M. Karmasin u.a. (Hrsg.): Krieg - Medien - Kultur

Cover
Titel
Krieg - Medien - Kultur. Neue Forschungsansätze


Herausgeber
Karmasin, Matthias; Faulstich, Werner
Erschienen
München 2007: Wilhelm Fink Verlag
Anzahl Seiten
186 S.
Preis
€ 22,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Günter Riederer, Stuttgart

Krieg ist Kommunikation – auf diese ebenso einfache wie zynische Formel lässt sich die Tatsache bringen, dass kriegerische Auseinandersetzungen auf vielfältige Weise Eingang in die Massenkultur einer medialisierten Welt gefunden haben. Die Geschichte des Krieges ist ebenso lang wie die Geschichte seiner Bilder, und die kollektiven Vorstellungen über den Krieg werden dadurch maßgeblich geprägt. Die visuelle Codierung von Gewaltstrukturen gilt heute selbst unter Militärstrategen als neuralgischer Punkt, da dadurch wesentlich über die gesellschaftliche Akzeptanz spezifischer Formen des Krieges entschieden wird. Krieg ist ohne Bilder nicht zu denken, und Medien strukturieren auf ganz entscheidende Weise unsere Wahrnehmung kriegerischer Handlungen.

Der Macht der Bilder vom Krieg widmet sich der vorliegende Sammelband, der einen interdisziplinären Zugriff auf das Thema sucht. Unter dem Titel „Krieg – Medien – Kultur“ sind sieben Beiträge versammelt, die sich den verschiedenen Facetten des Zusammenhangs von Krieg und Medien widmen. Die Publikation ist das Ergebnis einer Tagung, die in Kooperation mit der Universität Lüneburg an der Universität Klagenfurt ausgerichtet wurde. In ihrem Vorwort fordern die beiden Herausgeber einen interdisziplinären Ansatz zur Erforschung der Verbindung von Krieg, Medien und Kultur und formulieren als Ziel, den „integrativen Zusammenhang von Krieg und Medien“ zu beschreiben. Der vorliegende Sammelband ordnet sich damit in eine wissenschaftliche Diskussion ein, die seit einigen Jahren geführt wird und die in verschiedenen Publikationen ihren Niederschlag gefunden hat.1

In seiner einleitenden Skizze eines Forschungsprogramms zum Zusammenhang zwischen Krieg und Medien gibt Matthias Karmasin zunächst einen kurzen historischen Abriss des Themas Krieg als Medienereignis. Er stellt dabei fest, dass sich „Krieg (...) in den Medien und durch die Medien“ vollzieht (S. 16) und unterscheidet zwei Stränge der Diskussion: Krieg in der medialen Kommunikation (Kriegsberichterstattung, Augenzeugenschaft, fiktionale Bearbeitung in Büchern und Filmen) und Krieg durch mediale Kommunikation (Propaganda, Zensur, Information Warfare et cetera). Neue postmoderne Formen des Krieges setzen ganz offensiv auf die Kommunikation der Gewalt, und die Kriegspropaganda wird in die Hände von Public-Relations-Agenturen gelegt. Die Folge ist ein unspektakuläres Einsickern militärischer Sichtweisen in den Alltag und die Lebenswelt der Menschen. Am Schluss des Beitrages werden die Konturen des projektierten Forschungsprogramms genauer skizziert, das auf vier Säulen aufbauen soll: der Historisierung von Krieg und Medienkulturen, dem Problem der Supramedialität (Verflechtung und Interdependenz verschiedener Medien), der Herstellung von Kontext und der Frage der Existentialisierung (Grenzerfahrungen, Grenzen der Medialisierung).

Helmut Korte befasst sich in seinem Beitrag unter dem Titel „Die Mobilmachung des Bildes – Medienkultur im Ersten Weltkrieg“ mit den Feindbildern, die in den verschiedenen kriegführenden Nationen „erfunden“ und verbreitet wurden. Im Ersten Weltkrieg kam dabei ein Mix unterschiedlicher Medien zum Einsatz, der von der Lithographie über die Karikatur und Postkarten bis hin zu Filmen reichte. Korte präpariert einzelne immer wieder aufscheinende Motive der Kriegspropaganda heraus: auf Seiten der Entente das aufgespießte Baby und die abgehackten Kinderhände, auf Seiten der Mittelmächte das Stereotyp von den „verlausten Horden“ aus dem Osten. Abschließend werden die Motive für die Verbreitung dieser populären Feindbilder in den Blick genommen und verschiedene Erklärungsansätze gesucht: So hat die auffallende Konzentration im deutschen Kriegs-Spielfilm auf innenpolitische Probleme wohl damit zu tun, das soziale Konfliktpotential zu harmonisieren, das sich hinter der brüchigen Fassade der „Burgfriedenspolitik“ innerhalb der Kriegsgesellschaft des Deutschen Reiches verbarg.

Thomas Flemming widmet sich in seinem Beitrag den Feldpostkarten im Ersten Weltkrieg. Im Verlauf des Krieges beförderte die Deutsche Post pro Tag im Durchschnitt etwa 8,5 Millionen Feldpostkarten, Briefe und Pakete von der Front an die Heimat sowie in umgekehrte Richtung. Ausgehend von dem Befund, es bei der Feldpostkarte mit einem Medium zu tun zu haben, dass wirklich massenhafte Verbreitung fand, geht der Beitrag in vier Schritten vor: Er beschäftigt sich mit der Typologie der Bildmotive, der Rolle der Zensur, der Frage nach spezifischen Botschaften der Kartenmotive und den Feldpostkarten als Sammelobjekt. Gerade dieser letzte Punkt verdient besondere Aufmerksamkeit, denn zahlreiche Privatsammlungen haben Eingang in öffentliche Museen gefunden. Rudolf Stöber liefert unter dem Titel „Deutsche Kriege. Die Öffentlichkeit in den Kriegen zwischen 1870/71 und Zweitem Weltkrieg“ eine quantitative Analyse der öffentlichen Wahrnehmung des Krieges. Er stellt dabei die Frage in den Mittelpunkt, in welchem Ausmaß die Öffentlichkeit durch Kriegsberichterstattung getäuscht werden konnte.

Knut Hickethier wählt in seinem Beitrag einen mikrohistorischen Zugang. Im Mittelpunkt steht die Medienerfahrung und Mediennutzung des Soldaten Günter H. und seiner Freundin, der Angestellten Ursula P. Wie nutzten sie in Zeiten des Krieges die verschiedenen Medien? Was sagt das über die Reichweite und Wirkung von Radio, Feldpostbriefen, Tagebuch, Fotografien, Zeitungen und Kino? Hickethier kommt dabei zu interessanten Ergebnissen: Während die Wissenschaft Medien im „Dritten Reich“ vor allem unter ihrer mobilisierenden Funktion wahrgenommen hat, zeigt die Untersuchung dieser exemplarischen Einzelfälle, dass Kinobesuch, Radiohören und Zeitungslesen oftmals eine alltägliche Routine darstellten. Zudem kam es zu Überlagerungen zwischen öffentlichen und privaten Medien. Jörn Glasenapps Beitrag „Interventionskino und öffentliche Meinung“ beruht ebenfalls auf einer exemplarischen Einzelstudie. Er untersucht den Film „Sergeant York“ von Howard Hawks, der Anfang Juli 1941 uraufgeführt wurde und sich einem amerikanischen Helden des Ersten Weltkriegs widmet. Glasenapp versucht, Hawks’ Film in eine Reihe von Anti-Nazi-Filmen einzuordnen und den Zusammenhang zwischen Hollywood und der Bereitschaft der amerikanischen Regierung, in den Zweiten Weltkrieg einzugreifen, nachzuweisen.

Abschließend liefert Werner Faulstich einen literaturgesättigten Überblick über die mittlerweile zahlreich vorliegenden Veröffentlichungen zur Mediengeschichte des Nationalsozialismus. Faulstich unterteilt sein Thema in die Bereiche Primärmedien (Fest, Theater, Redner), Gestaltungsmedien (Repräsentationsbauten, Statuen, Alleen/Plätze), Schreibmedien (Brief/Karte, Tagebuch), Druckmedien (Blatt, Buch, Heft, Plakat, Zeitschrift, Zeitung) und elektronische Medien (Foto, Telefon/Funk, Film, Radio, Schallplatte, Fernsehen). In der Art einer kommentierten Bibliographie werden die unterschiedlichen Forschungsergebnisse detailliert vorgestellt und beschrieben.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass auch die vorliegende Publikation an einer weit verbreiteten Schwäche vieler Sammelwerke krankt. Die einzelnen Beiträge des Sammelbandes gestalten sich sehr heterogen: Während Jörn Glasenapp mit einigen wenigen Seiten auskommt und letztlich auf Grundlage eines einzigen Filmes den Eintritt der Vereinigten Staaten von Amerika in den Zweiten Weltkrieg zu erklären versucht, liefert etwa der Beitrag von Werner Faulstich eine umfassende Bibliographie zur Medienkultur im Nationalsozialismus, auf deren Basis nun tatsächlich ein ganzes Forschungsprogramm aufbauen könnte. Einiges – wie die Beiträge von Thomas Flemming und Rudolf Stöber – wurde an anderer Stelle und in einem größeren Zusammenhang bereits ausführlicher publiziert. Zudem vermisst man einen zusammenfassenden Beitrag am Schluss, der die teilweise disparaten Einzelbefunde bündelt, die Ergebnisse gewichtet und Perspektiven für zukünftige Forschung aufzeigt. Zudem hätte man als unbedarfter Leser des Buches auch gern erfahren, was sich hinter der merkwürdig verklausulierten Formulierung im Vorwort versteckt, dass der vorliegende Sammelband nicht nur „der vom akademischen Zeitgeist geforderten Interdisziplinarität geschuldet“ sei, sondern auch demonstriert, „welch interessante Ergebnisse eine Diskussion produzieren kann, welche die akademischen Eigensinnigkeiten und Revierkämpfe hinter sich lässt“. Positiv bleibt aber festzuhalten, dass den Beiträgen ein sehr weit gefasster Medienbegriff zugrunde liegt, der überzeugend das Potential aufzeigt, das in den unterschiedlichen Zugriffen auf das Thema steckt.

Anmerkung:
1 Vgl. zum Beispiel aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive: Gerhard Paul, Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn 2004.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension