Geschlecht ihres indianischen Gegenübers nicht immer aus der Kleidung deutlich wurde. Auch Frisuren, die bei Männern und Frauen ähnlich waren bzw. auch unter Männern und Frauen je nach Lebenslage deutlich unterschiedlich sein konnten, gaben nur wenig Aufschluss.

Während also das Geschlecht des indianischen Gegenübers nur schwer festzustellen war, konnte man doch zumindest die ethnische Identität erkennen, solange die Trennung zwischen indianischen und europäischen Kleiderbräuchen gewahrt blieb. Allerdings verschwamm auch diese nicht selten: Indianer kleideten sich verbreitet in erbeutete europäische Kleider, während englische Gefangene vielfach zum Kleiderwechsel gezwungen wurden. Auf dem Weg in die Gefangenschaft war für die Native Americans dieser Kleiderwechsel Teil eines Adoptionsrituals, den EngländerInnen Zeichen für das Verwischen und Verschwinden ihrer europäischen Zivilisiertheit und ihres christlichen Daseins. Wie erfolgreich diese Verwandlung funktionierte, zeigt sich daran, dass sehr viele Gefangene nicht in die englische Kolonialgesellschaft zurückkehrten (S. 76, 80f.).

Die Verwendung englischer Kleider durch die Indianer stellte für viele Kolonisten auch deshalb ein Problem dar, weil dadurch die Eindeutigkeit von Kategorisierungen aufgehoben wurde: War ein Indianer mit Hut und Mantel nun ein christianisierter Freund? Oder war er nach wie vor feindlich gesonnen und zeigte dies womöglich sogar durch das Tragen erbeuteter Kleider? Die Erbeutung dieser Kleider selbst stellte für die Engländer ebenfalls ein Problem dar: Durch die Entkleidung der Gefallenen, teilweise auch der Sterbenden, wurden diese um die Symbole gebracht, die in der Kolonialgesellschaft ihren Status signalisierten. Die Toten verloren also nicht nur ihr Leben und ihren sozialen Status, sie wurden gewissermaßen auch im Tode noch symbolisch entmannt (S: 83ff.). Dieses „cultural cross-dressing“ (S. 59) auf vielen verschiedenen Ebenen war deshalb so bedrohlich für die englischen Siedler, weil dadurch ihre ohnehin schon komplexe Welt noch schwieriger begreifbar wurde. Jeder Wunsch nach Stabilität und Sicherheit in der eigenen Identität blieb unbeantwortet.

Das dritte Kapitel widmet Little den Geschlechterbeziehungen, die zum Streitpunkt zwischen englischen Gefangenen und indianischen Fängern wurden. In der Situation der Gefangenschaft trafen vor allem die unterschiedlichen Familienvorstellungen frontal aufeinander und waren häufig Anlass für heftigste Auseinandersetzungen. Grundsätzlich, argumentiert Little, waren die Vorstellungen einer männlich dominierten Familie in englischer und indianischer Gesellschaft gleich, lediglich in der Ausgestaltung der Rollen gab es, wie oben bereits angedeutet, erhebliche Unterschiede. In den Vorstellungen der gefangenen Engländer wurde dabei das männliche indianische Familienoberhaupt oft als „master“ angenommen. Das Rollenverständnis der eigenen Gesellschaft wurde also einfach auf die indianische übertragen. Eben in der Konfrontation dieser Rollenverständnisse mit den Gegebenheiten in der indianischen Kultur wurde aber das Bedrohungspotential der Gefangenschaft deutlich: „[C]aptivity not only disrupted the order of English family life, it also imposed a foreign and ungodly order on English captives“ (S. 98). Die Entwurzelung der Gefangenen wurde in diesem Umsturz sozialer Verhältnisse schlagartig deutlich: „With youth not respecting age, adults turning against children, the living denying respect to the dead, the Indian disruption of English social hierarchy was devastatingly final“ (S. 99).

Beide Erfahrungen waren tatsächlich zwei Seiten ein und derselben Medaille. Zwar stand scheinbar nominal ein Mann an der Spitze der indianischen Familie, die ihn umgebenden Frauen übten aber viel Macht unabhängig von ihm aus, während er, nach den englischen Maßstäben, den Pflichten eines Haushaltsvorstandes bestenfalls nachlässig nachkam. Nicht nur erschienen die indianischen Herren sinnlos gewalttätig, sondern gleichzeitig auch faul und als schlechte Versorger. Wenn Nahrung verfügbar war, wurde hemmungslos alles verzehrt, um wenig später in hoffnungslosen Hunger zu verfallen, ohne jede – nach englischen Maßstäben – sinnvolle Vorausplanung. Dass die gottgewollte hierarchische Ordnung der neuenglischen Gesellschaft durch solche Unordnung über den Haufen geworfen wurde, und dass dies in dem Reichtum der nordamerikanischen Wälder zu solcher Not führte, war Teil der Erzählstrategie der Captivity Narratives: Zweifelsohne durften solche Gesellschaften bekämpft werden, die Kriege gegen die Ureinwohner ließen sich auf diese Weise ausgezeichnet rechtfertigen.

Die wachsende Bedeutung des französischen Feindes für die Kolonien in Neuengland legt Little in ihrem vierten Kapitel dar. Während zwar bereits früh französischer Einfluss unter den Indianern befürchtet und beklagt wurde, wurde mit Ausgang des 17. Jahrhunderts Frankreich selbst immer mehr zum zentralen Feindbild (S. 135). Die Tatsache, dass die französischen Siedler katholisch waren, machte einen erheblichen Teil des Bedrohungspotentials für Neuengland aus, insbesondere auch, weil so die Genderrollen und –hierarchien Neuenglands bedroht wurden. Nicht nur wurde der Katholizismus als schwächere, feminisierte Religion angesehen, er litt in den Augen neuenglischer Protestanten auch unter dem Ruch des sexuell Unanständigen: Der männliche Klerus, der die Ehe ablehnte, widersprach deutlich protestantischen Gender-Vorstellungen (S. 136f.).

Schlimmer vielleicht war aber laut Little die Tatsache, dass die Franzosen recht erfolgreich neuenglische Gefangene zum Verbleib in Kanada bewegten. Vor allem in King William’s War und Queen Anne’s War betrieb die französische Kolonialverwaltung ein intensives Werbeprogramm unter den Gefangenen indianischer Verbündeter, um den deutlichen Männerüberschuss in Kanada auszugleichen. Obwohl dabei wohl nie Druck ausgeübt wurde, entschieden sich verhältnismäßig viele Frauen, nicht nach Neuengland zurückzukehren, zum Katholizismus überzutreten und Franzosen zu heiraten. Damit stellten sie die Grundfesten der Geschlechterverständnisse und –hierarchien massiv in Frage: Sie kündigten so den Gehorsam im Familienverband auf, stellten sich gegen Väter und ältere Brüder, teilweise auch gegen englische Ehemänner. Sie bildeten damit auch einen Gegenpol gegen die in Captivity Narratives immer wieder dargestellten tugendvollen Frauen, die aus der Gefangenschaft in Neufrankreich zurückkehrten, nachdem sie sich dort gegen die Versuchungen des Papismus gewehrt hatten. Little beschreibt eindrücklich, wie sich die männlichen Autoritäten Neuenglands gegen diesen Ungehorsam wehrten. Einerseits wurde immer wieder versucht, mit Erinnerungen an Familienbande Gefangene zur Rückkehr zu bewegen, vor allem aber geschah das auf dem Weg des Erbrechtes. Frauen wurden dabei für ihren Verbleib in Kanada verbreitet durch Enterbung bestraft, während männliche Nachkommen, auch wenn sie katholisch wurden und unter Franzosen blieben, dennoch ihre Erbteile erhalten konnten.

Die Frontstellung gegen Frankreich nahm im Laufe des 18. Jahrhunderts immer größeren Raum ein. Die mit Geschlechterstereotypen durchsetzte Sprache bestimmte auch diese Konflikte: „What had once been a masculinity based on household headship, Christian piety, and the duty to protect both family and faith by force of arms became a masculinity built around the more abstract notions of Anglo-American nationalism, anti-Catholicism and soldiering for the empire“ (S. 167). Dabei wurde den französischen Siedlern ihre grundsätzliche Eignung als Soldaten und damit auch ihre Männlichkeit abgesprochen. „French men, like Indians, were essentially feminized or infantilized by their political impotence and thus not fit for self-sovereignty, let alone mastery over New England men“ (S. 177f.). Illiterat, dem Klerus machtlos ausgeliefert und zudem ohne eigenen Landbesitz war ihr Status in den Augen der Neuengländer kaum besser als der von Sklaven, dem exakten Gegenteil von männlicher Freiheit und Autonomie.

Krieg und das soldatische Leben wurden in Neuengland als „lessons in manhood“ (S. 193) dargestellt; im Krieg ging es um mehr als den imperialen Erfolg für die eine oder andere Nation: „[E]ighteenth-century men still saw war as a contest of masculinities and used gendered language to describe what they did and what they witnessed in the wars“ (S. 194). Entsprechend kann es nicht überraschen, dass Siege als Ergebnis männlicher Tugend und männlichen Mutes dargestellt wurden, während Kapitulationen als ehrlos und unmännlich verdammt wurden (S. 199f.). Schlussendlich schlugen sich diese Vorstellungen von Gender und Genderhierarchie auch in der Wortwahl bei der Beschreibung der Eroberungen nieder: „Mastery“ war das Konzept, nach dem der neuenglische Haushalt und die neuenglische Familie geordnet wurden; unumstritten stand der Familienvater an der Spitze der Hierarchie, in einer über Sexualrollen definierten Position. Und in der Sprache der Kolonialkriege war es eben diese „Mastery“ des Kontinentes, die umkämpft gewesen war (S. 201).

Ann Little gelingt es in Abraham in Arms sehr gut, die vielfältigen Bedeutungen und Dynamiken aufzuzeigen, die Geschlechtervorstellungen an den Grenzen zwischen den Kulturen in der Kolonialzeit in Nordostamerika entwickelten. Die eingangs zitierte „essential sameness“ ist dabei allerdings vor allem in der Tatsache festzustellen, dass die Referenzsysteme aller drei untersuchten Kulturkreise stark durch ihre Geschlechtervorstellungen geprägt waren; in ihren jeweiligen Lebensinterpretationen und –wahrnehmungen, so scheint mir Little eigentlich zu zeigen, waren die drei Gesellschaften doch stärker durch Unterschiede als durch Gemeinsamkeiten geprägt. Das soll aber keineswegs eine Fundamentalkritik sein, denn Littles detailreiche und nuancierte Studie bietet viele interessante Perspektiven und wird für alle an der Kolonialgeschichte Neuenglands Interessierten mit Gewinn zu lesen sein.

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