Titel
Her Best Shot. Women and Guns in America


Autor(en)
Browder, Laura
Erschienen
Anzahl Seiten
304 S.
Preis
$29.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Lenz, Heidelberg

Waffen, das kann niemanden überraschen, sind in der US-amerikanischen Kultur ein bedeutendes kulturelles Symbol. Spätestens seit der amerikanischen Revolution steht die Schusswaffe für das milizförmig organisierte Militär und die (scheinbar) damit errungene Unabhängigkeit; für die Autonomie des Individuums, das sich unabhängig von staatlichem Einfluss selbst schützen und versorgen kann; für die Möglichkeit, gegen einen übermächtigen Staat eine bewaffnete Revolution anzuzetteln und damit für bewaffnete Kontrolle von Regierungsmacht. Sie steht aber auch für die bewaffnete Unterdrückung von Sklaven und Minderheiten; für durch Waffenbesitz und Waffengewalt definierte Geschlechterrollen; für Kriminalität und Schutz dagegen. Zwar sind viele solche Aspekte der Symbolkraft von Waffen historisch beleuchtet worden, die Beziehung von Frauen und Weiblichkeit zu Waffenbesitz und -benutzung hat bisher aber noch wenig Beachtung gefunden. Diese Lücke will Laura Browder mit ihrem Buch Her Best Shot: Women and Guns in America nun schließen.

Obwohl in den Medien zeitweilig der Eindruck erweckt wurde, dass Frauen erst seit den 1980er-Jahren in großem Stil mit Waffen umgehen würden, könne davon, so argumentiert Browder, keine Rede sein. Vielmehr hätten Frauen bereits seit langer Zeit nicht nur mit Waffen hantiert, sie seien dabei auch medial sehr stark wahrgenommen worden. Dabei sei die Darstellung von bewaffneten Frauen immer zwiespältig gewesen, zwischen dem Versuch, einerseits traditionelle Geschlechtervorstellungen aufrecht zu erhalten, in denen Frauen hinsichtlich von Waffen und Gewalt nicht als Akteurinnen in Erscheinung treten, und andererseits weibliche Bewaffnung mit dem Ziel auszunutzen, das Frauenbild in herrschenden gesellschaftlichen und politischen Konventionen in Frage zu stellen. In sechs Kapiteln greift Browder verschiedene Darstellungen bewaffneter Frauen in verschiedenen Zeiträumen auf und analysiert die Symbolik, die diesen Repräsentationen innewohnt.

Im ersten Kapitel untersucht Browder die Darstellung weiblichen Soldatentums bis zum amerikanischen Bürgerkrieg. Danach wurde der Kriegsdienst von Frauen, oft in Männerkleidung, einerseits als Bedrohung der klassischen Geschlechterrollen gesehen, diente andererseits aber auch deren Bestätigung. Gewalttätigkeit wurde dabei vielfach als für Frauen ungehörig betrachtet, konnte aber, wenn die Frau den Kriegsdienst aus respektablen Gründen unternahm – aus echtem Patriotismus oder tiefer Liebe zu einem in den Krieg ziehenden Mann – durchaus akzeptiert werden. Wenn weibliches Soldatentum aber die Ausübung von Waffengewalt zum Primärzweck hatte, wurde dies, wie Browder zeigt, entschieden kritischer beurteilt. Deshalb wurden auch die Versuche kritisch bewertet, durch weibliche Kriegsbeteiligung die traditionelle Koppelung von Militärdienst und vollem Bürgerrecht auszunutzen und die politische Gleichstellung von Frauen zu erreichen.

Die Rolle von bewaffneten Frauen bei der Eroberung des Westens ist Gegenstand des zweiten Kapitels. Frauen tauchen dabei vor allem als „pioneer mothers“ und als Jägerinnen auf. Beide Rollen sind wiederum zwiespältig: Die bewaffnete, Gewalt ausübende Frau war nur deshalb sozial akzeptabel, weil die Waffe – als Schutz- und Versorgungswerkzeug – scheinbar zur Mutterrolle gehörte. Das Bild der Jägerin wurde in dem Moment problematischer, da scheinbar sinn- und zwecklose Gewalt ausgeübt wurde. Wenn nicht zum Zweck der Ernährung oder zum Schutz vor Wildtieren geschossen, sondern die Jagd um des Jagens willen betrieben wurde, schienen Frauen sich von der weißen, westlichen Zivilisation zu entfernen und wurden somit ethnisch uneindeutig. Die Darstellung bewaffneter Frauen war somit auch von „rassischen“ Konzeptionen geprägt. Diese wurde noch deutlicher in der städtischen Gesellschaft, wo die Jagd, beziehungsweise die blutfreie Variante des Tontaubenschießens, als Möglichkeit umgedeutet wurde, die Gesundheit der „angelsächsischen Rasse“ sicherzustellen: Durch die sportliche Betätigung bei der Jagd sollte einer Verweichlichung vorgebeugt und so im eugenischen Sinn eine Stärkung des „Stammes“ herbeigeführt werden: „The armed pioneer woman provided an image of Anglo-Saxon strength in contrast with the weak women of late nineteenth-century America, who many feared were on the verge of committing ‘race suicide’ through their sickly delicacy“ (S. 77).

Für das frühe 20. Jahrhundert zeigt Browder im folgenden Kapitel, wie die Sichtweise auf die – auch weiblichen – „social bandits“ in den 1920er- und 1930er-Jahren war. Einerseits mythisch verklärt als Rebellinnen und moderne weibliche Robin Hoods, wurden sie andererseits von offizieller Seite nicht nur intensiv verfolgt, sondern auch propagandistisch bekämpft. In der Darstellung des FBI waren bewaffnete Frauen die eigentliche Bedrohung der amerikanischen Gesellschaft. Nicht nur waren sie gewalttätig, sie versagten auch als Mütter und gefährdeten so gleich doppelt das Wohl des Landes. Neben der Darstellung dieser Frauen als unweiblich versuchte das FBI in dieser Zeit auch, sie als unamerikanisch, primitiv und gefährlich zu präsentieren. Lediglich Frauen der Oberklasse konnten dieser negativen Darstellung entgehen, wenn sie zum Beispiel literarisch mit Verbrechen in Verbindung gebracht wurden.

In den 1960er- und 1970er-Jahren, so argumentiert Browder im vierten Kapitel, wurden Schusswaffen von Frauen als Symbol für den Besitz der vollen Staatsbürgerrechte wiederentdeckt. Recht und Pflicht zum Waffentragen reklamierten vor allem als radikal angesehene Feministinnen. Waffen hatten dabei einen doppelten Zweck: Einerseits konnten sie von radikalen Bewegungen gegen den Staat genutzt werden, andererseits auch innerhalb dieser Bewegungen von Frauen, um ihre auch dort häufig benachteiligte Position mit (der Androhung von) Waffengewalt zu verbessern. Besondere Sprengkraft hatte dieses Phänomen in den radikalen Organisationen der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung wie beispielsweise der Black Panther Party und der Black Liberation Army. Die bewaffnete Selbstverteidigung von Afroamerikanern war ausdrückliches Ziel dieser Gruppen, wobei aber auch die Definition der Geschlechter sehr stark über Schusswaffen stattfand: „[...G]un ownership [...] was a key element of successful black manhood“ (S. 147). Entsprechend hatte eine bewaffnete Frau in den Organisationen einen schweren Stand, da ja ihre Waffe die vorherrschende Geschlechterkonzeption untergrub. Darüber hinaus wurde Waffenbesitz von African Americans in der Wahrnehmung tonangebender Gesellschaftsteile mehr oder weniger automatisch mit Kriminalität gleichgesetzt. Besonders in der Darstellung des FBI ergab sich dieses Bild auch für bewaffnete weiße Frauen: Diese waren „sexually out-of-control“ (S. 185) und mussten durch ihre Verweigerung der traditionellen Frauen- und Mutterrolle – hier hat sich die Sicht der Bundespolizei nicht verändert – zwangsläufig die Stabilität der Nation untergraben.

Im fünften Kapitel stellt Browder die Frage nach dem Bild der bewaffneten Frau im politisch extrem rechten Spektrum. In diesem Zusammenhang tauchten vielfach Bilder der gegen die Regierung rebellierenden Kriegerin auf, die sich bewaffnet gegen die als übermäßig empfundene Einmischung des Staates zur Wehr setzt; der „race mother“ (S. 187), die die Werte der amerikanischen Familie aktiv verteidigt; der Rebellin gegen ein urbanisiertes, stark von der Mittelklasse geprägtes Amerika, die die (angeblich uramerikanischen) Werte und die Kultur der Arbeiterklasse verteidigt. Dabei wurde die Schusswaffe, vor allem auch für Frauen, als ein einfaches Mittel dargestellt, Benachteiligungen auszugleichen und Benachteiligten zu ihrem Recht zu verhelfen: „The power of the gun is accessible to just about everyone“ (S. 211).

Das letzte Kapitel befasst sich mit der Darstellung von Frauen und Waffen in den jüngsten Jahrzehnten und untersucht dabei explizit, wie die Waffenhersteller und die Waffenlobby versucht haben, das Bild der bewaffneten Frau zu prägen. Ziel der Werbung war es dabei laut Browder, eine „imagined community“ (S. 214) bewaffneter Frauen zu schaffen. Eine zentrale Rolle spielten dabei alte Vorstellungen von Geschlechterrollen. Der Frauen angeblich inhärente Schutzinstinkt wurde an Waffenbesitz gekoppelt: In scheinbar so gewalttätiger und krimineller Zeit wurde der Eindruck erweckt, dass eine verantwortungsbewusste Frau und Mutter eigentlich nicht ohne Waffe sein und vor allem nicht sicher sein könne. Erreicht wurde dadurch auch eine Normalisierung von weiblichem Waffenbesitz, der aus dem (zuvor dargestellten) anrüchigen Spektrum herausgerückt und zu einem wünschenswerten, nützlichen und sinnvollen Zustand umdefiniert wurde. Für weite Kreise akzeptabel konnte dieser Waffenbesitz dadurch werden, dass (wie schon zuvor beim Tontaubenschießen) jeder Aspekt von Gewalt im Zusammenhang mit Waffen ausgeblendet wurde: Waffen waren ein nützliches, sicheres und familiengeeignetes Schutzwerkzeug, nicht ein potentielles Mordgerät oder Verbrecherwerkzeug.

HistorikerInnen wird an Her Best Shot insbesondere auffallen, wie wenig trennscharf Browder mit klassisch historischem und literarischem (d.h. fiktionalem) Material umgeht: Zitierte Romane und Zeitungen stehen unmittelbar nebeneinander, ohne dass dies ausgiebig thematisiert würde. Störend wirken auch das geradezu waffenenthusiastische Vorwort und die Danksagung, so dass die kritische Distanz etwas zu fehlen scheint. Browder gelingt es trotzdem, eine Anzahl spannender und zuvor wenig wahrgenommener Aspekte von (nicht nur) weiblichem Waffenbesitz herauszupräparieren. Eine klare These verfolgt Browder dabei nicht, sondern beschränkt sich vielmehr darauf, die Vielfalt der Repräsentationen bewaffneter Frauen darzustellen und die diversen unterschiedlichen symbolischen Bedeutungen sichtbar zu machen, die dieser Verbindung innewohnen. Offen bleibt jedoch, inwiefern andere Sichtweisen und Darstellungen mit den ausgewählten koexistierten und konkurrierten: Waren die Erfahrungen von Soldatinnen nach dem Bürgerkrieg nie wieder ein Thema? Gab es vor den 1920er- und 1930er-Jahren keine Verbrecherinnen? Oder wurden diese lediglich nicht literarisch-publizistisch wahrgenommen und verarbeitet? Zumindest einige Gedanken zu diesen Abgrenzungsüberlegungen wären womöglich sinnvoll gewesen.
Laura Browders Band ist keine Geschichte weiblicher Waffenkultur im Sinne einer Gesamtdarstellung. Dennoch eröffnet der Band neue Perspektiven und reißt bisher wenig behandelte Fragestellungen an. Als Vorstoß in neues Territorium ist Her Best Shot, mit den genannten Einschränkungen, eine lohnende Lektüre.

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