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Titel
The Land Between. A History of Slowenia


Autor(en)
Luthar, Oto; Grdina, Igor; Sasel Kos, Marjeta; Svoljsak, Petra; Kos, Peter; Kos, Dusan; Stih, Peter; Brglez, Alja; Pogacar, Martin
Erschienen
Frankfurt am Main 2008: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
561 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Klaus-Jürgen Hermanik, Universität Graz

Das Konzept „The Land Between“ legt eine viel versprechende Herangehensweise nahe, mit dem die vorliegende englischsprachige Fassung der Geschichte Sloweniens gestaltet wurde. Mit der Metapher des dazwischen kann man im Grunde viele Eigenschaften dieses Gebietes auf einmal abdecken; um nur ein paar davon zu benennen: Es liegt zwischen den Alpen und der Adria, zwischen Zentral- und Südosteuropa; desgleichen war seine Bevölkerung auch eine Gemengelage von Italienern, Slowenen und weiteren Südslawen, Deutschstämmigen, Roma und Ungarn (von West nach Ost); das Land lag zwar nicht unmittelbar zwischen den Herrschaften, aber es war beispielsweise unter mehrere Herrschaftsgebiete aufgeteilt (die Serenissima, (Inner-)Österreich, Ungarn) – und als Subtext wird auch das „sich als dazwischen empfinden“ der Slowenen selbst angesprochen, deren Loyalitäten in der Geschichte vielfach mehrdeutig, mitunter sehr unterschiedlich ausfielen.

Auf den ersten Blick erinnert diese Herangehensweise an jene des Bandes „Alpen-Adria: Zur Geschichte einer Region“ des Herausgebers Andreas Moritsch, in dem ebenfalls in chronologischer Abfolge die Geschichte dieses Kulturraumes entfaltet wird. 1 „A History of Slovenia“ – um nach dem Titel bereits mit dem Untertitel zu sprechen – ist dem gegenüber sehr stark auf die Geschichte des slowenisch(sprachig)en Volkes fokussiert und müsste folgerichtig eigentlich „A History of the Slovenes“ benannt werden. 2 Auch die das gesamte Werk betreffende intensive Beschäftigung mit Slowenen, die nicht im heutigen Slowenien leben, etwa in Kärnten (Österreich), in Friaul-Julisch Venetien (Italien) oder im Gebiet der Raab (Ungarn), würde diese Bezeichnung nahe legen.

Die Beiträge im Sinne von Kapiteln oder Teilkapiteln wurden von insgesamt neun slowenischen Autorinnen und Autoren verfasst; manche davon lieferten nur einen oder zwei – mit acht schrieb Oto Luthar, der Herausgeber des Bandes, die höchste Beitragszahl.

Für die vornationale Zeit stellt es immer ein heikles Unterfangen dar, eine im Grunde multiethnische, kulturelle Übergangsregion aus dem Blickwinkel des Nationalstaates, beziehungsweise eingeengt durch den Nationsgedanken und die im Laufe des 20. Jahrhunderts erfolgten politischen Grenzziehungen darzustellen; gleichzeitig sollte dem Leser bereits a priori bewusst sein, dass diese Betrachtungsweise, da es sich um die so bezeichnete „History of Slovenia“ handelt, eine nicht unwesentliche Lesart des historischen Narratives von Slowenien ist, was ja auch im Grunde legitim ist. Das wird noch durch die Quellen beziehungsweise die historische Sekundärliteratur unterstrichen, da vor allem slowenischsprachige Werke und Autoren dafür herangezogen wurden.

Ein weiteres Indiz für ein slowenisches Narrativ ist der von mir so benannte „Namenszauber“: Fremdsprachige Namen wurden großteils anglifiziert: z.B. Prussia’s William I., Austria’s Joseph II., archduke John, slowenische wurden davon ausgenommen; weiterhin wurden einige Namen von Deutschen oder Ungarn, die in der Region lebten, oder mit ihr unmittelbar in Verbindung gebracht wurden, slowenisiert: z.B. Sigismund wurde zu Žiga Herberstein, Mátyás király wurde nicht zu king Mathias sondern zu Kralj Matjaž, Johann (Hans) zu Ivan Ungnad etc. Durch einen derartigen Namenszauber, der seit dem 19. Jahrhundert in Geschichtswerken nicht ungewöhnlich ist, gelingt es besser, die eigene Position gegenüber den „Anderen” in den Vordergrund zu spielen.

Zu Beispielen aus dem Inhalt: Im Kapitel From the Marcomannic Wars to the Settlement of the Slavic Tribes kommt die Diskrepanz zum Vorschein, wenn Mikrogeschichte und Makrogeschichte schnell hintereinander abfolgen, was die Kontextualisierung dann ein wenig konfus erscheinen lässt, die durchaus gelungene Kapitelzusammenfassung (S. 81 f.) kann das dann wieder einrenken.

Die Installierung der Kirchengrenzen im 9. Jahrhundert im Kapitel The Carolingian Period of the 9th Century zeigt bereits sehr anschaulich, dass man den beschriebenen Raum als sich überschneidende Gebiete eines „Alpen-Adria-Pannonia“ begreifen sollte. Darum erscheint es eher zweifelhaft, ob die für das 10. und 11. Jahrhundert beschriebenen „linguistic borders“ (S. 121) in einem damals multiethnischen Gebiet derart von Bedeutung waren. Sowohl für das Frühmittelalter (Kapitel The Early Middle Ages) als auch für die Zeit des Feudalismus (Kapitel Feudalism) wurden traditionelle Zugänge vor allem aus Kirchengeschichte, Herrschafts- und Adelsgeschichte, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und Stadtgeschichte gewählt.

In der Frühen Neuzeit im Kapitel From Counter-Reformation Rigor to Baroque Exuberance tauchen geographisch-räumlich-politische Ungereimtheiten auf, wenn „Inner-Austrian-Provinces“ (z.B. S. 216) mit dem heutigen slowenischen Territorium irgendwie gleich gesetzt werden. Außerdem werden die historischen Ereignisse rund um die Protagonisten Zrínyi und Frangepán beziehungsweise Ferenc Rákóczi II. kaum kontextualisiert im Sinne von: Welche Auswirkungen hatten diese auf die Alpen-Adria-Region?

Der oben angeführte Hang, vor allem slowenischsprachige Autoren zu zitieren, führt in gewissen Fällen zum Griff zu überalterter Sekundärliteratur: So etwa wird der Merkantilismus Wiener Prägung (S. 235) ausschließlich mit der Geschichte Sloweniens von Zdenko Čepič und Dušan Nečak aus dem Jahr 1979 unterfüttert. 3

Im Kapitel Under French Rule spricht man sowohl von „Slovenian territory“ als auch von „Slovenian ethnic territory“ (S. 256), später ebenso von „the Slovenian ethnic lands“ (S. 333), was sehr heikel ist, denn die Besiedelungsgebiete waren damals durchaus gemischt. Als positives Gegenbeispiel mag jenes aus dem Kapitel The Pre-March Era, the Time of Non-Freedom dienen, wo die Spaltung zwischen Deutsch- und Slowenischsprachigen relativiert wird: „Oscillations or double cultural and national affiliations were completely natural.“ (S. 273). Grundsätzlich wird die Zeit der Popularization of National Ideas aus der Sicht der slowenischsprachigen Bevölkerung beschrieben, was teilweise zu einem sehr einseitigen Geschichtsverständnis führen kann, etwa wenn ein regionaler slowenischer Triumph bei Wahlen in Ljubljana/Laibach im Jahr 1867 beschrieben wird (S. 311f.), aber man erhält keine weiteren Informationen über die Hintergründe oder etwa die Gegenkandidaten. Ebenso wird auch für das Ende des 19. Jahrhunderts ausschließlich die Geschichte der slowenischen politischen Parteien wiedergegeben (S. 333-352), was die politischen Bewegungen innerhalb der Gesamtbevölkerung in diesem Raum nur teilweise erfassen lässt.

In den Kapiteln Divided by the Great War und The Making of a New State hingegen wird versucht, Datenhäufungen zu vermeiden und diesen Zeitabschnitt über anschauliche Beispiele etwas collagenhafter zu beschreiben, was sehr anschaulich gelungen ist, denn es läßt den Leser auch die Heterogenität des SHS-Staates/Jugoslawiens verspüren (z.B. S. 383).

Durch die Überschrift The Slovenes and the Kingdom of Serbs, Croats and Slovenes (S. 385) wird bereits die Verhältnishaftigkeit der kommenden Geschichtsbetrachtungen klar ausgedrückt und es wird damit eine Beschreibung des Stellenwertes der slowenischen Bevölkerung innerhalb Jugoslawiens ermöglicht. Gleichzeitig ist man bemüht, eigenständige, wenn auch zum Teil für das slowenische Narrativ unangenehme, Facetten herauszuarbeiten: Die starke Katholisierung Sloweniens in den 1930er-Jahren (S. 405) etwa, die Spaltung in Heimwehr (Domobranci) und Partisanen während des II. Weltkrieges (S. 432-440) oder die Nachkriegsabrechnungen und -prozesse (S. 448-455).

Zur Illustration der 1970er-Jahre auch kleine Kapitel aus der Kunst- oder Musikszene, der Studentenbewegung sowie dem Film und dem Kino heranzuziehen (S. 475-479), wirkt neben der politischen und ökonomischen Geschichte sehr erfrischend und rundet die Vorstellungen über diese Periode ab.

Aber warum ist es noch immer so, dass sich Wissenschaftler/innen in Slowenien und Österreich – um ein Beispiel aus der Steirischen Landesgeschichte zu nennen – um das Hoheitsrecht über die Grafen von Celje/Cilli balgen? Sollte man nicht eher versuchen, dem nationalen Gezerre von Geschichtsbetrachtungen zu entkommen? Ein fruchtbringender Ansatz dazu wäre das „shared past-Konzept”: Dazu sollten sich WissenschaftlerInnen aus allen Ländern, die an einer Region teilhaben, Gedanken über ihre gemeinsame Geschichte machen.

Das uns hier vorliegende Buch löst einen derartigen Anspruch selbst noch nicht ein, aber es ist eine gute Basis, um daraus zu schöpfen. Gleichzeitig ist es als Überblickswerk sehr empfehlenswert, wenn sich der Leser oder die Leserin über die Geschichte der Slowenen in englischer Sprache informieren will, denn es ist reich an Fakten, und Details werden an manchen Stellen lebendig geschildert, ohne den Text damit zu verflachen.

Anmerkungen:
1 Siehe dazu Andreas Moritsch (Hrsg.), Alpen-Adria: Zur Geschichte einer Region, Klagenfurt 2001.
2 Eine ähnliche Darstellungsweise findet man auch in der ebenfalls im vorigen Jahr erschienen deutschsprachigen Ausgabe der Geschichte Sloweniens – siehe Peter Štih / Vasko Simoniti / Peter Vodopivec, Slowenische Geschichte. Gesellschaft – Politik – Kultur, Graz 2008.
3 Siehe dazu Zdenko Čepič / Dušan Nečak, Zgodovina Slovencev. Ljubljana 1979.

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