H.-J. Gehrke (Hrsg.): Geschichte der Antike - Quellenband

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Titel
Geschichte der Antike - Quellenband.


Herausgeber
Gehrke, Hans-Joachim; Schneider, Helmuth
Erschienen
Stuttgart 2007: J.B. Metzler Verlag
Anzahl Seiten
XVIII, 456 S.
Preis
€ 24,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Fell, Seminar für Alte Geschichte, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Mit „Geschichte der Antike - Quellenband“ wird dem gleichnamigen Studienbuch eine Quellensammlung zur Seite gestellt, die demjenigen, der sich ernsthaft mit dem Altertum auseinandersetzen will, unverzichtbares Material anbietet. Einem knappen Vorwort (S. VI-VIII) und einem Quellenverzeichnis (S. IX-XVIII) folgen 351 Abschnitte, die meist eine Quelle, öfter aber auch mehrere unterschiedliche Quellen oder Passagen aus derselben Quelle bieten (S. 1-416). Diesem Hauptteil schließen sich „Hinweise zur Übersetzung und zu weiterführender Literatur“ an (S. 417-445), gefolgt von einem Siglenverzeichnis (S. 446) und einem Verzeichnis der Quellenausgaben und Übersetzungen (S. 447-451). Den Schluss des Buches bildet ein Register der Quellentexte (S. 452-456). Das als Ergänzung zum Studienbuch konzipierte Werk ist in erster Linie als Handreichung gedacht, um zur Einführung in Quellenkunde und -interpretation Material zu bieten, welche „zentrale Aufgabe des Geschichtsunterrichts an den Oberstufen von Gymnasien und der einführenden Veranstaltungen des BA-Studienganges Geschichte an den Universitäten“ (S. VI) ist.

Der Quellenband hat von vornherein nicht das Ziel, „die politischen Ereignisse der griechischen und römischen Geschichte fortlaufend durch Quellen zu belegen, vielmehr wird für einzelne exemplarische Ereignisse und Entwicklungen relevantes Quellenmaterial geboten“ (S. VII). Damit ist ein grundsätzlicher Unterschied zu Arends Band zum Altertum aus der Reihe „Geschichte in Quellen“ als unübertroffener, die gesamte Antike in Umfang und Vielgestaltigkeit erschließender Quellensammlung charakterisiert.1 Dieser wird in Bälde vom Markt verschwunden sein und eine empfindliche Lücke hinterlassen, welche das hier vorliegende Buch nicht schließen kann (wohl gibt es an Themen oder Quellentypen orientierte Sammlungen mit ganz unterschiedlichem chronologischem Zuschnitt, welche aber ein solches Werk genauso wenig ersetzen). Der Quellenband zur „Geschichte der Antike“ ist sehr viel eher pragmatisch auf den Lehrbetrieb hin kalkuliert; dabei ist unter anderem an Felder gedacht, welche in Oberstufe und universitären Einführungsveranstaltungen besonders oft thematisiert werden. Die Entscheidung, was darüber hinaus unter die Vorgabe zu zählen ist, wird individuell getroffen; das bedeutet gleichzeitig, dass die umfassende und doch weitgehend ausgewogene Darstellung des Studienbuches sich nicht unbedingt und in gleicher Weise im Quellenband wiederfindet. Bei dieser Sachlage wird der mit der Materie vertraute Benutzer mehr als einmal seiner Ansicht nach wesentliche Quellen vermissen.

Der Aufbau ist dem des Studienbuches analog, die Quellen stehen in der Reihung, wie ihre Bezugspunkte in der „Geschichte der Antike“ nacheinander im Text dargestellt werden. So ergeben sich chronologische Folgen wie auch thematische Zusammenhänge, für welche gelegentlich unter einer Nummer mehrere Ausschnitte (bis zu sieben, mit Kleinbuchstaben gezählt; insgesamt über 200 zusätzliche Passagen) zusammengefasst sind (verstärkt ist diese Form im an Quellenthemen, nicht aber Umfang sparsamsten Teil „Die Spätantike“ angewendet). Anhand des knapp gehaltenen Quellenverzeichnisses kann man die Themen der Nummern erkennen, nicht aber, ob dort nur ein Text oder mehrere abgedruckt sind. Anscheinend wurde für jede der sechs Epochen der gleiche Platz im Quellenband vorgesehen, ähnlich war man auch im Studienbuch selbst verfahren. Signifikant mehr Raum nehmen nur die Abschnitte „Die griechische Staatenwelt in klassischer Zeit“ und „Die römische Kaiserzeit“ ein. Die Texte werden zum Teil in eigenen, überwiegend jedoch in vorliegenden Ausgaben entnommenen oder an diese angelehnten Übersetzungen wiedergegeben. Dabei steht die Lesbarkeit im Vordergrund, die für das Verständnis der Quellen gerade bei dem angezielten Publikum besonders bedeutsam ist. Störend ist, dass rein technisch mit dem angebotenen Material durchaus unterschiedlich umgegangen wird: Statt die Quellenstellen in einheitlicher Präzision anzugeben, wird die Binnenzählung in den Texten häufig unterlassen, was eigentlich nur dort zu akzeptieren ist, wo ganz kurze Passagen angeführt sind; die Zeilenzählung in der üblichen Form fehlt bei Inschriften überhaupt, bei Gedichten oder Epen wird sie nicht immer angewendet. Um die Benutzer, welche man an die Quellenarbeit heranführen will, von Anfang an mit der korrekten, sozusagen professionellen Form der Materialpräsentation vertraut zu machen, sollte man diese Angaben abdrucken. Die Quellennachweise für Inschriften werden nicht durchgehend in gleichmäßiger Form erbracht, so dass derjenige, welcher nach Übersetzungen sucht, im Register gegebenenfalls unter mehreren Optionen nachsehen muss, auch wenn die betreffende Inschrift in einer der gängigen, im Register aufgeführten Sammlungen enthalten ist (es genügt etwa nicht immer, die ILS-Nummer zu kennen). Bei den Quellen selber wäre eine Konkordanzangabe passend.

Den Texten sind öfter kurze, als „Kontext“ (inhaltlicher Art) oder „Fundkontext“ (zur Fundsituation von Inschriften) bezeichnete Sätze vorangestellt, jedoch ist nicht klar erkennbar, ob es Kriterien gibt, nach welchen diese Angaben gemacht bzw. weggelassen wurden. Auch hier wäre ein gleichmäßigeres Verfahren angebracht. Bei den wenigen archäologischen Zeugnissen ist jeweils ein beschreibender Kommentar zum Verständnis der Stücke gegeben. Hilfreich und nützlich ist der Abschnitt „Hinweise zur Übersetzung und zu weiterführender Literatur“, wo sich neben dem Verweis auf die Seite (oder, falls es mehrere Bezugsstellen für eine Quelle gibt, die Seiten) im Studienbuch sowie den Angaben zur Übersetzung fast immer teilweise recht umfangreiche Hinweise auf für Verständnis und Interpretation der betreffenden Quelle instruktive Aufsätze oder Monographien finden. Noch besser wäre es, wenn diese Angaben einheitlicher erstellt wären (insbesondere was die Zahl und die Aktualität der aufgeführten Titel betrifft) und wenn sie bei den Quellen selbst stünden, gegebenenfalls mit Worten zum Kontext oder einem Kommentar kombiniert. Dass der Quellenband als Arbeitsbuch ganz eng mit dem Studienbuch verknüpft sein soll, ist auch daran zu erkennen, dass es keinen Teil zu den Autoren der Texte gibt. Einen solchen findet man als Anhang im Studienbuch. Wenn man beide Bücher parallel benutzt, so ergänzen sie sich in dieser Sache grundsätzlich. Da bei der Quellenauswahl selbstverständlich auch Texte von im Studienbuch nicht vorgestellten Autoren berücksichtigt wurden, hätte man die sechs Seiten aus dem Hauptwerk angepasst (also gekürzt um die für den Quellenband nicht benötigten, jedoch ergänzt um die Lemmata der weiteren Autoren) im Quellenband nochmals abdrucken sollen.

Schon im Quellenkapitel des Studienbuches (2. Auflage) sind die Erläuterungen zu archäologischen Quellen recht mager. Abgesehen von wenigen archäologischen Stücken aus der Plastik und der keramischen Produktion, welche den Einfluss des Orients zeigen sollen, haben sich alle Bearbeiter bei der Auswahl für den Quellenband vollkommen auf schriftliche Quellen beschränkt. Zwar werden hier nicht nur literarische und historiographische Werke, sondern auch Inschriften und Papyri einbezogen. Man begibt sich allerdings tatsächlich einer wesentlichen Gruppe, wenn man die Archäologie derart ausschließt. Mag auch der angegebene Grund (S. VI: Umfangsbegrenzung) nachvollziehbar sein, ist diese Entscheidung trotzdem bedauerlich. Lediglich auf das andere Fach und dessen Publikationen zu verweisen, befriedigt nicht recht, denn es ist nicht ausgemacht, dass historisch relevante Fragen von archäologischer Seite an das Material herangetragen werden, auch nicht, dass der Benutzer das passende Material finden kann und wird, nicht einmal, dass die als Mittler fungierenden Lehrenden von sich aus die Lücke füllen. Gerade wenn es darum geht, exemplarisch zu arbeiten, hätten gute Beispiele aus diesem Feld aufzeigen können, wie fruchtbar die Zusammenarbeit zwischen den Fächern sein kann, wie der tatsächliche Kontakt mit dem Nachbarfach neue Einblicke gewährt, die verborgen geblieben wären, hätte man sich nicht aktiv um sie bemüht. Auf diese Weise werden Artefakte – Statuen, Gebäude, Münzen und vieles mehr – leider viel öfter das bleiben, was sie für Historiker meist sein müssen, nämlich mehr oder weniger passende Illustration, dabei können sie so viel mehr aussagen. Selbstverständlich ist hierbei in der Mehrzahl der Fälle jeweils mit einem größeren erläuternden Apparat zu rechnen als bei den Texten; diese Mühe hätte sich jedoch sicherlich gelohnt.

Auch wenn in der technischen Ausführung einiges für eine elegantere Lösung hätte getan werden können, liegt hier eine gut brauchbare Sammlung von Quellen vor, die sich über den gesamten Zeitraum der Antike erstreckt und viele unterschiedliche Segmente antiken Lebens berührt. Sie entfaltet dann ihre volle Wirkung, wenn man sich darauf einlässt, sie parallel zum Studienbuch „Geschichte der Antike“ zu benutzen. Die im Material empfundenen Lücken wird man selbst schließen müssen.

Anmerkung:
1 Walter Arend, Altertum: Alter Orient, Hellas, Rom (= Geschichte in Quellen 1), München 1965 (ab der 2. Aufl. durchgesehen und erweitert, letzte ist die 4. Aufl. 1989).

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