J. Zemlička: Böhmen im Zeitalter der Fürstenherrschaft

Titel
Čechy v době knížecí (1034–1198). [Böhmen im Zeitalter der Fürstenherrschaft (1034–1198)]


Autor(en)
Žemlička, Josef
Anzahl Seiten
712 S.
Preis
Kč 399,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karel Hruza, Institut für Mittelalterforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

Lange Zeit wurde die tschechische Forschung zu Böhmen im Hochmittelalter durch den 1913 von Vàclav Novotný veröffentlichten Band „Von Břetislav I. zu Přemysl I.“ (1034-1198) bestimmt.1 Erst in den 1990er-Jahren wurde dieses bis dahin unumstrittene Standardwerk in tschechischer Sprache durch Arbeiten von Josef Žemlička und Marie Bláhová weitgehend ersetzt; Žemličkas Werk über „Böhmen im Zeitalter der Fürstenherrschaft“ (1997) gilt seitdem als maßgebliches Werk zu diesem Thema.2

Dennoch ist grundlegende Kritik an einigen Ansichten Žemličkas geübt worden, und so lohnt es sich, in dieser Rezension einen Blick auf die „neue erweiterte und ergänzte Auflage“ von 2007 zu werfen. Abgesehen von einem zentralen Schlusskapitel „‚Böhmen im Zeitalter der Fürstenherrschaft’ nach zehn Jahren. Bilanz und Ausblick“ (S. 403–423) und Ergänzungen im Apparat gleicht diese Neuauflage fast seiten- und inhaltsgetreu der Erstauflage.

In seiner Einleitung (S. 5) beschreibt Žemlička zunächst die konzeptionelle Ausrichtung seines Buchs und skizziert die Forschungstendenzen zur Přemyslidenzeit vor der Wende 1989. Vorherrschend war zum einen in dieser Zeit ein statisches Verständnis des frühmittelalterlichen Staates, der „als ein Monolith betrachtet [wurde], der im 10. Jahrhundert heranreifte und in verhältnismäßig unveränderter Form bis zum Ende des 12. Jahrhunderts überdauerte.“ (S. 7) Dem gegenüber möchte Žemlička das dynamische Bild von weittragenden Veränderungen in den behandelten zwei Jahrhunderten präsentieren. Zum anderen unterlag die Mediävistik vor 1989 einer ideologischen Kontrolle zwar weniger als die Erforschung der Neuzeit und Zeitgeschichte, wie Žemlička in seinem Schlusskapitel beschreibt (S. 405, u.a.: „… konnte man im Ganzen über alles forschen“), doch verschweigt er, dass nur ideologisch standfeste Wissenschaftler des Instituts für tschechoslowakische Geschichte und Weltgeschichte der Akademie der Wissenschaften der ČSSR zur Erforschung des mittelalterlichen „Feudalismus“ herangezogen wurden. Zu ihnen zählte seit 1970 auch Žemlička selbst, der ab 1981 in leitender Funktion publizieren und „frei“ forschen konnte und noch in seiner 1990 erschienenen Biografie „Přemysl Otakar I.“ von einer in „Klassen“ gegliederten Feudalgesellschaft unter Hinweis auf Werke von Marx und Engels schrieb. Vor diesem Hintergrundwissen erhält Žemličkas Beschreibung „harmloser“ Forschungsverhältnisse einen bitteren Beigeschmack.

Die zweite Auflage seines Buchs begründet Žemlička, der durch die Ausübung verschiedener Ämter derzeit der formal einflussreichste tschechische Mediävist ist, wie folgt (S. 8): „Weil zehn Jahre gerade die Zeit sind, nach der nicht nur ein Buch dieses Schlages, sondern auch ein Haus oder ein Garten eine Erneuerung benötigen.“ Freilich, Besitzer älterer Häuser, vor allem so genannter Plattenbauten, wissen, dass es Fundamente und Bausubstanz gibt, die auch mittels Renovierung vor einem endgültigen Verfall nicht mehr gerettet werden können, in Tschechien vor allem dann, wenn zum Bau Material und Handwerk des realen Sozialismus zur Anwendung kamen. Wie stabil und tragfähig ist also das von Žemlička errichtete Haus „Böhmen im Zeitalter der Fürstenherrschaft“?

Das Buch ist in zwölf Hauptkapitel gegliedert und folgt dem chronologischen Ereignisablauf, wobei dieser durch thematisch orientierte Unterkapitel aufgelockert wird. Diese führen den Leser zunächst in die Welt des Mittelalters und in frühere Epochen der Geschichte Böhmens und Mährens ein und haben kulturelle, wirtschaftliche, religiöse und sozialgeschichtliche Themen zum Inhalt. Im dritten Kapitel wird die Herrschaft des Přemyslidenfürsten Břetislav I. behandelt und seine erfolgreiche Kriegsführung und Politik als ein bedeutender Einschnitt der böhmischen Geschichte gewertet. Das gilt ebenso für den chronologischen Schlusspunkt, die Verleihung der erblichen Königswürde an Přemysl Otakar I. 1198. Die Breite und stellenweise Farbigkeit der Darstellung bedingen zusammen mit dem Faktenreichtum den Erfolg des Buches. Ein Personen-, Orts- und Sachregister und zahlreiche Abbildungen vervollständigen die Publikation.

Žemlička vertritt in seiner Monographie exponiert das seit den 1960er-Jahren erarbeitete „mitteleuropäische Modell“ eines „Sonderweges“ der „Staaten“ Böhmen, Polen und Ungarn in ihrer Entwicklung bis zum 13. Jahrhundert, als diese Länder „in den Strom des europäischen ‚Feudalismus’ gezogen wurden“ (S. 411). Dieses „Modell“ habe trotz elementarer Kritik, die es etwa von dem Brünner Mediävisten Libor Jan erfahren hat, seine Richtigkeit (S. 406, 410f.). Integriert in das „Modell“ sind Phasen der geschichtlichen Entwicklung, die durch das Beutemachen („kořistná“ fáze), ein Benefizialwesen („beneficiární“ etapa) und zuletzt eine Privatisierung staatlichen Eigentums („privatizace“ či „odstátnění“ knížecího [= státního] majetku) gekennzeichnet werden (S. 407). Besonders der Begriff einer vom Adel vehement betriebenen „Privatisierung“, die zu einer Aushöhlung der postulierten, einst geschlossenen Herrschaft der Zentralgewalt geführt habe, wird gegen Kritik verteidigt (S. 411f.). Damit verbunden ist auch die Frage nach der verfassungsrechtlichen und sozialen Stellung eines Adels und seiner Herrschaftsausübung. Auch hier hält Žemlička – wieder gegen Libor Jan – an grundsätzlich älteren Ansichten fest (S. 416f.). Und ebenso weist er neueste Thesen Martin Wihodas über die Entwicklung des Fürstentums und Königreichs Böhmen sowie die Stellung Mährens zurück (S. 416–419). Mit der aufgezeigten Verdichtung der Herrschaft der Přemysliden sollen „Brüche“, „Wandel“, „Transformation“, „Modernisierung“ und „Konversion“ verbunden gewesen sein und insgesamt eine „lange Revolution“ darstellen (S. 411), wobei eine Differenzierung dieser Begriffe ausbleibt. In der Endphase habe der Herrscher sogar die „flächendeckende Kontrolle [!] über Land und Leute“ verloren, da seine ehemaligen Verwaltungs- und Gerichtsrechte auf „private Obrigkeiten“ übertragen wurden (S. 147, 408).

Diese Entwicklung bindet Žemlička stark an das Wirken der herrschenden „Dynastie“, was in prägnanten Äußerungen kulminiert, wenn etwa vom „Geschlecht der Přemysliden“ als „Gründerdynastie böhmischer Staatlichkeit“ gesprochen wird (S. 420). Einher geht damit konsequenterweise eine Fokussierung auf den „Staat“, dessen erfolgreiches Funktionieren und beständige Emanzipation vom römisch-deutschen Reich mit Freude zur Kenntnis genommen wird. Die an anderer Stelle postulierte „revolutionäre Implantation der Institution Staat“ in den böhmischen Ländern um das Jahr 1000 haben die Přemysliden gemäß Žemlička insgesamt bravourös gemeistert, so dass sie letztendlich ähnlich absolutistischen Fürsten regiert haben müssen.

Auffallend ist der unreflektierte Gebrauch etlicher Begriffe, der zu fragwürdigen Aussagen führt. Das gilt für die häufige anachronistische Verwendung von „Staat“ oder „deutsch“, die angebliche Existenz von „Territorien“ im 11. Jahrhundert (S. 175), einer „Landaristokratie“ oder einer „militärischen Ministerialität“ im Fürstentum Böhmen (S. 416, 279). Zur fragwürdigen Aussage: „Mit dem Christentum drang in die Böhmischen Länder das Bewusstsein von der Welt des kirchlichen kanonischen Rechts ein, das in seinem Wesen bis zum 13. Jahrhundert mit dem römischen Recht ineinanderfloss“ passt das nicht haltbare Unterkapitel „Eindringen des römischen und kanonischen Rechts“ (S. 172, 705). Überhaupt suggerieren manche Überschriften Entwicklungen für das 11. und 12. Jahrhundert, die so nicht stattfanden, was aber im jeweils zugehörigen Text nicht wesentlich korrigiert bzw. präzisiert wird.

Dem Buch ist deutlich anzumerken, dass sein gemäß dem Autor aus der Mitte der 1980er-Jahre stammendes Konzept bzw. „grundlegende Philosophie“ [!] (S. 406) mit größtenteils aus dem Westen stammenden neuen Erkenntnissen und Trends, die auch manches Mal plakativ übernommen wurden, angereichert wurde, was eine Art Temelín der Geschichtsforschung hervorbringt, wobei alte Fundamente trotz aller Sanierungsversuche das Gebäude tragen müssen. Žemlička bietet in seinem Haus und Garten eine national determinierte „Meistererzählung“ über den Aufbau des unabhängigen „böhmischen Staates“ im Hochmittelalter, in welcher zuvorderst die Leistung des Herrschergeschlechts der Přemysliden gefeiert wird. Es scheint, als habe Žemlička ein autoritatives Großnarrativ geliefert, das durchaus an sozialistische Meistererzählungen anknüpft.

Das Publikum muss also weiterhin auf eine mittelalterliche Geschichte Böhmens warten, die sich – entkleidet von nationalpolitischen Determinanten und Wunschvorstellungen – auf dem Stand der europäischen Mittelalterforschung bewegt. Bis dahin wird Žemličkas Haus bewohnt werden, danach wird es hoffentlich zur verlassenen Ruine. Am Ende des Buches steht die Ankündigung eines großen, unter der Leitung Žemličkas entstehenden Sammelwerkes mit dem Titel „Die Přemysliden – der Aufbau des tschechischen Staates“, das wohl an Ferdinand Peroutkas berühmtes Buch „Aufbau des Staates [= ČSR]“3 erinnern soll, genauso aber auf Zeiten des „sozialistischen Aufbaus“ verweist. Dieser neue Sammelband wird trotz des Versprechens, „neue konzeptionelle Blicke“ (sic!) auf die Epoche der Přemysliden zu werfen, das besprochene Buch wohl an Umfang, nicht aber in seinem Konzept qualitativ übertreffen.

Anmerkungen:
1 Václav Novotný, České dějiny [Böhmische Geschichte]. Bd. I,2: Od Břetislava I. do Přemysla I. [Von Břetislav I. zu Přemysl I.] (1034-1197), Praha 1913.
2 Josef Žemlička, Čechy v době knížecí [Böhmen im Zeitalter der Fürstenherrschaft] (1034-1198). Praha 1997; Marie Bláhová u.a., Velké dějiny zemí Koruny české [Große Geschichte der Länder der böhmischen Krone]. Bd. 1: Do roku 1197 [bis zum Jahr 1197], Praha 1999. Zur Geschichte Böhmens bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts vgl. auch Josef Žemlička, Počátky Čech královských [Die Anfänge des Königreichs Böhmen] 1198-1253. Proměna státu a společnosti [Wandel in Staat und Gesellschaft], Praha 2002.
3 Ferdinand Peroutka, Budování státu [Der Aufbau des Staates], 4 Bde, Praha 1933-36.

Kommentare

Von Zelenka, Jan18.02.2009

Die freie Diskussion und der Austausch von gegensätzlichen Meinungen sind eine notwendige Voraussetzung für die Forschung. Das unermüdliche Stellen von Fragen und Suchen nach Antworten gewährleistet der Wissenschaft ein genügendes Potenzial für ihre weitere Entwicklung und stellt zugleich eine notwendige Bedingung für ihr Überleben dar. Diese Voraussetzung gilt umso mehr bei den Geisteswissenschaften. Die auf den ersten Blick logisch aufgebauten und mit Argumenten untermauerten Theorien und Ansichten, die eine Generation von Forschern geprägt haben, werden durch die darauffolgende Forschergeneration stark verändert oder aufgegeben, ohne dass jene neuen Ideen automatisch Gültigkeit für die Zukunft erlangen. Dieser kontinuierliche Gedankenprozess bringt gleich mehrere Herausforderungen mit sich: Den Bedarf, den bisherigen Forschungsstand zu erfassen, die Fähigkeit ihn kritisch auszuwerten und eigene Ansichten zu formulieren, die Notwendigkeit, sie mit sinnvollen Argumenten zu verteidigen und nicht zuletzt das Bewusstsein, dass auch sie in hohem Maße relativ sind. Mit anderen Worten: die eigene Fehlbarkeit zuzugeben. Obwohl wir uns heute und sicherlich auch in der Zukunft in den Ergebnissen und der eigentlichen Herangehensweise an die Forschung nicht einig sind, sollten wir doch eine elementare Einigung darüber finden, auf welche Art und Weise eine korrekte und konstruktive Diskussion zu führen ist und wo sich die Grenzen befinden, die nicht überschritten werden sollten.

In der tschechischen Geschichtswissenschaft, die durch den westeuropäischen Diskurs inspiriert ist, war in den letzten Jahren eine hitzige Diskussion über den Charakter des mittelalterlichen Staates der Premysliden und über die (Dis)Kontinuität seiner Entwicklung entbrannt. Obwohl die fachliche Diskussion schon von Anfang an von allen Beteiligten auf eine zugespitzte Art und Weise geführt worden war, verlieh die Rezension der zweiten Auflage des Buches ‚Cechy v dobe knížecí [Böhmen im Zeitalter der Fürstenherrschaft]’, die in „H-Soz-u-Kult“ erschien 1, der ganzen Polemik eine völlig neue Dimension und zwingt uns zu einer Reaktion. Unser Ziel ist es nicht, in die eigentliche Fachdiskussion einzugreifen, sondern einige Überlegungen zur Struktur, zum Inhalt und zum Gesamtton der Arbeit des Rezensenten anzustellen.

Schon beim Lesen der ersten Absätze der Besprechung schleicht sich beim Leser unwillkürlich die Überzeugung ein, dass das Hauptproblem der nicht gerade schmeichelhaften Bewertung nicht nur der eigentliche Inhalt der Publikation sei, sondern allein die Tatsache, von wem sie verfasst wurde. Bevor der Rezensent überhaupt zu einer allgemeinen Vorstellung des Werkes schreitet, erinnert er in einigen Sätzen an das Wirken des Verfassers in der ehemaligen „sozialistischen“ Akademie der Wissenschaften der CSSR und charakterisiert ihn als einen der damals „ideologisch standfeste[n] Wissenschaftler“. Obwohl er danach auf einige strittige Punkte des Buches aufmerksam macht, die zurzeit einer Kritik unterzogen werden, bleibt er dem Leser grundlegende Informationen schuldig, die für die Beurteilung eines wissenschaftlichen Werkes erforderlich sind. Wir erfahren somit nicht, worauf die Umstrittenheit der Ergebnisse des Verfassers beruht, wovon ihre Kritik ausgeht und worauf sie basiert und ebenso wenig, welche anderen Lösungsansätze die Opponenten bzw. der Rezensent selbst anbieten. Das Grundgerüst der Rezension bilden somit nicht näher spezifizierte, mehr oder weniger offene Hinweise darauf, dass die Ausgangspunkte des Verfassers „ideologisch“ behaftet sind. Dem Leser wird ganz unverhohlen die Vorstellung unterschoben, dass der Autor, dessen Karriere noch in der sozialistischen Tschechoslowakei begann, a priori nicht imstande war, eine wertvolle wissenschaftliche Publikation zu liefern. Die Absurdität einer derartig aufgebauten Argumentation lässt sich allein mit dem Verweis auf ein einziges Beispiel aufdecken. 1965 erschien in derselben „sozialistischen“ Akademie der Wissenschaften das Buch von František Graus, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger2, das bis heute zu den anerkannten und laufend zitierten Werken der europäischen Mediävistik gehört. Die Kriterien wann, von wem oder unter welchen Bedingungen ein Werk verfasst wurde, können daher kaum als primäre Ausgangspunkte für die Zurückweisung wissenschaftlicher Publikationen und Theorien dienen.

Der gesamte Ton der Rezension ist eher ironisch. Der Rezensent macht auf den Makel aufmerksam, mit dem alles aus der Zeit des realen Sozialismus behaftet ist – seine Vorgehensweise entspricht dabei jedoch völlig der damaligen Rhetorik. Die Polemik aller autoritären Regime des vorigen Jahrhunderts basierte im Wesentlichen darauf, dass sie den Wert des Opponenten leugnete. Eine „falsche“ Herkunft, Rasse, Konfession, Angehörigkeit zu einer Minderheit oder politischen Gruppe und weitere Kriterien dienten zur Disqualifizierung von Ansichten und Stellungnahmen, noch bevor sie tatsächlich geprüft werden konnten. In der heutigen Wissenschaft sollte eine endgültige Ablehnung von Ansichten und Konzepten erst dann möglich sein, wenn es gelingt, mit Hilfe von sinnvollen Argumenten zu beweisen, dass sie ungültig sind. Darauf resignierte der Rezensent jedoch gänzlich. Die Rezension von Karel Hruza ist nur beleidigend. Sie beleidigt nicht nur Josef Žemlicka, den Verfasser der Publikation, sondern auch uns, seine ehemaligen und heutigen Schüler. Sie sollte im Grunde genommen jeden beleidigen, der die Arena der freien wissenschaftlichen Diskussion betreten möchte oder dies bereits getan hat. Zugleich waren wir unangenehm überrascht, dass sie auf den Seiten eines dermaßen prestigeträchtigen und unter den Forschern aller Generationen geschätzten Servers „H-Soz-u-Kult“ erscheinen konnte. Trotzdem glauben wir, dass ihre Veröffentlichung auch positive Auswirkungen haben wird. Sie sollte nämlich bei uns allen zu einem Einverständnis darüber führen, wo die Grenze liegt, die nicht überschritten werden sollte.

Jan Zelenka
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Historisches Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik; Doktorand an der Philosophischen Fakultät der Karluniversität in Prag
zelenka@hiu.cas.cz

Martin Musílek
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Das Zentrum der mediavistischen Studien in Prag; Doktorand an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag
martin.musilek@centrum.cz

Dana Dvorácková-Malá
Wissenschaftlicher Mitarbeiterin, Historisches Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik; Doktorandin an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag
dmala@seznam.cz

Robert Gája
Doktorand an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag
Robert.Gaja@seznam.cz

Jan Mareš
Staatliches Gebietsarchiv Litomerice
mares@soalitomerice.cz

Anmerkungen:
1 Karel Hruza: Rezension zu: Žemlicka, Josef: Cechy v dobe knížecí (1034–1198). [Böhmen im Zeitalter der Fürstenherrschaft (1034–1198)], Prag 2007. In: H-Soz-u-Kult, 21.01.2009, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2009-1-054>.
2 František Graus, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Studien zur Hagiographie der Merowingerzeit, Prag 1965.


Von Hruza, Karel20.02.2009

Den Anmerkungen der Schüler J. Žemlickas zu meiner Rezension, die am 18.2.2009 im Forum H-Soz-u-Kult veröffentlicht wurden, entgegne ich:

1) Der eigene Diskussionsstil J. Žemlickas ist derzeit nur für Leser mit Kenntnis der tschechischen Sprache fassbar.1

2) Bei meiner Rezension bin ich vom mediävistischen Forschungsstand zum römisch-deutschen Reich ausgegangen. Dass „Territorien“, „Landaristokratie“, „militärische Ministerialität“, „Eindringen des römischen[!] und kanonischen Rechts“, „flächendeckende Kontrolle über Land und Leute“ oder „private Obrigkeiten“ problematische oder falsche Wendungen für die Beschreibung v. a. des Früh- und Hochmittelalters sind, ist bekannt und nur durch grundlegende Erklärung zu vermitteln, die eine Rezension nicht leisten kann. Diese Wendungen sind auch für das böhmische Mittelalter nicht zutreffend.

3) Den Anlass, politische und ideologische Aspekte einzubringen, gab J. Žemlicka selbst mit seiner Apologie der mediävistischen Forschungen während der „Normalisierung“ in der CSSR. Als Basis meiner Kritik dient unter anderem der weiterhin aktuelle Text J. Mezníks von 1999 „Ethik der Arbeit des Historikers“.2 Nach J. Žemlickas damaliger politischer Aktivität habe ich im Übrigen nicht gefragt.

4) Der von den Schülern angerufene F. Graus hat in der freiheitlichen Atmosphäre in der CSSR vor 1968 das erwähnte Buch publiziert. Er hat später neben wichtigen Aufsätzen einige sehr anregende Bücher geschrieben.3 Diese Bücher erschienen in der Bundesrepublik Deutschland. F. Graus hatte nach dem Einmarsch des Warschauer Paktes 1968 die CSSR verlassen und fand Aufnahme in Deutschland und der Schweiz. Das Akademieinstitut, in dem er gearbeitet hatte, wurde im Zuge der neostalinistischen „Normalisierung“ umbenannt, Mitarbeiter wie J. Macek, J. Marek, J. Mezník und F. Šmahel entlassen oder versetzt und durch neues, politisch genehmes Personal ersetzt. Ähnliches geschah in der gesamten Akademie. Ob, wie J. Žemlickas Schüler behaupten, die „sozialistische“ Akademie der Wissenschaften der CSSR in der Mitte der 1960er Jahre „dieselbe“ war wie nach 1970, bezweifle ich stark. Damit halte ich auch den Rekurs, den die Schüler von den Arbeiten J. Žemlickas zu F. Graus vollziehen, für nicht angebracht.

Von meiner Seite ist die Diskussion um das rezensierte Buch J. Žemlickas abgeschlossen.

Anmerkungen:
1 Siehe etwa Josef Žemlicka, Mocren, Mogkran, Muckern. Kde hledat ríšský majetek Mocran et Mocran? in: Ceský casopisý historický 105 (2007) S. 305–348, hier etwa S. 306f. Anm. 2, und S. 334.
2 Jaroslav Mezník, Etika historikovy práce, in: Tvár stárnoucího stredoveku. Výbor clánku a studií, hg. v. Tomáš Borovský, Martin Wihoda u.a., Brno 2008, S. 16-21, hier 19f.
3 Struktur und Geschichte. Drei Volksaufstände im mittelalterlichen Prag (1971); Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter (1975); Die Nationenbildung der Westslawen im Mittelalter (1980); Pest – Geißler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit (1987); (Hrsg.) Mentalitäten im Mittelalter: methodische und inhaltliche Probleme (1987).


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