S. Dyroff u.a. (Hrsg.): Geschichtsbilder und ihre museale Präsentation

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Titel
Geschichtsbilder und ihre museale Präsentation. Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Deutschen in Polen in Vergangenheit und Gegenwart


Herausgeber
Dryoff, Stefan; Krzoska, Markus
Reihe
Polono-Germanica 3
Erschienen
München 2008: Martin Meidenbauer
Anzahl Seiten
211 S.
Preis
€ 32,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Juliane Haubold-Stolle, Berlin

Der von Stefan Dyroff und Markus Krzoska herausgegebene Band versammelt Beiträge einer Tagung der Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen, die 2007 in Herne stattfand, und nimmt Museen und Ausstellungen als Quellen für die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte in den Blick. Aufgrund des organisatorischen Rahmens der Tagung konzentriert sich die Aufsatzsammlung auf die polnischen Gebiete Großpolen, Zentralpolen, Galizien und Wolhynien.

Stefan Dyroff führt in das Thema "Deutschlandbild in polnischen Museen" ein – und betont die Flüchtigkeit des Mediums „Museumsausstellung“, aufgrund derer es kaum Literatur zu diesem Thema gebe. Dabei seien Museen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiges Instrument gewesen, um nationale Vorstellungen von Geschichte zu vermitteln. Im Mittelpunkt der Ausstellungen stehen und standen Objekte, die auf verschiedene Weise – in national eindeutiger Hinsicht, aber häufig auch als Zeugnisse des Kulturtransfers – gedeutet werden könnten. Gleich der erste Aufsatz von Anna Wolff-Poweska fällt dabei aus dem Rahmen des Buches heraus. Sie beschreibt darin das Deutschlandbild der Polen in den letzten Jahren, wie es in der gegen die deutsch-polnische Verständigung gerichteten Äußerungen der Kaczynski-Regierung bzw. ihrer Parteigänger deutlich wird. So informativ diese Zusammenstellung auch ist, so beschäftigt sie sich doch nur kurz mit den Auswirkungen dieser Einstellungen auf die aktuelle Geschichtsdarstellung in den polnischen Museen.

Die thematische Einzelarbeit beginnt mit Hans-Jürgen Bömelburgs Text, der die Frage behandelt, wie die sächsisch-polnische Union in deutschen und polnischen Museen dargestellt wurde und wird. Bömelburg kann exemplarisch und gut nachvollziehbar zeigen, wie die Ausstellungspraxis von politischen Konjunkturen geprägt wurde. Heute sei in Polen die Frage, ob die sächsisch-polnische Union eine Zeit des Niedergangs oder eine kunsthistorische Epoche von europäischem Rang gewesen sei, noch umstritten, während in Deutschland das Interesse an dieser Zeit nur regional existiere. Dabei würden die Überreste dieser Zeit weiterhin als deutsches Kulturerbe beansprucht. Auch die Entwicklung des Posener Museums von 1885-1918, die Tadeusz J. Zuchowski beschreibt, zeigt, wie wechselnde politische Intentionen die Aussagen des Museums beeinflussten. Das Museum in Posen, ursprünglich eine regionale, auch von polnischen Posenern unterstützte Initiative zur Stärkung der regionalen Kulturlandschaft, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem Instrument der Germanisierung gemacht, das die Überlegenheit der deutschen Kultur beweisen sollte. Nach 1918 wurde das Museum dann in ein polnisches Museum umgewandelt, das nun nur noch polnische Kultur und Geschichte präsentierte.

Leider wird die Zwischenkriegszeit im Sammelband kaum bis gar nicht beachtet. Die zwei nächsten Aufsätze beschäftigen sich mit der Selbstdarstellung der deutschen Besatzer in Polen während des Krieges. Sabine Arends Aufsatz zeigt, wie die nationalsozialistische Kunstgeschichte in einer Ausstellung über den „deutschen Meister“ (S. 105) in Krakau 1941 den deutschen Anspruch auf die Territorien im Osten festschrieb und durch den Führungsanspruch der deutschen Kultur im Osten die Neuordnung Polens nach „rassischen“ Kriterien unterstützte. Die Botschaft der NS-Ausstellungen im „Generalgouvernement“ 1940-1944 galt ebenfalls, so Lars Jockheck, der vermeintlichen Überlegenheit der Deutschen gegenüber den Polen. In den „Hygiene-Ausstellungen“ (S. 123) sei die rassistische Mordpraxis in Polen quasi nebenbei begründet worden, zugleich sollten diese Ausstellungen der Ablenkung auch der einheimischen polnischen Bevölkerung dienen. Anders die Kulturausstellungen, die die imperiale Expansion des Deutschen Reiches explizit unterstützen und der Erfindung einer neuen Identität der Deutschen im besetzten Polen dienen sollten und sich vorwiegend an Deutsche richteten.

Die Zeit der Volksrepublik wird – abgesehen von den entsprechenden Passagen in Bömelburgs Aufsatz – nur von Andreas Mix untersucht, der sich mit der Darstellung der Deutschen in den staatlichen Gedenkstätten Majdanek und Auschwitz beschäftigt. Nach einer ersten Phase der Beweissammlung und -sicherung gleich nach der Befreiung der Konzentrationslager wurden 1947 staatliche Gedenkstätten gegründet, in denen erste Ausstellungen die Verbrechen dokumentierten. In den 1950er-Jahren erhielten die Gedenkstätten im Zuge des Kalten Krieges neue Ausstellungen, die sowohl den ewigen deutsch-polnischen Kampf mit den NS-Morden als Höhepunkt als auch den „Kampf um den Frieden gegen das kapitalistische Lager“ (S. 148) beschworen. Seit dem Ende des Stalinismus entwickelten sich die Gedenkstätten zu multifunktionalen Orten „der Erinnerung, der Forschung und der historisch-politischen Bildung“ (S. 150). Nach 1989 wurden die Ausstellungen überarbeitet und entideologisiert, neue Dauerausstellungen, die sich differenziert mit den Deutschen als Täter, Profiteure und Opfer auseinandersetzten, seien bisher noch nicht erarbeitet worden.

Einen sehr vielfältigen und differenzierten Blick auf die ehemaligen deutschen Bewohner von Lodz kann Krystyna Radzizewska in ihrem Aufsatz für die Museumslandschaft der Stadt Lodz nachweisen. Hier werden seit den 1990er-Jahren in Dauerausstellungen der Museen für Stadtgeschichte oder auch des Museums für Textilwesen, ebenso wie in den kunsthistorischen Museen an die Geschichte der deutschen Bewohner von Lodz und an das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Nationalitäten vor dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Die Stadt versucht seit den 1990er-Jahren, den positiven wie negativen Anteil der Deutschen an ihrer Regionalgeschichte als Teil der eigenen Geschichte zu begreifen und zu vermitteln. So wird nicht nur an die großen Textil-Industriellen erinnert, sondern auch an das kulturelle und kirchliche Leben der Deutschen vor dem Krieg. Dabei bleibt die Krieg- und Besatzungszeit weiterhin präsent, als Teil der Ausstellungen im Stadtmuseum, aber auch separat, etwa im neuen Museum Radegast zur Erinnerung an die Vernichtung der Insassen des Ghettos Litzmannstadt.

Die zwei abschließenden Beiträge fallen wieder aus dem Rahmen des Sammelbandes heraus, da Wolfgang Kessler einen Überblick über die Materialien zur Geschichte der Deutschen im Gebiet der Zweiten Polnischen Republik in Archiven und Bibliotheken der Bundesrepublik gibt. Dieser Überblick ist dennoch zweifelsohne kenntnisreich und sehr informativ für alle, die sich mit diesem Thema beschäftigen, da nicht nur die großen staatlichen Archive und Bibliotheken, sondern auch kleine private Gründungen und Stiftungen mit einbezogen wurden. Susanne Peters-Schilgen nimmt in ihrem Aufsatz eine deutsche Darstellung der Geschichte Oberschlesiens (im Landesmuseum Ratingen) in den Blick, die sie vor allem für die Nachkriegszeit als lückenhaft kritisiert, die Entwicklung des Landes und seiner Einwohner nach 1945 käme zu kurz. Diese Schwächen würden jedoch ausgeglichen durch eine ganze Reihe von Tagungen, Ausstellungskooperationen und anderweitigen Projekten (z.B. mit Schulen in Oberschlesien), die das Museum in Zusammenarbeit mit Partnern in Polen und Tschechien durchführe.

Die Aufsätze des Bandes sind durchweg informativ und gut lesbar. Die Einzeluntersuchungen zu den Museen und Ausstellungsthemen bieten einen guten Einstieg ins Thema sowie weiterführende Literaturhinweise, wenn sie auch mit ihren Ergebnissen wenig überraschen. Auch die Aufsätze, die nicht zum Kernthema des Buches gehören, bieten eine Fülle von Informationen. Insgesamt gesehen bietet der vorliegende Tagungsband solide Informationen und bindet bislang wenig beachtete Quellen zur deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte stärker in die Forschung ein.

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