K. McDermott u.a. (Hrsg.): Revolution and Resistance in Eastern Europe

Cover
Titel
Revolution and Resistance in Eastern Europe. Challenges to Communist Rule


Autor(en)
McDermott, Kevin; Stibbe, Matthew
Erschienen
Dorset 2006: Berg Publishers
Anzahl Seiten
224 S.
Preis
₤ 19,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
José M. Faraldo, Universidad Complutense de Madrid

Das von Kevin McDermott und Mathew Stibbe herausgegebene Buch wird vom Verlag als „an excellent overview of the great turning points in the history of communist-dominated Eastern Europe” sowie als “a comprehensive critical analysis of the varying forms of dissent in the East European socialist states” gefeiert. Das Buch soll, laut Umschlag, auf “archive material only accessible since 1989” basieren. Allerdings werden diese Erwartungen teilweise nicht erfüllt, da der Band keine neuen Erkenntnisse für Spezialisten bringt. Als Überblick sind die verschiedenen Teile jedoch zu unterschiedlich und lassen zu viele wichtige Themen und geographische Bereiche unberücksichtigt. Die Herausgeber versuchen, die unstrukturierte Vielfalt des Bandes durch die Einleitung zu überwinden. Diese ist jedoch eher von phänomenologischer als von theoretischer Natur, was nur bedingt hilft, das komplexe Verhältnis von Revolution und Widerstand im ehemaligen Sowjetblock zu verstehen.

Das Buch ist in drei Teile mit je drei Aufsätzen aufgeteilt. Dazu kommen das Vorwort, die Einleitung und ein Nachwort. Die Teile sind chronologisch von 1945 bis 1989 geordnet, der behandelte geographische Raum erstreckt sich von der Sowjetunion bis zur DDR, Jugoslawien „bis 1948“ eingeschlossen, jedoch ohne Albanien.

Wie die Herausgeber in der Einleitung begründen, sucht die Sammlung eine kritische „Exploration“ von so genannten „flashpoints“ im Verhältnis der osteuropäischen Staaten zur Sowjetunion sowie in den Versuchen der kommunistischen Parteien, den relativ bedeutenden Widerstand und die Opposition zu bewältigen. Unter „flashpoints“ verstehen die Herausgeber Ereignisse wie den sowjet-jugoslawischen Streit 1948, den ostdeutschen Aufstand 1953 sowie die Ungarische Revolution 1956, den Prager Frühling und Solidarność in 1980/81 (S. 1).

So theoretisch banal diese „Explosionen“ klingen können, klären die Herausgeber mehr ihren Widerstandsbegriff, als dass sie eine Typologie der Arten des Widerstandes im Kommunismus entwickeln. Der erste Typus ist für McDermott und Stibbe der „Nationale Kommunismus“, der wiederum in zwei Gebiete aufgeteilt wird: kommunistische Staaten, die gegenüber der Sowjetunion in der Außenpolitik autonom sein wollten und Staaten, die einen „nationalen Weg zum Kommunismus“ beanspruchten, gleichzeitig jedoch die Vormachtstellung der SU in den internationalen Beziehungen akzeptierten. Ein zweiter Typus ist der intellektuelle Dissens, der allerdings fast alles einschließen kann: Hier werden die ungarischen Maoisten zusammen mit Paul Goma in Rumänien geordnet. Der dritte Typus ist der „bewaffnete bäuerliche Widerstand“, das heißt die antikommunistischen Partisanen, was die Herausgeber auf die Balkanstaaten – Rumänien eingeschlossen – begrenzen. Als vierter Typus werden die „populären Proteste gegen die kommunistische Herrschaft“ wahrgenommen; Streiks, Aufstände und die Solidarność-Bewegung gehören dazu.

Diese Topologie des Widerstandes widerspricht teilweise der Arbeitsdefinition, die McDermott und Stibbe selbst als „ die nützlichste“ ausgewählt haben, nämlich dem Begriff, der von Lynn Viola, der bekannten Stalinismusexpertin, entwickelt wurde (S. 2). Die Typen, mit denen McDermott und Stibbe die Vielfalt des Widerstandes katalogisieren wollen, gehören alle einem bewussten und selbstdefinierten Widerstand, mit politischen oder politisierbaren Zügen an. Dagegen zielt Violas Definition eher auf unbewussten, alltäglichen und nicht direkt politischen Protest.

Die Aufsätze selbst gruppieren sich, wie bereits gesagt, in drei mehr oder weniger chronologische Teile: Stalinismus/Entstalinisierung, Prager Frühling und Solidarność sowie die „Revolutionen“ von 1989. Allerdings kann man auch die einzelnen Artikel thematisch einordnen. Als wirklicher „overview“ dürfte nur Denis Deletants Zusammenfassung der unterschiedlichen Arten des Widerstandes in Rumänien zwischen 1945 und 1989 gelten. Stibbes Beitrag über die neuen Forschungen über den ostdeutschen Aufstand 1953, Kieran Williams Aufsatz über den Prager Frühling, Bartosz Kaliskis über Solidarność sowie die Beiträge Peter Grieders und James Krapfts über die Revolutionen von 1989 in der DDR und in der Tschechoslowakei kann man als kurze Zusammenfassungen der neuen Forschungen über die jeweiligen Themen betrachten. Johanna Granville und Nigel Swain versuchen eine Annäherung an 1956 und 1989 in Polen und Ungarn aus einer interessanten komparatistischen Perspektive. Ein wenig fehlplatziert wirkt der Aufsatz von Leonid Gibianskii über das sowjetisch-jugoslawische Zerwürfnis. Gibianskii erläutert mit seiner gewohnten Eleganz und quellenreich, wie die Sowjets nach und nach immer mehr Angst vor der wachsenden Unabhängigkeit Titos, eigentlich bisher ein stalinistischer Musterschüler, in internationalen Fragen entwickelten.

Ist das Buch zu empfehlen? Ja. Wie bereits angedeutet, sind die einzelnen Aufsätze kompakt, interessant, sogar erfrischend, und als Unterrichtshilfe kann das ganze Buch sich als sehr hilfreich erweisen. Es ist jedoch das Ganze, was den Leser vermuten lässt, es handle sich eher um das zufällige Produkt einer Konferenz als um das Resultat einer von vornherein geplanten Analyse des Themenkomplexes „Widerstand im Kommunismus“.

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