U. Adam: The Political Economy of J.H.G. Justi

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Titel
The Political Economy of J.H.G. Justi.


Autor(en)
Adam, Ulrich
Erschienen
Anzahl Seiten
317 S.
Preis
€ 58,20 Eur
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Inken Schmidt-Voges, Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit, Universität Osnabrück

Der Klappentext verspricht dem Publikum „shedding fresh light on Justi’s tortous biography and complex oeuvre […]“ – und dieser Anspruch wird, um es vorwegzunehmen, eingelöst.

Ulrich Adam legt mit seiner am Gonville & Caius College der Universität Cambridge entstandenen Dissertation die erste eigenständige Gesamtwürdigung des Werkes von Johann Heinrich Gottlob von Justi vor. Die institutionelle Herkunft ist im ganzen Werk präsent, denn der Anspruch des Wissenschaftshistorikers ist ganz dem seit Quentin Skinner und Alan Pocock bekannten Ansatz der Cambridge School verpflichtet. Die enge Verschränkung des historischen und biografischen Kontextes mit dem Oeuvre Justis zeigt die ganze Komplexität und Ambivalenz seiner Person, die vordergründigen Intentionen einiger Schriften als „Bewerbungsschreiben“ für eine Verwaltungskarriere, aber auch die vielschichtigen und intellektuell überaus spannenden Verzweigungen und Einflüsse der westeuropäischen Denktraditionen.

So mag das leitende Erkenntnisinteresse auf den ersten Blick erstaunlich simpel – ja beinahe schon banal – erscheinen: „Rather than viewing Justi as a quintessentially German thinker, I will argue that he was in fact firmly entrenched in the wider European intellectual context of the time and modelled his ideas primarily on those of contemporary west European, i.e., French and Anglo-Scottish authors“. (S. 15). Es enthüllt aber viel eher das große Forschungsdesiderat im Hinblick auf Werk und Person, da Justi bisher lediglich im Rahmen der Kameralistik als „typisch deutscher“ bzw. „typisch preußischer“ Verwaltungsdenker wahrgenommen wurde.

Den Schwerpunkt legt Adam in seiner Studie auf die Kernphase von Justis Schaffen in den 1750er- und 1760er-Jahren, die im Wesentlichen als „Wanderjahre“ zwischen der Abreise aus der Theresianums-Professur in Wien 1753 und seiner Ernennung zum Preußischen Inspektor für Bergbau, Glas- und Stahlmanufaktur 1765 bezeichnet werden können. Ausgangspunkt ist eine präzise Analyse des biographischen Kontextes, die von seinen Jugendjahren in Thüringen, dem Studium in Wittenberg bis zu seiner journalistischen Tätigkeit in Dresden reicht und vor allem auf seine Wiener Jahre eingeht. Seit 1750 war er als Erzieher der Söhne von Friedrich Wilhelm von Haugwitz angestellt, dem Chefdenker der Verwaltungsreformen Maria Theresias im Nachklang des Schlesischen Krieges. Durch Patronage gelang ihm nach einer Konversion zum Katholizismus die Ernennung zum Professor am renommierten Theresianum, wo erste Schriften zu den Policey- und Kameralwissenschaften entstanden. Nach Konflikten verließ Justi 1753 Wien, es schlossen sich unruhige Wanderjahre mit Stationen in Göttingen, Kopenhagen und Altona an, bis er endlich 1765, sechs Jahre vor seinem Tod, die erwünschte Festanstellung in preußischen Diensten erhielt.

Adam rekonstruiert die Kernthemen der Schriften Justis – eine „moderne Monarchie“, die notwendigen politischen Reformen sowie die Ökonomische Polizey – vor dem Hintergrund der europäischen Machtkämpfe in der Mitte des 18. Jahrhunderts, die im Siebenjährigen Krieg einen Höhepunkt erlebten.

Die unmittelbare Erfahrung des Krieges und seiner zerstörerischen Kräfte auf die produktive Substanz von Gesellschaften ließen Justi von Beginn an das Projekt einer „modernen Monarchie“ (S. 93) verfolgen, die ihre Stärke nicht so sehr in militärischen Aspekten, sondern durch wirtschaftliche Überlegenheit demonstrieren sollte. Pointiert argumentierte er unter Rückgriff auf die allgemeinen Debatten über eine staatliche Lenkung der Ökonomie, dass gerade die größeren Territorien im Alten Reich durch wirtschaftliche – und in deren Folge auch politische – Reformen eine Position erlangen würde, die sich durchaus mit Frankreich und England messen könnte. Sein Modell – Adam spricht in Anlehnung an das Duo Giddens/Blair vom „third way“ (S. 136) – war gekennzeichnet durch Elemente despotischer Systeme, vor allem eine starke, zentrale Exekutive und die „Wohltaten“ einer durch konstitutionelle Beteiligung begrenzten Monarchie. Seine Vorschläge zielten vor allem auf die Bedürfnisse des ambitionierten Brandenburg-Preußen, was ihm schließlich auch eine Anstellung einbrachte.

Spannend sind an Adams Studie dabei nicht so sehr die Ergebnisse zu Justis Werk, sondern der intellektuelle Weg und Denkprozess, der ihn zu den bekannten Vorschlägen gebracht hat. Denn führt man sich die ideenhistorischen Bezüge vor Augen, die lebhaften Auseinandersetzungen in philosophischen, politischen, ökonomischen und ästhetischen Debatten, an denen Justi mit Vehemenz teilgenommen hat, dann wird deutlich, dass man es hier nicht nur mit einem karriereorientierten Verwaltungsexperten zu tun hat, sondern mit einem Gesellschaftstheoretiker.

Als Beispiele für die gesamteuropäischen Debatten, die Justi aufgegriffen und verarbeitet hat, seien hier nur die Diskussionen um die Handels- und Produktionstätigkeit des Adels sowie um die sogenannten bürgerlichen Freiheiten erwähnt. Beide zielten nicht so sehr auf generelle und grundsätzliche Überlegungen, sondern auf Nützlichkeit und Anwendbarkeit im Hinblick auf die Bedürfnisse der jeweiligen Territorien. Bemerkenswert ist aber auch im Hinblick auf die Erörterung der politischen Modelle, dass nicht so sehr westeuropäische Vorbilder diskutiert wurden, sondern seine Entwürfe vor dem Hintergrund einer intensiven China-Rezeption stattfanden. Das entsprach durchaus der verbreiteten Sinophilie des 18. Jahrhunderts, andererseits bot es aber auch die Möglichkeit, neue Wege zu beschreiten, die nicht schon deshalb scheitern mussten, weil man sich einem potenziell „feindlichen“ Modell nähern müsste.

Es ist das große Verdienst dieser Studie von Ulrich Adam, die lang überfällige Synopse des Werkes von Johann Heinrich Gottlob von Justi zu leisten und damit tradierte Kuriositäten, Ambivalenzen und Ratlosigkeiten gerade zu rücken. Seine klare, präzise Sprache macht das Werk nachgerade zu einem Lesevergnügen – trotz oder wegen der nicht ganz einfachen Materie. Und für alle weiteren Forschungen, die durch diese Studie angeregt werden, bietet nicht nur das ausführliche Register, sondern vor allem eine nahezu 50 Seiten umfassende Konkordanz zu Justis Werk ein wichtiges Hilfsmittel.

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