Transnational Histories of the United States of America

: America in the world. United States history in global context. New York 2007 : McGraw-Hill Publisher, ISBN 978-0-07-254115-1 336 S. $ 29,00

Mazlish, Bruce; Chanda, Nayan; Weisbrode, Kenneth (Hrsg.): The Paradox of a Global USA. . Stanford 2007 : Stanford University Press, ISBN 978-0-804-75155-1 218 S. $ 19,95

Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Kiran Klaus Patel, Europäisches Hochschulinstitut, Florenz

Die Geschichte der “globalen USA” verdichtet sich weiter zu einem Knotenpunkt von Studien zur transnationalen Geschichte. Nach Edward J. Davies’ "The United States in World History" (2006), Thomas Benders "A Nation Among Nations. America’s Place in World History" (2006) oder Ian Tyrrells "Transnational Nation. United States History in Global Perspective since 1789" (2007) sind jüngst zwei weitere Bücher erschienen, die sich der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika in transnationaler Perspektive nähern.1

Dabei fällt auf, wie stark in der Historiographie zu den USA die Versuche sind, über einen transnationalen oder globalen Zugang zu neuen Formen nationalhistorischer Synthese zu kommen. Weiterhin unterscheidet sich die Debatte von der etwa in Deutschland, bzw. zur deutschen Geschichte dadurch, dass sie stärker darum kreist, auch ein nichtakademisches Publikum zu erreichen. So zielt Guarneris "America in the World" noch expliziter und gezielter als die Werke von Davies, Bender und Tyrrell auf die Ausbildung von undergraduate students an amerikanischen Hochschulen und von Highschool-Schülern; bei seinem Werk handelt es sich um ein klassisches textbook. Er möchte damit gleich zu zwei Standardkursen eine Alternative bieten – einerseits zum Überblick über die Geschichte der USA, da diese in "America in the World" entgegen der nationalfixierten Ausrichtung bisheriger Werke in globale Kontexte gestellt wird; andererseits aber auch zu „global history classes“, da mit dem Buch der Ort der Vereinigten Staaten im globalen Kontext neu vermessen wird. Guarneri ist ein guter Kenner der Materie; unter anderem ist er mit dem Reader "America Compared" (1997) hervorgetreten, der vergleichende Studien zur US-Geschichte versammelte; sowie mit Überlegungen, wie Globalgeschichte stärker in die Lehre integriert werden kann.

Sein Werk ist somit für ein ganz spezifisches Segment des amerikanischen Buchmarktes geschrieben, und ein Blick in die Einleitung mag eventuell eher abschrecken. Diese setzt überaus niedrig an und rechnet unter anderem sehr grundsätzlich mit der bislang dominierenden, nationalfixierten Geschichte ab – unter anderem werde sie häufig nicht dem Ziel der Geschichtswissenschaft gerecht “to determine the truth about the past” (S. 2). Neben diesem naiven Wahrheitsbegriff kommt zum Beispiel auch das Stufenmodell, mit dem Guarneri die Phasen von Amerikas Ort in der Welt zu ordnen versucht, ziemlich schematisch daher.

Wer die Neuerscheinungen von Thomas Bender oder Ian Tyrrell kennt, mag deswegen versucht sein, Guarneris Buch vorschnell zur Seite zu legen. Das wäre jedoch bedauerlich, denn der Hauptteil des Buches ist auch für europäische Leser durchaus ein Gewinn. Das gilt vor allem für denjenigen, der mit der Geschichte der USA kaum vertraut ist – in knapper Form werden hier wesentliche Themen eingeführt und zugleich in übergreifende, komparative und beziehungsgeschichtliche Kontexte eingebunden. Stärker als die meisten ähnlichen Bücher spielt Guarneri dabei die Stärken des Vergleichs aus – sei es durch komparative Perspektiven auf das britische Kolonialsystem, die Sklaverei (etwa im Vergleich zu Brasilien und Russland) oder etwa die Geschichte des Sozialstaats. Diese Vergleiche mittlerer Reichweite machen den besonderen Wert des Buches aus, bilden jedoch auch eine Schwäche. Wenngleich transnationale Bindungen auch untersucht werden, läuft die Darstellung so immer wieder Gefahr, ihren Gegenstand zu reifizieren. Übergreifende, globale Tendenzen und Bewegungen hätten an verschiedenen Stellen mehr Beachtung verdient.

Sicherlich, Vieles bleibt zudem auf empirischer Ebene oberflächlich; Manches zu enzyklopäisch, Anderes zu wenig theoretisch reflektiert und zu wenig thesenhaft. Da für die Kolonialzeit ein Schwerpunkt auf den britischen Kolonien in Nordamerika liegt, entgeht auch dieses Buch nicht der Gefahr nationalhistorischer Teleologie, die es eigentlich zu bekämpfen sucht. Schließlich mag einem mit der Zeit auch die etwas simple geschichtspolitische Botschaft auf die Nerven gehen, dass die Amerikaner sich ihrer globalen Bindungen stärker bewusst sein sollten. Allerdings sollte man sich das Zielpublikum des Bandes vor Augen halten. Und für eine schnelle Orientierung kann man das Buch auch für Leser auf dieser Seite des Atlantiks empfehlen.

Der von Mazlish, Chanda und Weisbrode herausgegebene Sammelband ist dagegen von anderem Zuschnitt und Kaliber. Er geht zurück auf eine Zusammenarbeit zwischen dem 2001 gegründeten Yale Center for the Study of Globalization und der New Global History Initiative, die seit rund zehn Jahren mit interdisziplinärem Ansatz Globalisierungsprozesse beforscht. Ausgangspunkt ist eine paradoxe Prämisse, die Mazlish in der Einleitung des Bandes formuliert. Danach scheinen die USA als global mächtigster Akteur “resolutely determined not to live in the world it is helping to create through globalization” (S. 1). Der interdisziplinär zusammengestellte Mix der sich anschließenden Beiträge versucht dieses Paradox zu erklären oder aufzulösen. Einige der führenden Vertreter der “global history” sind in dem Band vertreten. Auf den historischen Beiträgen liegt im Folgenden das Interesse – zumal einige der anderen Kapitel nicht deren Augenhöhe erreichen.

Herausragend sind etwa die Beiträge von David Reynolds und Ian Tyrrell, die sich sehr gut komplementär lesen lassen und nicht zuletzt dadurch bestechen, dass sich zwischen ihnen produktive Spannungen auftun. Reynolds vertritt die überzeugende Doppelthese, dass die USA selbst Produkt der Globalisierung gewesen seien und in der Folgezeit diese wesentlich geprägt hätten, wobei sich die Art dieses Einflusses im Wesentlichen aus der US-amerikanischen Geschichte erkläre. Auf gerade einmal 15 Seiten entfaltet er ein vielschichtiges Gefüge an Faktoren, welche Amerikas globalem Agieren zugrundeliegen: unter anderem betont er das Wechselverhältnis von ethnischer Pluralität nach Innen und aggressivem Nationalismus nach außen; von Marktorientierung als Schlüssel wirtschaftlichen Erfolgs in Zusammenspiel mit einer sicherheitsfixierten Form von Staatlichkeit. Tyrrell dagegen konzentriert sich auf die inneramerikanischen Widerstände gegen ein globales Auftreten. Wesentliche Bedeutung räumt er dabei dem amerikanischen Selbstverständnis ein, historisch einen Sonderweg zu beschreiten. In überzeugender Weise erweitert er dabei die bereits oft erzählte Ideengeschichte vom “exceptionalism” um die Untersuchung der vielfältigen politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Folgen dieser Denkfigur.

Bemerkenswert ist daneben zum Beispiel Akira Iriyes Beitrag. Der Altmeister transnationaler Geschichte geht hier der Frage nach, wie sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts Amerikanisierung und Globalisierung zueinander verhielten. Er vertritt die These, dass beide Prozesse um 1900 relativ deckungsgleich waren, da sich “American goods and American ideals” (S. 47) auf der ganzen Welt verbreitet hätten. Für die Folgezeit diagnostiziert er demgegenüber eine wachsende Diskrepanz, die er nicht zuletzt aus der zunehmenden mentalen Selbstisolation der Amerikaner erklärt. Aufgrund seines normativen Globalisierungsbegriffes und der Tatsache, dass der Blick doch etwas einseitig auf die westliche Welt fällt und selbst das britische Empire unterbelichtet, ist der Beitrag ebenso anregend wie angreifbar.

Auch wenn der Band fast durchweg prominente Gelehrte zu Wort kommen lässt, sind auch hier nicht alle Beiträge von gleicher Qualität. Zum Beispiel bleiben Martin Shaws konzeptionelle Ausführungen über das Verhältnis von “world” und “global history” ziemlich unverbunden mit seiner etwas konventionellen Darstellung der Rolle der USA in den internationalen Beziehungen des 20. Jahrhunderts. Auch N. J. Demeraths Beitrag zu Globalisierung und Religion braucht zu lange, um zum Punkt zu kommen. Trotzdem ist die Lektüre des schlanken Sammelbandes äußerst gewinnbringend. Nicht die Empirie steht hier im Vordergrund, sondern der Versuch, übergreifende Thesen zu entwickeln, welche die künftige Debatte befruchten sollen. Das gelingt vielen der Beiträge in hervorragender Weise. Insgesamt wird an dem Buch künftig niemand vorbeikommen, der sich mit den USA und ihrem Ort in der Geschichte der Globalisierung beschäftigen möchte.

Beiden Büchern merkt man zudem an, dass sie ihre Motivation nicht zuletzt aus der Unzufriedenheit mit dem globalen Gebaren der Vereinigten Staaten unter Präsident George W. Bush ziehen. Wie das Ende dieser Ära und der Beginn der Amtszeit von Barack Obama die Debatte über die Geschichte der “globalen USA” ändern werden – sei es, dass dieser Strang der Geschichtsschreibung seiner politischen Aktualität, Brisanz und Bedeutung enthoben, stärker legitimatorisch-apologetische Züge annehmen oder aber in seiner kritischen Haltung verharren wird (was übrigens eine Relektüre der Werke aus der Ära Clinton nahelegt) – dies bleibt abzuwarten.

Anmerkung:
1 Vgl. dazu die früheren Besprechungen: Kiran Klaus Patel: Rezension zu: Bender, Thomas, A Nation Among Nations. America’s Place in World History, New York 2006, In: H-Soz-u-Kult 16.03.2007 <hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-1-182> und in: <geschichte-transnational.clio-online.net/rezensionen/2007-1-182>; sowie Kiran Klaus Patel: Rezension zu: Tyrrell, Ian: Transnational Nation. United States History in Global Perspective since 1789. Houndmills 2007. In: H-Soz-u-Kult, 29.05.2008, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-2-139>.

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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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