D. Münkel u.a. (Hrsg): Medien und Imagepolitik im 20. Jahrhundert

Cover
Titel
Medien und Imagepolitik im 20. Jahrhundert. Deutschland, Europa, USA


Herausgeber
Münkel, Daniela; Seegers, Lu
Erschienen
Frankfurt am Main 2008: Campus Verlag
Anzahl Seiten
335 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Schicha, Fachbereich Medienmanagement, Mediadesign Fachhochschule Düsseldorf

Wenn sich George Bush und Wladimir Putin durch eindrucksvolle Posen wahlweise als Kriegsheld oder im Rambolook ablichten lassen, wird klar, dass hier nicht inhaltlicher Sachverstand, sondern das Image von führungsstarken Machtpolitikern ausgerufen wird. Neben der inhaltlichen Kompetenz ist für die öffentliche Wirkung von Politikerinnen und Politikern vor allem ihre Darstellungsfähigkeit von zentraler Bedeutung, die auch dankbar von den Medien aufgegriffen wird. Beim Kampf um die mediale Aufmerksamkeit zur Reduktion von Komplexität ist es für Volksvertreter besonders erfolgversprechend, prägnante Imagemerkmale zu entwickeln, um einen positiven Eindruck bei den Wählern zu erreichen, Orientierung zu ermöglichen und Abgrenzung zum politischen Gegner zu bewerkstelligen. Wie derartige Strategien entwickelt werden, wird in dem Sammelband von Münkel und Seegers herausgearbeitet. Hierbei wird auf die Beiträge einer Fachtagung an der Universität Hannover zurückgegriffen, die im Herbst 2007 stattgefunden hat.

Das Buch ist in vier Bereiche unterteilt. Nach einer Einleitung der Herausgeber/innen widmet sich Teil I dem Aspekt von „Imagepolitik und Politikerimages“. Hier werden exemplarisch die Selbstdarstellungsstrategien ausgewählter Politiker skizziert. Das Spektrum reicht von den bundesdeutschen Politikern Willy Brandt und Rainer Barzel, über den amerikanischen Präsidenten Kennedy bis hin zu den Repräsentationen von Politikern in Polen und der DDR von den 1950er- bis zu den 1990er-Jahren. Zudem richtet sich der Fokus auf das Image von Politikern in fiktionalen Film- und Fernsehbeiträgen in Deutschland.

Teil II beschäftigt sich mit dem Schwerpunkt „Nation und Konsum“. Hier richtet sich der Blick zunächst allgemein auf „Produktimages und Geschichte im 20. Jahrhundert“. Darüber hinaus werden beispielhaft Charakterzüge amerikanischer Stereotype und Images sowie die Weltkriegsdebatte in der Schweiz erörtert.

Teil III setzt das Thema „Prominenz und Populärkultur“ auf die Agenda. Die allgemeine Relevanz von Helden und Stars in den Massenmedien steht hier ebenso im Zentrum des Interesses wie Wertewandelprozesse, die sich auch in postmodernen Mediengesellschaften aufzeigen lassen. Hierbei werden unter anderem die Inszenierungsstrategien von den „Stars der Revolte“ der Kommune I vorgestellt, die im Rahmen der bundesdeutschen Studentenbewegung eine prominente Rolle gespielt haben.

Der abschließende vierte Teil erörtert den Bereich „Stadt und Raum“. An dieser Stelle wird die „Popularisierung der Suburbanisierung im 20. Jahrhundert“ ebenso angesprochen wie die Einzelfallanalyse zum Image des Wiederaufbaus der Stadt Bremen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der letzte Beitrag des Sammelbandes widmet sich schließlich „Funktion und Wandel von Stadtvorstellungen und Städtebildern in der DDR“.

Nun zu den einzelnen Beiträgen. In ihrer Einleitung verweisen die Herausgeber/innen auf die historischen Wurzeln des Imagebegriffs unter Rekurs auf die Aussagen des amerikanischen Journalisten Walter Lippmann, der „den Begriff für politisch stereotype Vorstellungen“ (S. 10) gebraucht hat. Images werden vor allem im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit kreiert. Dabei werden Selbst- und Fremdbilder von Personen, Organisationen sowie Städten und Nationen entworfen, die sich zentral an der öffentlichen Meinung orientieren. Dabei müssen sie „[...] an virtuelle Wertvorstellungen und Haltungen in einer Gesellschaft anknüpfen.“ (S. 11) Letztendlich kommt es darauf an, das Image einer Person, eines Produktes oder eines Ortes zu verbessern, bzw. im Fall des Negative-Campaigning zu verschlechtern. Als Gründe für die stärkere Relevanz der Imagebildung seit den 1950er-Jahren werden die ansteigende Bedeutung der Meinungsforschung, der Einfluss externer Berater (Spin-doctors) sowie der zunehmende Einfluss des Fernsehens angesehen. So hat Kennedy „Zusammenkünfte mit Künstlern, Intellektuellen und Showstars“ (S. 32) eindrucksvoll medial inszeniert, um von der Prominenz der Stars zu profitieren.

Münkel zeigt im ersten Teil des Bandes in ihrem fundierten Überblick auf, dass sich auch die SPD zu Zeiten von Willy Brandt von den amerikanischen Aktivitäten inspirieren ließ. Behrens betont in seiner Analyse der Imagebildung sozialistischer Staatschefs wie Ulbricht, dass die „Verankerung im Parteiapparat“ (S. 81) und die Fokussierung auf die Rolle des Landesvaters als Strategie genutzt wurden, um Akzeptanz und Zustimmung zu erreichen. Hier zeigt sich bereits, dass die Vergleichbarkeit zwischen demokratischen und sozialistischen Rahmenbedingungen kaum möglich ist. Classen hingehen richtet seine Aufmerksamkeit auf einen ganz anderen Bereich. Er bezieht sich auf die Imagebildung von Politikern in fiktionalen Film- und Fernsehbeiträgen. Im Rahmen seines historischen Überblicks seit den 1950er-Jahren geht er davon aus, dass die entsprechenden Beiträge als „’seismographische’ Quellen des gesellschaftlichen Wertewandels gelten“ (S. 97) und Ordnungsvorstellungen prägen können. Gleichwohl sollte auch an dieser Stelle bedacht werden, dass die künstlerische Verfremdung in den Film erneut neue Bezüge herstellt. Insofern stehen die durchaus lesenswerten Artikel aufgrund ihrer unterschiedlichen Untersuchungsausrichtungen recht unvermittelt nebeneinander.

Gries weist in seiner geschichtlichen Analyse im zweiten Teil über Produktimages und Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert darauf hin, dass Marken wie Coca-Cola über Jahrzehnte hinweg „überraschende Kontinuitäten und Konstanzen“ (S. 125) aufweisen, da sie von Generation zu Generation weitergegeben würden. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Stereotypen und Images aus der Perspektive amerikanischer Publizisten von 1890 bis 1930 reflektiert von Saldern in ihrem Beitrag. Images sind im Unterschied zu Stereotypen einem stärkeren Wechsel unterworfen, obwohl beide vereinfachen und schematisieren. Die notwenige historische und begriffliche Fundierung des Imagebegriffes ist im Rahmen der Analysen durchaus hilfreich.

Eine nahezu identische Zeitspanne wie von Saldern reflektiert auch Wendt im dritten Teil über Massenmedien sowie über die Relevanz von Helden und Stars in den USA von 1890 bis 1929. Er zeigt auf, dass das Phänomen der „It-girls“, das bis heute als Etikett auf Medienphänomene wie Paris Hilton geheftet wird, am Beispiel von zahlreichen Filmstars bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu beobachten war. Dem Flieger Charles Lindbergh wurde bereits Mitte der 1920er-Jahre ein Heldenstatus zugesprochen, der sich zum Beispiel in seiner Fanpost niederschlug: In Juni 1927 erhielt er aufgrund der Berichterstattung über seine Flugleistungen etwa „dreieinhalb Millionen Briefe, 14.000 Pakete und 100.000 Telegramme. Die Lindbergh Hysterie schien keine Grenzen zu kennen [...]“ (S. 197). Als eine Identifikationsstrategie für das Publikum wurde damals bereits die Herkunft aus einfachen Verhältnissen betont. Diese Strategie hatte übrigens auch Gerhard Schröder im Bundestagswahlkampf 1998 konsequent angewandt. Imagebrüche werden hingegen in dem Beitrag von Segers problematisiert, die die Prominentenberichterstattung in Programmzeitschriften und Illustrierten untersucht hat. Am Beispiel von Romy Schneider wird zum Beispiel deutlich, dass ihre Diskrepanz „zwischen enormer Selbstständigkeit und großen Abhängigkeiten“ (S. 207) immer wieder in den Medien erörtert worden ist. Entsprechende individuelle Wandlungsprozesse zeigen sich auch in weiteren Fallbeispielen, bei denen gesellschaftliche Wertewandlungstendenzen auch auf die einzelnen Prominentenimages in Deutschland von 1950 bis 1980 zurückwirken. Es wird herausgearbeitet, dass „Fernsehstars als Multiplikatoren für neue Wertevorstellungen in Ehe und Familie“ (S. 214) in Erscheinung traten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde dabei ebenso thematisiert wie die außereheliche Beziehung und Scheidung. Wenig konventionell verhielten sich auch die Bewohner der Kommune 1 seit dem Ende der 1960er-Jahre, deren Selbstdarstellungsstrategien von Siegfried beleuchtet werden. Gezielte Provokationen der durchaus geschäftstüchtigen Protagonisten wie Uschi Obermeier sorgten dafür, dass das öffentliche Interesse an den Aktivitäten der Wohngemeinschaft lange anhielt. Die entsprechenden Wege von Selbstvermarktungsprozessen bei der Produktion, Distribution, Rezeption und Nutzung sowie der Weiterverarbeitung am Beispiel der Popmusik werden daran anknüpfend von Jacke systematisch herausgearbeitet. Dabei wird sorgfältig zwischen Kommunikationsinstrumenten, Medientechnologien, Sozialsystemischen Organisationen und Medienangeboten differenziert, die jeweils ihren Betrag dazu leisten, die öffentliche Meinung strategisch zu beeinflussen. In diesem Kapitel ist m. E. am stärksten der „rote Faden“ zu erkennen. Hier werden Helden, Stars und Prominente aus unterschiedlichen Bereichen miteinander verglichen. Dadurch kann eine angemessene Typologie der Populärkultur hinsichtlich der Imagebildung herausgearbeitet werden.

Im vierten Teil des Buches wird deutlich, dass der Imagebegriff auch auf die Dimension des Raumes angewendet werden kann. Symbolische Stadtpolitik bietet Sinnstiftungs- und Identifikationsangebote, um eine Positionierung der entsprechenden Städte in Konkurrenz mit den Mitbewerbern zu erreichen. Der Beitrag von Woyke macht deutlich, dass das idyllische Häuschen im Grünen gerade für junge Familien in der Bundesrepublik zunächst ein anzustrebendes Ideal darstellte. In der DDR hingegen entwickelte sich zunehmender Frust, da die durch den Sozialismus ausgerufenen Träume auf eine Verbesserung der Lebensqualität in den ostdeutschen Städten nicht verwirklicht werden konnten, wie Springer in seinem Beitrag über die Industriestadt Schwedt aufzeigt. Hier ergibt sich erneut die Problematik, dass der Vergleich zwischen den Wohnbedingungen in Ost und West nicht ausreichend politisch eingerahmt wird und insofern eine Vergleichbarkeit unbefriedigend bleibt.

Insgesamt stellt der Sammelband einen interessanten Beitrag dar, der den aktuellen Stand zur historischen Forschung bei der Imagebildung in unterschiedlichen Kontexten differenziert aufzeigt. Wie viele Sammelbände leidet die Publikation allerdings unter einer ausgesprochen heterogenen Struktur. Das vierte Kapitel zu „Stadt und Raum“ weicht dabei besonders stark von den ersten drei Kapiteln ab. Grundsätzlich ist die Vergleichbarkeit der demokratischen, sozialistischen und kommunistischen Fallbeispiele nur bedingt möglich, da die Rahmenbedingungen und Steuerungsmechanismen in den jeweiligen Staaten stark differieren. Auch kann eine angemessen vergleichbare historische Einordnung kaum geleistet werden, wenn der Untersuchungszeitraum der einzelnen Aufsätze zum Teil von 1890 bis in die Gegenwart reicht.

Die gut recherchierte Beschreibung der einzelnen Imagestrategien ist zwar durchaus interessant. Auch bieten zahlreiche Aufsätze wertvolle Informationen für die weitere Imageforschung. Was vielen Beiträge jedoch fehlt, ist ein Bewertungsmaßstab für die jeweilige Imagebildung. Kriterien für die normative Angemessenheit und Glaubwürdigkeit werden in dem Band leider kaum reflektiert.

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